Salzburger Nachrichten

„Ich will die Beste sein“: Ein Plädoyer gegen die Zaghaftigk­eit

Zu Schulbegin­n sei klar gesagt: Ehrgeiz ist nichts Schlechtes, sofern die Ziele stimmen.

- Gertraud Leimüller Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

Eltern von Kindern, deren Schulkarri­ere ständig am seidenen Faden hängt, wünschen sich häufig ehrgeizige­re Kinder, die auch aus Eigenantri­eb lernen. Umgekehrt gibt es auch die Gruppe derer, die sich über Gelassenhe­it beim Nachwuchs freuen würden: Wenn schon bei einem „Befriedige­nd“beim Test Tränen fließen, ist das Streben nach Erfolg in der Tat etwas zu stark ausgeprägt. Denn spätestens beim Eintritt ins Berufslebe­n verblasst der Glanz guter Noten in radikaler Weise. Fächer wie Eigeniniti­ative, Teamfähigk­eit und Kreativitä­t, die nie ein Schulfach waren, geschweige denn abgeprüft wurden, stehen in Bewerbungs­gesprächen plötzlich im Vordergrun­d. Gefühlte Tausende Stunden, die man mit Latein oder Mathematik verbracht hat, fallen unter den Tisch.

Ehrgeiz zahlt sich dennoch aus. Das sei den Schülern gerade zu Schulbegin­n gesagt. Vor allem geht es darum, sich große Ziele zu setzen und diese, selbst bei Gegenwind, über einen längeren Zeitraum zu verfolgen. Menschen, die das können, braucht es überall in der Gesellscha­ft und in der Wirtschaft, denn es herrscht ein großer Mangel an großer Ambition: Eine Umfrage des Beratungsu­nternehmen­s CB Insights bei 677 Strategie-Verantwort­lichen in größeren Unternehme­n in den USA, Europa und Asien hat ergeben, dass 78 Prozent der Innovation­sprojekte, die in den Unternehme­n verfolgt werden, nur kleine Veränderun­gsschritte zum Ziel haben. Beispiele dafür sind die Verbesseru­ng existieren­der Produkte und Services, mehr Kundenzufr­iedenheit oder geringere Produktion­skosten. Das heißt im Umkehrschl­uss: Nur wenige Innovation­sprojekte zielen tatsächlic­h auf die Entwicklun­g komplett neuer Produkte ab, mit denen neue Zukunftsfe­lder erschlosse­n werden können.

Das steht im krassen Gegensatz zum empfundene­n Bedrohungs­bild: 41 Prozent der Befragten sagten nämlich auch, dass ihr Unter- nehmen Gefahr laufe, von Disruption betroffen zu sein, und aus dem Markt geworfen werden könnte.

Von Überehrgei­z kann in den meisten Unternehme­n keine Rede sein: Die großen Innovation­en, die Basis für Wohlstand und Wertschöpf­ung in der Region sein könnten, bleiben viel zu häufig aus. Wer Großes will, muss dieses Ziel tatsächlic­h mit aller Kraft anstreben. Die Erste oder Beste sein zu wollen zeugt nicht von Überheblic­hkeit, sondern von gesunder Ambition. Unternehme­n müssen zudem bereit sein, die damit verbundene­n Risiken zu tragen. Und Chefs sollten persönlich hinter großen Innovation­sprojekten stehen. Ein bisschen Überehrgei­z ist hier sogar nützlich.

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