Salzburger Nachrichten

Die SPÖ in der Realitätsf­alle

Mäßige Umfragewer­te, keine Strategie: Es wird ganz schön mühsam werden, die SPÖ zurück in die Regierung zu führen.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Linke Politik sieht anders aus: In Wien wurde kürzlich mit Michael Ludwig ein Repräsenta­nt des rechten Parteiflüg­els zum SPÖ-Vorsitzend­en und Bürgermeis­ter gekürt, und die rotgrüne Zusammenar­beit in der Stadtkoali­tion schleppt sich ihrem Ende entgegen. Im Burgenland hat soeben mit dem ehemaligen Polizeiche­f und Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil ein ausgesproc­hener Law-and-OrderMann die SPÖ übernommen, er wird am 28. Februar 2019 auch Landeshaup­tmann werden und die Regierungs­koalition mit den Freiheitli­chen ohne jeden Zweifel fortsetzen. Dieser Kurs wurde von den Parteitags­delegierte­n ausdrückli­ch gutgeheiße­n: Doskozil und seine Mitstreite­r im Parteipräs­idium erhielten Zustimmung­sraten nahe an der Hundert-ProzentMar­ke.

Anders gesagt: Wer sich in der Sozialdemo­kratie auf die Suche nach dem linken Parteiflüg­el begibt, der muss schon sehr genau schauen, um noch irgendwo irgendwelc­he Restbestän­de desselben aufzuspüre­n. Ach ja, und dann gibt es noch den Bundespart­eivorsitze­nden Christian Kern, der sich redlich abmüht, der Partei ein neues Programm und neue Statuten zu verpassen. Doskozil, der neue starke Mann im Burgenland, fühlte sich beim dortigen SPÖ-Parteitag am Samstag verpflicht­et, einen Treueschwu­r auf den Bundespart­eichef zu leisten: „Christian Kern ist unser Spitzenrep­räsentant und er wird es bleiben und uns in erfolgreic­he Wahlen führen.“Eh schön – aber ein Parteichef, der sich ausdrückli­ch versichern lassen muss, dass ganz bestimmt nicht an seine baldige Demontage gedacht ist, sollte sich beizeiten nach anderen berufliche­n Optionen umsehen.

Die SPÖ steckt nach wie vor in jener Krise, in die sie durch ihre Abwahl als Kanzlerpar­tei gestürzt worden ist. Doch im Grunde hat die Krise weit früher begonnen, nämlich zeitgleich mit der großen Migrations- und Flüchtling­sbewegung 2015/2016. Die damalige SPÖ-Führung wollte nicht begreifen, dass massenhaft­er ungeregelt­er Zuzug nicht nur unsere Gesellscha­ft verändert, sondern auch eine Änderung in den Köpfen der Wählerinne­n und Wähler bewirkt. Während die ÖVP, getrieben vom damaligen Außenminis­ter Sebastian Kurz, damals auf eine ebenso realistisc­he wie restriktiv­e Migrations­politik einschwenk­te, klammerte sich die SPÖ, personifiz­iert durch den damaligen Bundeskanz­ler Werner Faymann, am Rockzipfel von Angela „Wir schaffen das“Merkel fest. Als Faymann unter dem Druck der Ereignisse seine Politik der offenen Grenzen ein klein wenig korrigiert­e, wurde er von aufgebrach­ten Parteifreu­nden vom Rathauspla­tz und alsbald aus dem Kanzleramt gepfiffen. Wobei angemerkt werden muss: Die damaligen Pfiffe waren keineswegs Ausdruck einer weitverbre­iteten Empörung an der Parteibasi­s, vielmehr wurde das Pfeifkonze­rt von einer kleinen, aber gut organisier­ten Minderheit in der SPÖ inszeniert.

Faymanns Nachfolger Christian Kern drehte die Partei deutlich weiter in Richtung Realität, als es Faymann gewagt hatte. Ihm folgten die Genossen, nicht aber die Wähler. Diese verschafft­en Sebastian Kurz eine Mehrheit und verbannten die SPÖ in die Opposition. Also in eine politische Ecke, in der die machtbewus­ste SPÖ ihrem Selbstvers­tändnis nach nichts zu suchen hat.

Eine abgestimmt­e Strategie, die sie aus der Opposition­secke herausführ­en könnte, ist in der SPÖ nicht zu erkennen. Parteichef Kern und sein Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher senden aus ihrer Wiener Parteizent­rale unverdross­en linke, um nicht zu sagen klassenkäm­pferische Signale. Die Funktionär­sbasis hingegen orientiert sich nach rechts – siehe die Kür Michael Ludwigs in Wien, siehe die Kür Hans Peter Doskozils im Burgenland. In den Umfragen kommt die SPÖ nicht vom Fleck. Die ÖVP und ihr Kanzler führen mit deutlichem Vorsprung, während die Sozialdemo­kraten bei jenen 27 Prozent festsitzen, die sie auch schon am Wahlabend hatten.

Parteichef Kern muss jetzt mit Wiens neuem Parteichef Michael Ludwig leben, der ihm kürzlich ausgericht­et hat, dass die Wiener SPÖ einige zentrale Punkte des neuen Parteistat­uts nicht umsetzen wird; und mit Burgenland­s neuem Parteichef Hans Peter Doskozil, der kürzlich öffentlich das geplante neue Parteiprog­ramm kritisiert­e. Bleibt als einzige mögliche Stütze Kärntens Landeshaup­tmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser, der sich loyal verhält. Mehr an SPÖ ist in den Bundesländ­ern nicht vorhanden: Die steirische­n Genossen stecken in einer Führungskr­ise, die oberösterr­eichischen und Salzburger Genossen sind in der Wählerguns­t rettungslo­s abgesackt, in den restlichen Bundesländ­ern ist die SPÖ nur ein Minderheit­enprogramm.

Es wird ganz schön mühsam für Kern (oder wen auch immer) werden, diese Partei zurück in die Regierung zu führen.

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BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER Parteifreu­nde auf dem Weg – wohin? Hans Peter Doskozil, Christian Kern.
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