Die SPÖ in der Realitätsfalle
Mäßige Umfragewerte, keine Strategie: Es wird ganz schön mühsam werden, die SPÖ zurück in die Regierung zu führen.
Linke Politik sieht anders aus: In Wien wurde kürzlich mit Michael Ludwig ein Repräsentant des rechten Parteiflügels zum SPÖ-Vorsitzenden und Bürgermeister gekürt, und die rotgrüne Zusammenarbeit in der Stadtkoalition schleppt sich ihrem Ende entgegen. Im Burgenland hat soeben mit dem ehemaligen Polizeichef und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil ein ausgesprochener Law-and-OrderMann die SPÖ übernommen, er wird am 28. Februar 2019 auch Landeshauptmann werden und die Regierungskoalition mit den Freiheitlichen ohne jeden Zweifel fortsetzen. Dieser Kurs wurde von den Parteitagsdelegierten ausdrücklich gutgeheißen: Doskozil und seine Mitstreiter im Parteipräsidium erhielten Zustimmungsraten nahe an der Hundert-ProzentMarke.
Anders gesagt: Wer sich in der Sozialdemokratie auf die Suche nach dem linken Parteiflügel begibt, der muss schon sehr genau schauen, um noch irgendwo irgendwelche Restbestände desselben aufzuspüren. Ach ja, und dann gibt es noch den Bundesparteivorsitzenden Christian Kern, der sich redlich abmüht, der Partei ein neues Programm und neue Statuten zu verpassen. Doskozil, der neue starke Mann im Burgenland, fühlte sich beim dortigen SPÖ-Parteitag am Samstag verpflichtet, einen Treueschwur auf den Bundesparteichef zu leisten: „Christian Kern ist unser Spitzenrepräsentant und er wird es bleiben und uns in erfolgreiche Wahlen führen.“Eh schön – aber ein Parteichef, der sich ausdrücklich versichern lassen muss, dass ganz bestimmt nicht an seine baldige Demontage gedacht ist, sollte sich beizeiten nach anderen beruflichen Optionen umsehen.
Die SPÖ steckt nach wie vor in jener Krise, in die sie durch ihre Abwahl als Kanzlerpartei gestürzt worden ist. Doch im Grunde hat die Krise weit früher begonnen, nämlich zeitgleich mit der großen Migrations- und Flüchtlingsbewegung 2015/2016. Die damalige SPÖ-Führung wollte nicht begreifen, dass massenhafter ungeregelter Zuzug nicht nur unsere Gesellschaft verändert, sondern auch eine Änderung in den Köpfen der Wählerinnen und Wähler bewirkt. Während die ÖVP, getrieben vom damaligen Außenminister Sebastian Kurz, damals auf eine ebenso realistische wie restriktive Migrationspolitik einschwenkte, klammerte sich die SPÖ, personifiziert durch den damaligen Bundeskanzler Werner Faymann, am Rockzipfel von Angela „Wir schaffen das“Merkel fest. Als Faymann unter dem Druck der Ereignisse seine Politik der offenen Grenzen ein klein wenig korrigierte, wurde er von aufgebrachten Parteifreunden vom Rathausplatz und alsbald aus dem Kanzleramt gepfiffen. Wobei angemerkt werden muss: Die damaligen Pfiffe waren keineswegs Ausdruck einer weitverbreiteten Empörung an der Parteibasis, vielmehr wurde das Pfeifkonzert von einer kleinen, aber gut organisierten Minderheit in der SPÖ inszeniert.
Faymanns Nachfolger Christian Kern drehte die Partei deutlich weiter in Richtung Realität, als es Faymann gewagt hatte. Ihm folgten die Genossen, nicht aber die Wähler. Diese verschafften Sebastian Kurz eine Mehrheit und verbannten die SPÖ in die Opposition. Also in eine politische Ecke, in der die machtbewusste SPÖ ihrem Selbstverständnis nach nichts zu suchen hat.
Eine abgestimmte Strategie, die sie aus der Oppositionsecke herausführen könnte, ist in der SPÖ nicht zu erkennen. Parteichef Kern und sein Bundesgeschäftsführer Max Lercher senden aus ihrer Wiener Parteizentrale unverdrossen linke, um nicht zu sagen klassenkämpferische Signale. Die Funktionärsbasis hingegen orientiert sich nach rechts – siehe die Kür Michael Ludwigs in Wien, siehe die Kür Hans Peter Doskozils im Burgenland. In den Umfragen kommt die SPÖ nicht vom Fleck. Die ÖVP und ihr Kanzler führen mit deutlichem Vorsprung, während die Sozialdemokraten bei jenen 27 Prozent festsitzen, die sie auch schon am Wahlabend hatten.
Parteichef Kern muss jetzt mit Wiens neuem Parteichef Michael Ludwig leben, der ihm kürzlich ausgerichtet hat, dass die Wiener SPÖ einige zentrale Punkte des neuen Parteistatuts nicht umsetzen wird; und mit Burgenlands neuem Parteichef Hans Peter Doskozil, der kürzlich öffentlich das geplante neue Parteiprogramm kritisierte. Bleibt als einzige mögliche Stütze Kärntens Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser, der sich loyal verhält. Mehr an SPÖ ist in den Bundesländern nicht vorhanden: Die steirischen Genossen stecken in einer Führungskrise, die oberösterreichischen und Salzburger Genossen sind in der Wählergunst rettungslos abgesackt, in den restlichen Bundesländern ist die SPÖ nur ein Minderheitenprogramm.
Es wird ganz schön mühsam für Kern (oder wen auch immer) werden, diese Partei zurück in die Regierung zu führen.