Österreich gerät bei Migration unter Zeitdruck
Die EU-Innenminister tagen in Wien mit Drittstaaten. Bei Flüchtlingszentren außerhalb der EU wurden sie bislang nicht einig. EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos erteilte der Idee eine Absage – und hat andere Vorschläge.
Zwei Schauplätze, ein Thema: In Wien und Brüssel stand gestern, Donnerstag, die Migrationspolitik im Fokus. Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte im Rahmen der EURatspräsidentschaft zu einer Konferenz unter dem Titel „Migration und Sicherheit“geladen. An dem Treffen sollten seine Amtskollegen aus den EU-Ländern und den Westbalkanstaaten teilnehmen, allerdings ließ sich der Großteil von hochrangigen Beamten vertreten.
Eine Einigung gab es trotzdem. Albanien, Serbien, Mazedonien, Montenegro und Moldau sind dem Prümer Vertrag beigetreten, einer Vereinbarung zum automatischen Datenaustausch, die der Bekämpfung von Terrorismus und internationaler Kriminalität dient.
Beim Thema Migration blieben konkrete Ergebnisse hingegen aus. Die Länder des westlichen Balkans hätten während der Migrationskrise „eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, dass sie verlässliche Partner seien, lobte Kickl. Am Donnerstag diskutierte man über die weitere Zusammenarbeit.
Die heißeste Kartoffel bei dieser Zusammenarbeit, die von der EU gewünschten Aufnahmezentren für Flüchtlinge in Nicht-EU-Ländern, sprach der Innenminister von sich aus gar nicht an. „Wir wollen keine Debatte in der Öffentlichkeit, bevor die Eier gelegt sind“, begründete er die Verschwiegenheit und verwies auf bilaterale Gespräche, die es mit den Drittländern gebe. „Wir tauschen uns über alles aus“, sagte Kickl.
Den Vorschlag von Aufnahmezentren außerhalb der EU hatten Österreich und Dänemark vor einigen Monaten ins Spiel gebracht. Die Regierungen von Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien hatten ihn abgelehnt. Der albanische Innenminister Fatmir Xhafaj wich Journalisten gegenüber am Donnerstag der Frage aus, ob sich daran etwas geändert habe.
Die zweite Region, in der solche Aufnahmezentren angedacht sind, ist Nordafrika. Über die „Ausschiffungsplattformen“für Bootsflüchtlinge, die dort nach dem Willen der EU entstehen sollen, wird heute, Freitag, in Wien diskutiert werden. Am zweiten Tag der Migrationskonferenz werden die Innenminister Ägyptens, Algeriens, Libyens, Ma- lis, Marokkos, des Niger, des Tschad und Tunesiens erwartet. Angekündigt hat sich auch Kickls italienischer Amtskollege Matteo Salvini (Lega).
EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos hat indes die Hoffnungen auf solche Flüchtlingszentren zerschlagen. Bislang zeige sich kein Land bereit dazu, ein solches Zentrum auf seinem Staatsgebiet zu errichten. In Brüssel stellte er fest, dass eine Kooperation mit Drittstaaten zwar möglich sei, aber „die Idee von Camps oder Plattformen unmöglich“scheine. Dementsprechend fand sich in der Migrationsstrategie, die der Kommissar in Brüssel vorstellte, auch kein Vorschlag für die Zentren in Drittstaaten. Will Österreich diese Idee trotzdem während der Ratspräsidentschaft noch vorantreiben, wird die Zeit nun ziemlich knapp. Vorgelegt hat die EU-Kommission eine Woche vor dem EU-Gipfel in Salzburg Vorschläge für eine Verschärfung der europäischen Flücht- lingspolitik. Die neuen beziehungsweise konkretisierten Pläne sehen vor, dass die EU-Grenz- und Küstenwache (Frontex) bis 2020 über 10.000 Einsatzkräfte verfügt. Derzeit sind es kaum 2000. Außerdem sollen die Grenzschützer mit Zustimmung der Staaten, in denen sie eingesetzt sind, Menschen an der Grenze abfangen können und bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber helfen. Zudem soll Frontex mit dem Einverständnis der Länder auch in Drittstaaten eingesetzt werden. Alle Aktivitäten würden unter der Verantwortung der nationalen Behörden erfolgen, betonte der Migrationskommissar dabei mehrfach.
Um Abschiebungen zu beschleunigen, will die EU-Kommission zudem die entsprechenden EU-Regeln ändern. Für Asylbewerber, deren Antrag schon an der Grenze eines Landes – etwa in einem der „kontrollierten Zentren“für aus Seenot gerettete Flüchtlinge – abgelehnt wurde, sollen vereinfachte Verfahren mit kürzeren Einspruchsfristen gelten.
Verschärft werden soll auch die Rückführungsrichtlinie. Die Mindestdauer von Abschiebehaft – die weiter „als letztes Mittel“bei Fluchtgefahr, Behinderung der Rückführung oder Sicherheitsgefahr gilt – soll europaweit auf drei Monate erhöht werden. Die derzeitigen Regeln zur Abschiebehaft sind in den EU-Staaten sehr unterschiedlich. Die angestrebte Änderung solle „den Zeitraum, der für die erfolgreiche Umsetzung von Abschiebungen nötig ist, besser widerspiegeln“, sagt die EU-Kommission.
Abschiebungen ziehen sich vielfach hin, weil Dokumente aus den Heimatländern fehlen, die Nationalität unklar ist oder das Einverständnis des Herkunftslandes für die Rückführung fehlt. Die Kommission will mit den Änderungen verhindern, dass Betroffene bei langen Verfahren untertauchen oder in ein anderes EU-Land weiterreisen, um sich der Abschiebung zu entziehen.
„Wir wollen keine Debatte in der Öffentlichkeit, bevor die Eier gelegt sind.“ Herbert Kickl, Innenminister