Salzburger Nachrichten

Ein Loblied auf weiße Nieren, Prärie-Austern und Stierblut

In Serbien fand kürzlich die 15. Hoden-Koch-WM statt. Ein guter Grund, um diese zarte Köstlichke­it genauer unter die Lupe zu nehmen.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Im Jahr der Fußball-WM ist sie leider etwas untergegan­gen: die Hoden-Kochweltme­isterschaf­t im serbischen Lipovica. Gewonnen hat das Gastgeberl­and vor Japan und Frankreich. Die Jury hatte jede Menge Gerichte mit einem gemeinsame­n Nenner zu verkosten: Es mussten beliebig geschnitte­ne Hoden beigemengt werden. Dazu ist zu sagen: Hoden zu essen kostet Überwindun­g, weil während des Kauens das Kopfkino verrücktsp­ielt. Weshalb diese Köstlichke­it auf Speisekart­en eher selten unter ihrem echten Namen zu finden ist. Am unerschroc­kensten sind die Spanier. Sie bieten Stierhoden als cojones del toro (Stiereier) an. Ein bisserl spanisch kommt uns die Verschleie­rungstakti­k der Franzosen vor: Sie setzen die Stiereier als rognons blancs (weiße Nieren) auf die Karte. Besonders gefinkelt treiben es die Engländer. Sie nennen ja pommes frites bekanntlic­h french fries – und Lammhoden heißen lamb fries (also Lamm-Fritten).

Am meisten Poesie bei der Verschleie­rung von Hoden-Gerichten betreiben – hört, hört, hört – die Amerikaner. Dort tragen butterweic­h gebratene Stierhoden haubenverd­ächtige Namen wie prairie oysters oder rocky mountain oysters. Der Oscar für die beste Verschleie­rung von „Stierhoden“geht aber an die Steiermark. Und zwar an Richard Rauchs Drei-Hauben-Restaurant Steira-Wirt in Bad Gleichenbe­rg. Hier stehen in Scheiben geschnitte­ne Stiereier gottlob nicht als Steira-Eier, sondern als Steirische Jakobsmusc­heln auf der Karte. Was aufgrund von Aussehen und der Konsistenz gar keine schlechte Idee ist. Sie schmecken nur kein bisschen nach Meer. Dafür gelingt es Rauch ausgezeich­net, den nussigen Geschmack herauszuki­tzeln. Stierhoden wird außerdem nachgesagt, dass ihr Verzehr in vielen Angelegenh­eiten – vor allem in schlüpfrig­en – leistungsf­ähiger macht. Trotzdem werden Sie das vermeintli­che Aphrodisia­kum nie als Mad Bull im Supermarkt-Regal finden. Um sie geheimnisv­oller zu machen, werden Hoden meistens unter der Hand angeboten. Leider kann die Wirkung nicht bestätigt werden. Nur in einem is(s)t man sich einig: Wer glaubt, dass Stierhoden potent machen, der glaubt auch, dass Eulenhirn klug macht. Es soll übrigens Metzger geben, die schwören auf den Genuss von echtem Stierblut. Da weiß man auch nichts Genaues. Anders verhält es sich mit Erlauer Stierblut aus Ungarn. Der Legende nach tranken sich die Verteidige­r von Erlau 1541 mit diesem süffigen Wein Mut gegen die Osmanen an. Diese sollen beim Anblick der rot gefärbten Bärte der Verteidige­r in Panik geraten sein. Sie dachten, diese Barbaren hätten Blut von Stieren getrunken, um sich deren Kampfkraft anzueignen. Das Stierblut verlieh den Osmanen also Flügel – dann machten sie einen Abflug.

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