EU-Kommission drängt auf kilometerabhängige Maut
Mautstraßenbetreiber aus aller Welt tagen derzeit in Salzburg. Dabei machte die EU-Kommission klar, dass in Europa mittelfristig eine exakte Abrechnung die Vignetten ersetzen soll.
Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, soll es in Europa in einigen Jahren keine Mautvignetten mit Pauschalentgelten mehr geben. Stattdessen werden kilometerabhängige Straßengebühren forciert, bei denen jede einzelne Fahrt exakt abgerechnet wird. Österreich als derzeitiges EU-Vorsitzland hat daran freilich kein Interesse. Beim Jahreskongress des Weltverbands der Mautstraßenbetreiber in Salzburg betonte eine Vertreterin der EU-Kommission gestern, Donnerstag, aber, man werde von dem Gesetzesvorschlag nicht abweichen.
Im Europäischen Parlament hatte sich der Verkehrsausschuss im Mai mehrheitlich für kilometerabhängige Mautsysteme ausgesprochen, im Plenum wird voraussichtlich Anfang Oktober abgestimmt. Maßgeblich bei dem Thema sind vor allem die EU-Mitgliedsstaaten, denn es soll auch künftig jedes Land selbst entscheiden, ob es Maut kassiert oder nicht. Wenn ja, solle dies aber nach einheitlichen Prinzipien erfolgen, betonte Elisabeth Werner von der EU-Generaldirektion Mobilität. Eine kilometerabhängige Maut lasse eine bessere Steuerung des Verkehrs zu und ermögliche auch Aufschläge auf sensiblen Strecken in den Bergen oder in Ballungszentren. Laut dem Vorschlag sollen Mautgebühren künftig nach dem tatsächlichen CO2-Ausstoß gestaffelt berechnet werden und nicht nach den EuroSchadstoffklassen.
SALZBURG. Die Mautpläne der EUKommission standen zum Auftakt des zweitägigen Jahreskongresses des Weltverbandes der Mautstraßenbetreiber in Salzburg am Donnerstag im Mittelpunkt. Just unter österreichischem EU-Vorsitz stehen auch Verhandlungen zu den entsprechenden Gesetzesvorschlägen der EU-Kommission an. Mautgebühren sind wie Spritpreise ein sehr emotional aufgeladenes Thema, also für Politiker heikel.
Wie berichtet, will die Brüsseler EU-Behörde durchsetzen, dass die Mitgliedsstaaten bei ihren Mautsystemen von Vignetten, bei denen eine Pauschalgebühr einen bestimmten Zeitraum abdeckt, zu einer kilometergenauen Abrechnung wechseln. Doch davon will Österreich nichts wissen, wie Verkehrsminister Norbert Hofer in einer Videobotschaft bekräftigte. Er sehe keinen Grund dafür, dass Österreich sein System ändere – also es solle bei einer kilometerabhängigen Maut für Lkw und bei der Vignette für Autos und Motorräder bleiben. Unmittelbar zuvor hatte er betont, dass Österreich bei Autobahnen stets technologisch ein Vorreiter gewesen sei, vom Tunnel- und Brückenbau bis zur Einführung der kilometerabhängigen Lkw-Maut ohne Mautstationen im Jahr 2004.
Große Fortschritte sind damit beim EU-Verkehrsministerrat Anfang Dezember wohl nicht zu erwarten, aber das Thema bleibt unweigerlich auf der Tagesordnung. Denn Elisabeth Werner, die aus Österreich stammende Direktorin für Straßenverkehr in der EU-Kommission, machte bei der Konferenz des in den USA beheimateten Weltverbandes IBTTA klar, dass die Kommission an ihrer Linie festhalte.
Zwar könne weiter jedes EULand entscheiden, ob es für Autobahnen oder auch andere Straßen eine Gebühr verlange, doch das solle nach bestimmten, einheitlichen Prinzipien erfolgen. „Vignetten waren in den 1990er-Jahren Stand der Technik, es gibt schon eine Entwicklung seither. Heute gibt es einen Trend zu kilometerbasierten Systemen“, sagte Werner im SN-Gespräch. „Eine Vignette verleitet einen dazu, mautpflichtige Straßen besonders oft zu benutzen.“Wer Verkehr steuern wolle, müsse auf die entsprechenden Instrumente setzen. Es gehöre das Verursacherprinzip gestärkt. „Je mehr man auf Umweltaspekte schaut, desto besser eignet sich ein kilometerbasiertes System“, sagte die Verkehrsexpertin. Auch Aufschläge auf sensiblen Strecken – ob Alpentrassen wie über den Brenner oder etwa für weniger saubere Dieselfahrzeuge in Ballungszentren – sollen möglich sein. Werner betonte, gerade für Grenzregionen wäre eine Harmonisierung der unterschiedlichen Mautsysteme wichtig, die EU-Kommission erhalte viele Beschwerden.
Derzeit benötigen Autofahrer laut Kommission in sieben EU-Ländern (neben Österreich Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Rumänien und Bulgarien) eine Vignette auf Autobahnen. Deutschland bereitet sie seit Jahren nur vor. Kilometerabhängig wird in sieben wei- teren Ländern (Spanien, Frankreich, Italien, Kroatien, Griechenland, Polen, Irland) kassiert – umständlich an Mautstationen. Einzig in Portugal gibt es ein elektronisches System mit kilometergenauer Abrechnung ohne Mautportale.
Für den Schwerverkehr gibt es in neun Ländern Vignetten (Großbritannien, Niederlande, Belgien, Dänemark, Schweden, Lettland, Litauen, Rumänien, Bulgarien), während sieben Länder die Gebühr an Mautstationen kassieren. Elektronisch – wie in Österreich – wird auch in Deutschland, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Polen sowie in Portugal abgerechnet.
Asfinag-Vorstand Klaus Schierhackl sagte, man wolle beim Vignetten-System bleiben. „Sonst kommt es zu Ausweichverkehr. Für Pkw sind Fahrverbote auf Bundesstraßen nicht möglich, für Lastwagen schon“, argumentiert Schierhackl.
Die Asfinag gewährte den rund 150 Teilnehmern einen Einblick in die künftige Vernetzung auf der Autobahn. Künftig werden Autofahrer vom Mautbetreiber aktuelle Informationen über Baustellen, Unfälle oder das aktuelle Tempolimit blitzschnell direkt an Bord bekommen, umgekehrt werden Autos (jene der Golf-Plattform von Volkswagen etwa ab 2019) schon bald Echtzeitdaten (von Wetter oder der Verwendung von Nebelleuchten) an die Straßenbetreiber liefern.
„Verursacherprinzip gehört gestärkt.“ Elisabeth Werner, EU-Kommission