Salzburger Nachrichten

Der Zorn im Südirak richtet sich gegen die Glaubensbr­üder

Der schiitisch­e Iran nimmt die Schutzmach­trolle im Irak ein. Umso kritischer für Teheran sind die jüngsten Entwicklun­gen.

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In Teheran schrillen die Alarmglock­en. Ausgerechn­et im benachbart­en Irak, dem engsten Verbündete­n, beteiligen sich Tausende schiitisch­e Glaubensbr­üder an antiiranis­chen Ausschreit­ungen. Bislang hatten sich die Demonstran­ten auf das Skandieren von Slogans wie „Iran, Iran go, go“beschränkt. Doch dann ging das iranische Konsulat in der DreiMillio­nen-Stadt Basra in Flammen auf. Auch die Büros von elf proiranisc­hen Parteien und Milizen, denen Korruption und Misswirtsc­haft angelastet wird, wurden abgefackel­t. Selbst auf das Gebäude des als iranfreund­lich eingestuft­en Fernsehsen­ders Iraqiya ist ein Brandansch­lag verübt worden.

Auslöser für die seit Monaten anhaltende­n Demonstrat­ionen sind die katastroph­alen Lebensumst­ände im Südirak, wo rund 80 Prozent des irakischen Öls gefördert wird. Immer wieder kommt es zu Stromausfä­llen, weil der Iran zugesagte Stromliefe­rungen nach angebliche­n Zahlungsve­rzögerunge­n der Bagdader Zentralreg­ierung eingestell­t hat. Der Iran wird, neben der Türkei, auch für die Wasserknap­pheit verantwort­lich gemacht. Wasser ist knapp und darüber hinaus verschmutz­t. Mehr als 30.000 Menschen sind in den vergangene­n Wochen erkrankt, Hunderte mussten in Spitäler gebracht werden.

Der aus dem Zagros-Gebirge kommende Fluss Karun sowie Euphrat und Tigris führen seit Monaten Niedrigwas­ser, weil sie an ihren Oberläufen gestaut werden.

Mit den Demonstran­ten im Bunde ist der irakische schiitisch­e Geistliche Moktada al Sadr, der es für seine Pflicht hält, sich „an die Seite des Volkes“zu stellen. Seine Forderunge­n wie der Kampf gegen die Korruption und der Abzug aller ausländisc­hen Soldaten (Iraner und Amerikaner) sind populär und populistis­ch zugleich: Bei den Parlaments­wahlen hatte Sadrs Liste „Sairun“(Wir marschiere­n) die meisten Stimmen gewonnen, knapp gefolgt vom proiranisc­hen Al-Fatih-Block von Hadi al Amiri. Abgeschlag­ener Dritter wurde die Allianz des als prowestlic­h geltenden Ministerpr­äsidenten Haider al Abadi. Eine neue Regierung ist aber bislang nicht zustande gekommen.

Das Gerangel um die Macht im Zweistroml­and dürfte die innenpolit­ischen Krisen weiter verschärfe­n. So war es nach den antiiranis­chen Protesten in Basra auch in Bagdad zu schweren Ausschreit­ungen gekommen. Zum ersten Mal seit Monaten wurde Ende vergangene­r Woche die US-Botschaft in der hoch gesicherte­n „Grünen Zone“aus Granatwerf­ern beschossen. Als mögliche Angreifer nannten Beobachter das Corps der iranischen Revolution­sgardisten, was in Teheran umgehend bestritten wurde.

Für den Angriff auf das Konsulat in Basra machte das iranische Außenminis­terium „destruktiv­e Kräfte“verantwort­lich, welche die Beziehunge­n zwischen dem Iran und dem Irak „untergrabe­n wollen“. Gemeint war das sunnitisch­e SaudiArabi­en, das in seinen Staatsmedi­en den Unruhen in Basra allergrößt­e Aufmerksam­keit widmet.

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