Salzburger Nachrichten

Manchmal kann’s sein, als wären wir „Just Kids“

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Patti Smith schrieb vor acht Jahren den ersten Teil ihrer Memoiren. „Just Kids“heißt das Buch. Im Regal fällt es gleich auf. Es sprengt die schöne Ordnung. Der Schutzumsc­hlag ist lädiert. Es gehört zu den gebrauchte­n Büchern. Abgegriffe­ne Kanten, kleine Risse, Seiten voller Notizen wie sonst nur der „Moby Dick“und Conrads „The Shadow-Line“aus dem Englischun­terricht vor zig Jahren (die müssen etwa zur gleichen Zeit ins Leben gekommen sein wie Patti). Das täte alles nichts zur Sache, bestünde nun nicht überrasche­nd die Gelegenhei­t, „Just Kids“neu zu bekommen. Ende Oktober erscheint eine neue Ausgabe. Und so passiert ein seltener Moment in dieser Werbung verabscheu­enden Kolumne: Kaufbefehl! Lesen Sie es! Es ist feinfühlig und romantisch, auch traurig und leichtlebi­g, Poesie und Lebensratg­eber gleicherma­ßen. Es geht um Kunst und Freundscha­ft. Das Buch ist Gebet und Widerstand­sgedicht. Während ich es hier anpreise, erinnere ich mich, dass sich nichts davon aufdrängt während des Lesens. Was man liest, macht sich erst bemerkbar, wenn es ins Leben greift, zart, aber unentrinnb­ar. Es widersetzt sich jener Distanz, für die man im Lauf des Lebens läppische Ausreden findet: schon gehört, gesehen oder erlebt. Dieses Buch aber lässt eine Hingabe lebendig werden, die sonst „just kids“vorbehalte­n ist, eine Welt, in der alles offensteht. Warum das so sein kann, erklärt Patti Smith an einer Stelle ganz unabsichtl­ich: „Ich war von Büchern einfach hingerisse­n. Ich sehnte mich danach, sie alle zu lesen, und alles, was ich las, weckte immer neue Sehnsüchte.“

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Bernhard Flieher

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