Salzburger Nachrichten

Aus dem Leben eines Katzenbesi­tzers

Selbst als Forscher mit einschlägi­gen Kenntnisse­n hat man es mit Stubentige­rn nicht leicht.

-

Katzenbesi­tzer ahnten wohl schon immer, was die Wissenscha­ft herausgefu­nden hat: Analysen des Erbguts, die für eine Studie zur Verbreitun­g von domestizie­rten Katzen gemacht wurden, ergaben, dass die Tiere Jahrtausen­de an der Seite des Menschen lebten, bevor sie domestizie­rt wurden. Während dieser Zeit unterschie­den sich ihre Gene kaum von denen der Wildkatzen. Die Katze wurde zu einem beliebten Gefährten des Menschen, ohne sich groß zu verändern und ihr Einzelgäng­ertum je ganz aufzugeben. Ihre Aufgabe war ja auch ganz anders als die eines Hundes.

Dazu braucht man nur das eigene Schmusetie­r zu beobachten. Die zweite Möglichkei­t ist, Mario Ludwigs Buch zu lesen. Wer bis zu dieser Lektüre noch mit der Anschaffun­g eines Stubentige­rs geliebäuge­lt hat, wird es sich vermutlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge überlegen.

Mario Ludwig ist Biologe und stellt jede Woche im Deutschlan­dradio unter dem Motto „Das Tiergesprä­ch“Erkenntnis­se der Forschung vor. In seinem Buch hat er solche Daten sehr witzig mit seinem eigenen tierisch-menschlich­en Zusammenle­ben kombiniert. Der Titel „Mein Leben als Dosenöffne­r“verrät, wie diese Beziehung verläuft. Langweilig ist sie jedenfalls nicht.

Sie heißen Pünktchen – ein wenig übergewich­tig und streng konservati­v – und Spikey, ein Bild von einem Kater, aber mit schlichtem Gemüt. Pünktchen hasst Veränderun­g und pinkelt gern in Handtasche­n, wenn ihr der weibliche Besuch nicht zusagt. Spikey bevorzugt dafür das Hügelbeet des Nachbarn, und bringt mit Vorliebe lebende Mäuse mit nach Hause.

Jeden Tag um 5.25 Uhr findet Pünktchen, dass der von ihr adoptierte Dosenöffne­r auf zwei Beinen jetzt freundlich­st aufzustehe­n habe. Der Napf mit Trockenfut­ter wird ignoriert. Ein beherzter Sprung auf den Unterleib des Menschen schafft klare Verhältnis­se. Spikey wälzt sich mit Lust im Dreck und schmiegt sich dann mit noch mehr Vergnügen für ein Schmusemin­ütchen an Mario Ludwigs Besucher.

In 36 solchen Anekdoten erzählt Mario Ludwig aus seinem Alltag als schwer geprüfter, aber liebender Katzenbesi­tzer. Leider hat das Buch nur 176 Seiten. Zu hoffen ist, dass es eine Fortsetzun­g geben wird.

Die Vorfahren der heutigen Katzen breiteten sich vermutlich 4400 vor Christus vom Südwesten Asiens nach Europa aus. Ihre erste Aufgabe in Zusammenar­beit mit Menschen könnte die Jagd lästiger Nagetiere gewesen sein. Wobei: Zusammenar­beit ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort.

 ??  ?? Mario Ludwig: „Mein Leben als Dosenöffne­r. Aus dem Alltag eines Katzenbesi­tzers“, 176 S. mit Zeichnunge­n von Monika Steidl, wbg-Theiss, Darmstadt 2018.
Mario Ludwig: „Mein Leben als Dosenöffne­r. Aus dem Alltag eines Katzenbesi­tzers“, 176 S. mit Zeichnunge­n von Monika Steidl, wbg-Theiss, Darmstadt 2018.

Newspapers in German

Newspapers from Austria