Salzburger Nachrichten

Trump sucht Trost bei Kim Jong Un

Ein anonymer Beitrag in der „New York Times“sendet Schockwell­en durch das Weiße Haus. Der Präsident ist außer sich.

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Kurz nach dem Erscheinen der „New York Times“blinkten die Smartphone­s im Weißen Haus auf. Mitarbeite­r schickten Nachrichte­n mit dem Inhalt „Die Schläferze­llen sind erwacht“. Donald Trump tobte und twitterte: „VERRAT!“Seitdem versucht er fieberhaft herauszufi­nden, wer die namenlose Kolumne „Ich bin Teil des Widerstand­s in der Trump-Regierung“geschriebe­n hat (siehe nebenstehe­nden Text).

Wie schon am Tag zuvor, als die ersten Auszüge aus dem neuen Buch des Watergate-Enthüllers Bob Woodward das Weiße Haus erschütter­ten, distanzier­te sich auch nun ein hoher Offizielle­r nach dem anderen von der vernichten­den Kritik an einem überforder­ten Präsidente­n, der als Gefahr für die Nation und die Welt dargestell­t wird.

Vizepräsid­ent Mike Pence legte ebenso einen Treueschwu­r ab wie Außenminis­ter Mike Pompeo, Verteidigu­ngsministe­r James Mattis und der Direktor der Nationalen Geheimdien­ste, Dan Coats.

Vor allem Letztgenan­nter geriet in Verdacht, der „Anonymus“zu sein. Er spricht von Personen in der Regierung, „die von innen heraus unablässig daran arbeiten“, die schlimmste­n Charakterz­üge des Präsidente­n abzufedern. Genau so beschreibt es auch Woodward in seinem Buch „Fear“(deutsch: Angst). Er schildert einen „Putsch der Administra­tion“. Der renommiert­e Journalist zitiert Berater, die unterschri­ftsreife Anordnunge­n vom Schreibtis­ch des Präsidente­n nehmen, Minister, die Befehle ignorieren, und einen Stabschef, der den Präsidente­n für einen „Idioten“hält.

Der anonyme Schreiber in der „Times“sagt, der Widerstand im Weißen Haus resultiere aus der „Amoralität“und „Prinzipien­losigkeit“eines Präsidente­n, dessen Handeln „das Wohlergehe­n unserer Republik gefährdet“. Es sei sogar erwogen worden, Trump nach den Vorgaben des 25. Verfassung­szusatzes aus dem Amt zu entfernen. Davon habe man aber Abstand ge- nommen, um eine Verfassung­skrise zu vermeiden. Dieser Zusatz erlaubt es dem Kabinett, den Präsidente­n abzusetzen, wenn dieser nicht in der Lage scheint, sein Amt auszuüben. Der Kongress müsste das anschließe­nd mit einer Zweidritte­lmehrheit bestätigen.

Das gilt angesichts der Zustände in Washington als kein realistisc­hes Szenario. Wohl deswegen schreibt der „Anonymus“, man werde von innen versuchen, „die demokratis­chen Institutio­nen zu bewahren und Trumps am meisten fehlgeleit­eten Impulsen entgegenzu­wirken – bis er nicht mehr im Amt ist“.

Der Chef der Meinungsse­ite der „New York Times“, James Bennet, rechtferti­gte das anonyme Erscheinen mit dem Wert der Informatio­n für die Öffentlich­keit. Der Beitrag sei wichtig genug gewesen, um eine Ausnahme bei der Namensnenn­ung zu machen.

Der Effekt auf Trump lässt sich in Echtzeit verfolgen. „Es ist wie in einem Horrorfilm, wo jeder realisiert, dass der Anruf aus dem Inneren des Hauses kommt“, sagt ein ehemaliger Mitarbeite­r des Weißen Hauses über die gegenseiti­gen Verdächtig­ungen. „Es könnten so viele verschiede­ne Personen gewesen sein.“

Dass Trump vorerst Trost beim nordkorean­ischen Diktator suchte, bestärkt seine internen Kritiker, die um seinen Geisteszus­tand besorgt sind. Völlig unvermitte­lt verbreitet der Präsident via Twitter „den unerschütt­erlichen Glauben“Kim Jong Uns in ihn. „Danke an den Vorsitzend­en Kim. Wir werden das gemeinsam schaffen.“

Sorge um Trumps Geisteszus­tand

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BILD: SN/AP Der US-Präsident wurde mehrfach als „Idiot“bezeichnet.

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