Europas Uhren
Zum englischen Sonntagsgottesdienst sollte man pünktlich sein. Bis zwei Minuten vor Beginn, beispielsweise in Christ Church in Oxford, wird man sogar begrüßt und zu einem Platz hingeführt. Wer aber fünf Minuten oder mehr zu spät kommt, kann strenge Blicke ernten.
Huch! Noch geschafft! „Eleven sharp“, wie die Engländer sagen. Doch warum grüßt noch immer eine lächelnde, weißhaarige Dame? Zwei nach elf: Stille in der Kathedrale von Oxford. Die morgens mithilfe von GPS kalibrierte Armbanduhr zeigt 11.04, als der Chor einzieht. Was ist passiert? Auf einem Beiblatt zu den Messtexten wird es erklärt: „Cathedral Services begin five minutes later than GMT/BST because the Cathedral keeps the old ,Oxford Time‘ (five minutes west of Greenwich).“
Was für ein herrliches Europa! Auf der Suche nach einer gemeinsamen Zeit und in den Debatten über Sommer- oder Winterzeit bleibt Platz für solch schrullige, charmante, kluge Hinweise, dass die Zeit, die eine europäische Uhr heute anzeigt, nur politisch richtig, physikalisch aber fast überall falsch ist, weil erst mit dem Bau der Eisenbahnen die Fahrpläne einheitliche Zeitangaben erforderten. Heute verbinden uns Europäer auch noch Flugzeug, Telefon und allerlei digitale Botschaften, sodass klar ist: Egal ob Sommer oder Winter, wie angenehm ist eine gemeinsame europäische Zeit!