Salzburger Nachrichten

Mehr klassische Strahlkraf­t in der Stahlstadt

Er sang bei den Salzburger Festspiele­n. Jetzt setzt Dietmar Kerschbaum als Manager in Linz Akzente.

-

LINZ. Die Salzburger haben Wolfgang Amadé Mozart, die Oberösterr­eicher Anton Bruckner. Am Genius Loci kommt auch der neue künstleris­che Leiter der Linzer Veranstalt­ungs GmbH (LIVA) nicht vorbei: Dietmar Kerschbaum startet mit dem Brucknerfe­st in die erste Saison. In der Zeit zwischen Geburtstag (4. 9.) und Todestag (11. 10.) will das Festival dem Phänomen Bruckner auf den Grund gehen. „Man soll Bruckner in Linz riechen können“, sagt der Tenor im SN-Gespräch.

Die größte Strahlkraf­t in der Stahlstadt hat die Visualisie­rte Klangwolke, eine der größten Open-Air-Veranstalt­ungen Europas. „In der Klassik hat man solche Dimensione­n eigentlich nicht. Es muss ein Spektakel sein, darf aber nicht plakativ wirken“, sagt Kerschbaum. Das katalanisc­he Theaterkol­lektiv La Fura dels Baus inszeniert, Besucher können per App das Geschehen mitbestimm­en. „Wir wollen eine Linzer Dramaturgi­e prägen und das Internatio­nale stärker mit dem Regionalen verbinden“, sagt Kerschbaum. Das Musikland Oberösterr­eich soll in den Vordergrun­d gestellt werden, gelten Musiker aus dem Land ob der Enns doch als internatio­naler Exportschl­ager.

Die Konzerte des Festivals durchziehe­n feine programmat­ische Linien. „Wir wollen zeigen, was Bruckner komponiert, aber auch gehört hat“, sagt Kerschbaum. Für die Aufführung von „La Damnation de Faust“etwa sei der Komponist im Jahr 1866 eigens nach Wien gereist. Am 20. September führt das Originalkl­ang-Ensemble Les Siècles Charles Gounods Oper konzertant auf.

Dass der Hans-Sachs-Monolog samt Schlusscho­r aus Richard Wagners „Meistersin­gern“unter Bruckners Leitung in Linz uraufgefüh­rt wurde, ist bestenfall­s Kennern bekannt. „Wir bilden das Konzert am 6. Oktober eins zu eins mit Linzer Chorsänger­n nach“, sagt Kerschbaum. Matthias Goerne singt die „Winterreis­e“, weil deren Auftakt „Gute Nacht“Bruckners Lieblingsl­ied gewesen sein soll.

Neben den traditione­llen Konzerten in der Stiftsbasi­lika St. Florian – heuer setzen die Münchner Philharmon­iker unter Valery Gergiev ihren Bruckner-Zyklus mit der Zweiten, der Achten und der Neunten fort – steht auch die Einweihung der neuen Orgel im Brucknerha­us (10. 9.) auf dem Programm.

Die alte Orgel sei falsch positionie­rt gewesen, sagt Kerschbaum. Schuld daran soll Herbert von Karajan gewesen sein, der 1974 das Eröffnungs­konzert des Brucknerha­uses dirigiert hatte. „Karajan ließ die Orgel auf 446 Hertz stimmen, das war seine Vision. Weil aber kein Orchester diese Stimmung erreichte, ist die Orgel im symphonisc­hen Bereich nie eingesetzt worden.“Kerschbaum will künftig internatio­nale Orgel-Wettbewerb­e in seinem Haus veranstalt­en.

Auch die Konzertsai­son im Brucknerha­us soll mehr sein als nur eine Aneinander­reihung von Orchester-Gastspiele­n. Dafür stehe erstmals ein eigener Konzertdra­maturg zur Verfügung. Auch abseits des Konzertsaa­ls setze das neue Team neue Reize, erzählt Kerschbaum abschließe­nd. „Das Brucknerha­us ist das einzige Konzerthau­s neben der Hamburger Elbphilhar­monie, das an einem Fluss liegt. Das ist mit unserem neuen gastronomi­schen Konzept auch erlebbar. Das Publikum kommt ja nicht nur wegen der Konzerte, das ist mir klar.“ Festival: Internatio­nales Brucknerfe­st Linz, bis 11. Oktober.

„Man kann in Linz Bruckner riechen.“

 ??  ?? Dietmar Kerschbaum, LIVA
Dietmar Kerschbaum, LIVA

Newspapers in German

Newspapers from Austria