„Ich will die Beste sein“: Ein Plädoyer gegen die Zaghaftigkeit
Zu Schulbeginn sei klar gesagt: Ehrgeiz ist nichts Schlechtes, sofern die Ziele stimmen.
Eltern von Kindern, deren Schulkarriere ständig am seidenen Faden hängt, wünschen sich häufig ehrgeizigere Kinder, die auch aus Eigenantrieb lernen. Umgekehrt gibt es auch die Gruppe derer, die sich über Gelassenheit beim Nachwuchs freuen würden: Wenn schon bei einem „Befriedigend“beim Test Tränen fließen, ist das Streben nach Erfolg in der Tat etwas zu stark ausgeprägt. Denn spätestens beim Eintritt ins Berufsleben verblasst der Glanz guter Noten in radikaler Weise. Fächer wie Eigeninitiative, Teamfähigkeit und Kreativität, die nie ein Schulfach waren, geschweige denn abgeprüft wurden, stehen in Bewerbungsgesprächen plötzlich im Vordergrund. Gefühlte Tausende Stunden, die man mit Latein oder Mathematik verbracht hat, fallen unter den Tisch.
Ehrgeiz zahlt sich dennoch aus. Das sei den Schülern gerade zu Schulbeginn gesagt. Vor allem geht es darum, sich große Ziele zu setzen und diese, selbst bei Gegenwind, über einen längeren Zeitraum zu verfolgen. Menschen, die das können, braucht es überall in der Gesellschaft und in der Wirtschaft, denn es herrscht ein großer Mangel an großer Ambition: Eine Umfrage des Beratungsunternehmens CB Insights bei 677 Strategie-Verantwortlichen in größeren Unternehmen in den USA, Europa und Asien hat ergeben, dass 78 Prozent der Innovationsprojekte, die in den Unternehmen verfolgt werden, nur kleine Veränderungsschritte zum Ziel haben. Beispiele dafür sind die Verbesserung existierender Produkte und Services, mehr Kundenzufriedenheit oder geringere Produktionskosten. Das heißt im Umkehrschluss: Nur wenige Innovationsprojekte zielen tatsächlich auf die Entwicklung komplett neuer Produkte ab, mit denen neue Zukunftsfelder erschlossen werden können.
Das steht im krassen Gegensatz zum empfundenen Bedrohungsbild: 41 Prozent der Befragten sagten nämlich auch, dass ihr Unter- nehmen Gefahr laufe, von Disruption betroffen zu sein, und aus dem Markt geworfen werden könnte.
Von Überehrgeiz kann in den meisten Unternehmen keine Rede sein: Die großen Innovationen, die Basis für Wohlstand und Wertschöpfung in der Region sein könnten, bleiben viel zu häufig aus. Wer Großes will, muss dieses Ziel tatsächlich mit aller Kraft anstreben. Die Erste oder Beste sein zu wollen zeugt nicht von Überheblichkeit, sondern von gesunder Ambition. Unternehmen müssen zudem bereit sein, die damit verbundenen Risiken zu tragen. Und Chefs sollten persönlich hinter großen Innovationsprojekten stehen. Ein bisschen Überehrgeiz ist hier sogar nützlich.