Ein Härtetest für den Wald
Die Klimaerwärmung lässt Bäume schneller wachsen, doch zunehmende Trockenheit stellt die Forstbranche vor große Herausforderungen.
WIEN, BRAND. Das Jahr 2018 geht nicht nur mit Rekordschäden in der Landwirtschaft (mehr als 200 Millionen Euro durch Frost, Hagel und Dürre, schätzt die Hagelversicherung) in die Geschichte ein. Auch in der Forstwirtschaft hat der trockene, heiße Sommer gravierende Spuren hinterlassen. Denn der Hitzestress für die im heimischen Wald meist vorherrschende Fichte ist gleichzeitig ein paradiesischer Zustand für den Borkenkäfer, einen gefürchteten Schädling.
Norbert Hüttler, Chefeinkäufer für Tschechien und Österreich beim finnisch-schwedischen Konzern Stora Enso, dem größten Holzindustriebetrieb Österreichs mit der Zentrale in Brand (Bezirk Zwettl) , beschreibt die Lage so: „Die Gebiete nördlich der Donau, also Mühl- und Waldviertel, sind der Hotspot in Österreich. Wir haben dort heuer sicher die doppelte bis dreifache Menge an Schadholz.“Es würden nicht nur gefällte, sondern sogar stehende Bäume befallen. Durch den Hitzestress bildeten Bäume kaum Harz, das den Borkenkäfer abhalte. Besonders extrem sei es im oberösterreichischen Zentralraum und im Mühlviertel.
Auch Oberösterreichs Agrarlandesrat Max Hiegelsberger warnte dieser Tage: „Wir bewegen uns auf eine Katastrophe zu.“Mit bis zu einer Million Festmetern Schadholz wird heuer allein ob der Enns gerechnet, im Vorjahr waren es in ganz Österreich laut dem Bundesforschungszentrum für Wald rund 3,5 Mill. Festmeter – ein Höchstwert seit Jahrzehnten. Um die Holzbringung zu beschleunigen, hat die Regierung, wie berichtet, ein Kontin- gent von 500 Saisonarbeitern aus EU-Drittstaaten bewilligt.
Die Einstufung als Schadholz bedeutet einen Preisverfall von rund der Hälfte für die Waldbesitzer. In der Holzindustrie entsteht das Problem, gute Qualität für die Verarbeitung zu bekommen. „Normal hat man 70 Prozent blanke Qualität, der Rest ist schlechter. Jetzt dreht sich das um, nur 30 bis 40 Prozent des Holzes ist gut“, sagt Hüttler.
Mit der zunehmenden Klimaänderung– es wird tendenziell wärmer und trockener – steht die Forstbranche vor besonders großen Herausforderungen. Denn einerseits wächst der Wald durch längere Vegetationsperioden und höhere Temperaturen schneller als früher, doch steigt auch die Gefahr durch Schädlinge wie den Borkenkäfer. Umgekehrt hat ein Baum einen Lebenszyklus von Jahrzehnten bis zu weit über 100 Jahren. Heute sollen also Bäume nachgepflanzt werden, die auch in 70 oder 80 Jahren das dann veränderte Klima noch vertragen. „Beim Wald ist es extrem schwer zu reagieren“, sagt Kurt Ramskogler, Forstdirektor der Firma Lieco aus Kalwang, die zur Stiftung Fürst Liechtenstein gehört. Umso wichtiger sei die richtige Genetik der Aufzuchtpflanzen. Ramskogler spricht von einem „ganzen Cocktail“an Ursachen, die die Waldbewirtschaftung schwieriger machten. Es gebe heute viel mehr Waldbesitzer als früher, die wenig oder keinen Bezug zum Forst hätten, daher lasse die Art der Bewirtschaftung vielfach zu wünschen übrig. „Aber Panik zu verbreiten wäre auch Blödsinn.“
An Gegenstrategien wird seit Langem gearbeitet: Das Credo – nicht nur bei den Bundesforsten – lautet, statt Monokulturen auf eine bessere Mischung verschiedener Baumarten zu achten, das gelte sowohl für Nadelhölzer als auch für Laubwald. Als Alternative zur Fichte, die als Flachwurzler besonders anfällig für Trockenheit und Wind ist, kommen neben Tanne und Lärche auch Arten wie die aus Nordamerika stammende Douglasie in Betracht. Bei den Bundesforsten laufen am Manhartsberg und bei Weißenkirchen (Wachau) Versuche, die bis in die 1970er-Jahre zurückreichen. Das Prachtexemplar sei bereits 80 Jahre alt und habe im Vergleich zu einer Fichte die doppelte Holzmenge, betonen die Bundesforste. Das Staatsunternehmen, das rund ein Zehntel des Nutzholzes in Österreich aufbringt, arbeitet mit Zehnjahresplänen, bei denen die Reviere exakt überwacht werden. Viele kleine Waldbesitzer können sich so ein Monitoring nicht leisten.
Silvio Schüler beschäftigt sich im Bundesforschungszentrum für Wald mit der Zukunft des Forsts in unseren Breiten. Er sagt: „Es gibt nicht die eine Lösung“, entscheidend sei eine standortangepasste Mischung beim Aufforsten und Nachpflanzen. Die Fichte werde nicht aussterben. Rasche Änderungen seien zudem gar nicht möglich, denn allein in Österreich würden im Jahr rund 20 Millionen junge Fichten benötigt. In der Masse Ersatz zu finden sei unmöglich, „denn das Problem besteht ja europaweit“.
„Fichten haben Stress. Das größere Problem ist: Dem Borkenkäfer geht’s so gut.“