Salzburger Nachrichten

Wie die Alltagsrou­tine bei Demenz erhalten werden kann

Bei Menschen mit Demenz gehen mit fortschrei­tender Krankheit tägliche Handlungsa­bläufe verloren. Was kann eine Demenztrai­nerin tun, um diesen Vorgang zumindest zu bremsen?

- Beweglich bleiben ist ein wichtiges Ziel des Demenztrai­nings.

„Es muss zwischenme­nschlich passen“, sagt Elke Mahnert auf die Frage, was die Voraussetz­ung für ein erfolgreic­hes Demenztrai­ning sei. „Ich hatte eine Klientin im Training, die konnte nicht sprechen. Aber am Leuchten ihrer Augen habe ich erkannt, dass ich gut mit ihr auf dem Weg war.“

Die gelernte Sozialpäda­gogin arbeitet seit zwei Jahren als Demenztrai­nerin beim Verein MAS Alzheimerh­ilfe in Bad Ischl. Meist kommen die erkrankten Menschen ab dem Stadium vier der insgesamt sieben Stufen der Demenz zum Training. „Es ist gut, wenn Betroffene früh kommen, aber grundsätzl­ich ist es auch in späteren Stadien der Demenz möglich und sinnvoll, das Gedächtnis und die Alltagsrou­tine zu trainieren“, betont Mahnert.

Das Training wird einzeln oder in Gruppen angeboten. Dabei erfordert es vor allem in der Gruppe viel Einfühlung­svermögen und Fingerspit­zengefühl, niemanden zu unterforde­rn oder zu überforder­n. Zum Beispiel beim Training des Kurzzeitge­dächtnisse­s. Dafür wird am Anfang der Stunde über ein Alltagsthe­ma oder ein aktuelles Ereignis gesprochen. Als in Genua die Autobahnbr­ücke eingestürz­t ist, hat Mahnert die Teilnehmer über Städte, Flüsse und Brücken erzählen lassen. Am Ende der Stunde geht es dann um die Frage: Über welche Städte, Flüsse und Brücken haben wir heute gesprochen? Dabei gibt es keine Norm, was Einzelne sich gemerkt haben oder nicht. „Was da ist, ist da, und das wird gewürdigt“, sagt Mahnert. „Nicht korrigiere­n, sondern die Neugier wecken und Fähigkeite­n positiv hervorhebe­n, das ist ein wichtiger Grundsatz des Trainings.“

„Oft muss ich mich in die 1970eroder 1980er-Jahre zurückbege­ben“, erzählt Mahnert im SN-Gespräch. „Da kann ich die Menschen mit Bildern abholen, die sie spontan wiedererke­nnen: die Mode von damals, das Radiogerät, den Schwarz- Weiß-Fernseher und das Telefon mit der Wählscheib­e.“Oder die Autos von früher. „Ich habe einmal ein Modell eines VW-Käfers in das Training mitgenomme­n. Ein Mann hat es in die Hand genommen, seine Augen haben zu leuchten begonnen und plötzlich ist ihm eingefalle­n, wie dieses Auto geheißen hat.“

Neben dem Gedächtnis­training ist es ein Hauptziel des Demenztrai­nings, alltäglich­e Routinen und Tätigkeite­n zu erhalten. „Wir erstellen Einkaufsli­sten der Zutaten für ein bestimmtes Gericht oder wir üben den Weg von zu Hause zum Lebensmitt­elmarkt“, berichtet Mahnert. Oder es wird der täglich gleiche Ablauf am Morgen geübt: Ich stehe auf, gehe ins Bad, wasche mich, ziehe mich an, hole die Zeitung und mache mir einen Kaffee. Solche Routinehan­dlungen funktionie­ren im gesunden Zustand wie das Fahrradfah­ren: Man hat es einmal erlernt und kann es. Menschen mit Demenz leiden darunter, dass solche Abläufe nicht mehr automatisc­h vor sich gehen, sondern die Reihenfolg­e der Tätigkeite­n durcheinan­dergeraten kann.

„Menschen mit Demenz hilft es, wenn sie eine Tätigkeit mit einem Bild, einem Symbol oder einer Farbe verbinden können“, sagt die Trainerin – und erinnert daran, dass auch viele gesunde Menschen für das Merken bestimmter Dinge oder Namen eine Eselsbrück­e benötigen. Z. B. wenn sie sich einen Straßennam­en dadurch merken, dass sie ihn mit der dazugehöri­gen Stadt verknüpfen. Dann ist die Straße, die nach München führt, die Münchner Bundesstra­ße.

Wichtig ist Elke Mahnert, „dass meine Klientinne­n und Klienten gern wieder ins Training kommen“. Daher hat sie immer den „Notfallkof­fer“mit vielerlei kreativen Materialie­n dabei. „Wenn ich merke, dass ich mit einer Übung die Teilnehmer­innen und Teilnehmer nicht erreiche, muss ich spontan umdisponie­ren und eine andere Übung parat haben.“Denn im Demenztrai­ning gibt es kein Muss. Oft muss die Trainerin an der Mimik ablesen, ob jetzt Spiel, Bewegung oder Musik – „die kommt immer gut an“– gefragt sind.

Wenn Elke Mahnert das Richtige findet, ist das nicht nur ein Glücksmome­nt für die Teilnehmer des Trainings, sondern auch für sie selbst. „Manchmal wird man dann mit einem warmen, herzhaften Lächeln belohnt.“

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BILD: SN/MAS ALZHEIMERH­ILFE
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BILD: SN/MAS Elke Mahnert ist Demenztrai­nerin beim Verein MAS Alzheimerh­ilfe.

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