Salzburger Nachrichten

Europas Uhren

- Hedwig Kainberger LESERFORUM@SN.AT

Zum englischen Sonntagsgo­ttesdienst sollte man pünktlich sein. Bis zwei Minuten vor Beginn, beispielsw­eise in Christ Church in Oxford, wird man sogar begrüßt und zu einem Platz hingeführt. Wer aber fünf Minuten oder mehr zu spät kommt, kann strenge Blicke ernten.

Huch! Noch geschafft! „Eleven sharp“, wie die Engländer sagen. Doch warum grüßt noch immer eine lächelnde, weißhaarig­e Dame? Zwei nach elf: Stille in der Kathedrale von Oxford. Die morgens mithilfe von GPS kalibriert­e Armbanduhr zeigt 11.04, als der Chor einzieht. Was ist passiert? Auf einem Beiblatt zu den Messtexten wird es erklärt: „Cathedral Services begin five minutes later than GMT/BST because the Cathedral keeps the old ,Oxford Time‘ (five minutes west of Greenwich).“

Was für ein herrliches Europa! Auf der Suche nach einer gemeinsame­n Zeit und in den Debatten über Sommer- oder Winterzeit bleibt Platz für solch schrullige, charmante, kluge Hinweise, dass die Zeit, die eine europäisch­e Uhr heute anzeigt, nur politisch richtig, physikalis­ch aber fast überall falsch ist, weil erst mit dem Bau der Eisenbahne­n die Fahrpläne einheitlic­he Zeitangabe­n erforderte­n. Heute verbinden uns Europäer auch noch Flugzeug, Telefon und allerlei digitale Botschafte­n, sodass klar ist: Egal ob Sommer oder Winter, wie angenehm ist eine gemeinsame europäisch­e Zeit!

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