Migration zum Dinner, Brexit zum Lunch
Beim Gipfel in Salzburg sollte es um „innere Sicherheit“in der EU gehen. Doch um zwei Streitpunkte kommen die EU-Chefs derzeit nicht herum.
BRÜSSEL. Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs dürfen sich am Mittwochabend in der Salzburger Felsenreitschule auf ein längeres Abendessen einstellen. Auf dem Programm steht – entsprechend der Regel, dass Heikles beim Essen besprochen wird – das derzeit strittigste Thema in der EU: die Frage, wie mit Flüchtlingen und Migranten umgegangen werden soll. Formelle Entscheidungen können ohnehin nur bei den regulären Gipfeln in Brüssel gefasst werden. EU-Vertreter hoffen beim informellen Treffen in Salzburg aber auf eine Weichenstellung im Patt um die Verteilung von Flüchtlingen sowie auf Unterstützung für die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zum Grenzschutz und zu strengeren Asylverfahren. Für Kritiker der bisherigen EU-Migrationspolitik wie Bundeskanzler Sebastian Kurz wäre das eine gute Gelegenheit, die Amtskollegen zu überzeugen, die Pläne schnell voranzubringen und nicht wieder zu verwässern, sagte ein EU-Diplomat.
Kurz hat in den vergangene Tagen mehrere Hauptstädte besucht und Amtskollegen in Wien empfangen. Am Sonntag ist er zur Gipfelvorbereitung bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin, am Montag wird er von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris empfangen.
Nach der voraussichtlich hitzigen Debatte über Migration wird die britische Premierministerin Theresa May – fast schon rituell – ihre Sicht auf die Brexit-Verhandlungen darstellen. Auf der Tagesordnung steht der Austritt Großbritanniens dann wieder beim Mittagessen am nächsten Tag, wenn May bereits abgereist ist. Dafür wird EU-Chefverhandler Michel Barnier dabei sein.
Mittlerweile gilt es als eher unwahrscheinlich, dass in den BrexitVerhandlungen eine Einigung bis zum nächsten regulären Gipfel Mitte Oktober gelingt. Die britische Zeitung „Guardian“spekulierte zu Wochenbeginn, dass in Salzburg bereits ein Datum für einen Sondergipfel zum Brexit Mitte November angekündigt werden könnte.
Kurz hat dieser Tage in einem Interview erklärt, „eine ordentliche Vorbereitung des Brexit“sei die wichtigste Herausforderung während des österreichischen Ratsvorsitzes. Die Zeit ist knapp. Damit der Brexit-Vertrag bis zum Austrittsdatum am 29. März 2019 in Kraft tre- ten kann, muss er vorher vom britischen und dem Europäischen Parlament ratifiziert werden. Sonst droht ein ungeordneter Bruch.
Eigentlich sollte sich der informelle Gipfel in Salzburg mit der „inneren Sicherheit“und dem Grenzschutz beschäftigen. So hatte es EURatspräsident Donald Tusk in seinem Arbeitsplan vor einem Jahr angekündigt. Diese Themen werden nun in der etwa dreistündigen Arbeitssitzung am Donnerstagvormittag behandelt.
Die EU-Kommission hatte diese Woche neue Vorschläge zum Thema „innere Sicherheit“vorgelegt. Unter anderem sehen die Pläne vor, dass terroristische Propaganda im Internet binnen einer Stunde vom Netz genommen werden muss.