Ein Loblied auf weiße Nieren, Prärie-Austern und Stierblut
In Serbien fand kürzlich die 15. Hoden-Koch-WM statt. Ein guter Grund, um diese zarte Köstlichkeit genauer unter die Lupe zu nehmen.
Im Jahr der Fußball-WM ist sie leider etwas untergegangen: die Hoden-Kochweltmeisterschaft im serbischen Lipovica. Gewonnen hat das Gastgeberland vor Japan und Frankreich. Die Jury hatte jede Menge Gerichte mit einem gemeinsamen Nenner zu verkosten: Es mussten beliebig geschnittene Hoden beigemengt werden. Dazu ist zu sagen: Hoden zu essen kostet Überwindung, weil während des Kauens das Kopfkino verrücktspielt. Weshalb diese Köstlichkeit auf Speisekarten eher selten unter ihrem echten Namen zu finden ist. Am unerschrockensten sind die Spanier. Sie bieten Stierhoden als cojones del toro (Stiereier) an. Ein bisserl spanisch kommt uns die Verschleierungstaktik der Franzosen vor: Sie setzen die Stiereier als rognons blancs (weiße Nieren) auf die Karte. Besonders gefinkelt treiben es die Engländer. Sie nennen ja pommes frites bekanntlich french fries – und Lammhoden heißen lamb fries (also Lamm-Fritten).
Am meisten Poesie bei der Verschleierung von Hoden-Gerichten betreiben – hört, hört, hört – die Amerikaner. Dort tragen butterweich gebratene Stierhoden haubenverdächtige Namen wie prairie oysters oder rocky mountain oysters. Der Oscar für die beste Verschleierung von „Stierhoden“geht aber an die Steiermark. Und zwar an Richard Rauchs Drei-Hauben-Restaurant Steira-Wirt in Bad Gleichenberg. Hier stehen in Scheiben geschnittene Stiereier gottlob nicht als Steira-Eier, sondern als Steirische Jakobsmuscheln auf der Karte. Was aufgrund von Aussehen und der Konsistenz gar keine schlechte Idee ist. Sie schmecken nur kein bisschen nach Meer. Dafür gelingt es Rauch ausgezeichnet, den nussigen Geschmack herauszukitzeln. Stierhoden wird außerdem nachgesagt, dass ihr Verzehr in vielen Angelegenheiten – vor allem in schlüpfrigen – leistungsfähiger macht. Trotzdem werden Sie das vermeintliche Aphrodisiakum nie als Mad Bull im Supermarkt-Regal finden. Um sie geheimnisvoller zu machen, werden Hoden meistens unter der Hand angeboten. Leider kann die Wirkung nicht bestätigt werden. Nur in einem is(s)t man sich einig: Wer glaubt, dass Stierhoden potent machen, der glaubt auch, dass Eulenhirn klug macht. Es soll übrigens Metzger geben, die schwören auf den Genuss von echtem Stierblut. Da weiß man auch nichts Genaues. Anders verhält es sich mit Erlauer Stierblut aus Ungarn. Der Legende nach tranken sich die Verteidiger von Erlau 1541 mit diesem süffigen Wein Mut gegen die Osmanen an. Diese sollen beim Anblick der rot gefärbten Bärte der Verteidiger in Panik geraten sein. Sie dachten, diese Barbaren hätten Blut von Stieren getrunken, um sich deren Kampfkraft anzueignen. Das Stierblut verlieh den Osmanen also Flügel – dann machten sie einen Abflug.