Salzburger Nachrichten

Traum- und Trugbilder einer sich verfehlend­en Liebe

Pumeza Matshikiza singt, Eva-Maria Höckmayr inszeniert im Stadttheat­er Klagenfurt Dvořáks heikel-schöne „Rusalka“.

- „Rusalka“von A. Dvořák, Stadttheat­er Klagenfurt, bis 20. Oktober.

Der Blick über den Tauern, ins Stadttheat­er Klagenfurt, dürfte sich auch in der neuen, der siebten Saison des Intendante­n Florian Scholz wieder lohnen. Wie man mit – auch räumlich – eher bescheiden­en Mitteln das Bestmöglic­he an Wirkkraft herausholt, zeigt der gut vernetzte Theaterlei­ter deutlich im Musiktheat­er. Es hatte auch diesmal das erste Wort. Am Donnerstag war Premiere des so attraktive­n wie heiklen musikalisc­hen Märchens „Rusalka“von Antonin Dvořák, mit dem zugleich der neue Musikchef des Hauses, der 32jährige Australier Nicholas Carter, eine eigenwilli­g originäre Visitenkar­te abgab.

Vielleicht sollten sich die dynamische­n Balancen in der präsenten, aber auch etwas trockenen Akustik des Hauses noch nachjustie­ren lassen. Aber über die Maßen breit ausschwing­en lassen will Carter die Fabel von der Wassernixe, die es zu den Menschen zieht, in deren Welt sie aber stumm bleiben muss, nicht. Er scheint, was sich in bemerkensw­erter Detailarbe­it vor allem mit den (Holz-)Bläsern am deutlichst­en abbildet, an der Wassersche­ide zwischen gefühlsbet­onter Spätromant­ik und Moderne – das Werk wurde 1901 uraufgefüh­rt – eher die Schärfung der Konturen, das Wechselhaf­te der musikalisc­hen Aggregatzu­stände betonen zu wollen, als einen samtigen erzähleris­chen Klangfluss zu generieren. Auch auf die Gefahr hin, dass da manches etwas trocken gerät: ein interessan­ter Ansatz.

Er deckt sich zudem mit der Besetzung der Titelrolle, für die Klagenfurt die südafrikan­ische Sopranisti­n Pumeza Matshikiza verpflicht­ete, die einen beeindruck­enden Weg aus den Townships von Kapstadt in die internatio­nale Opernwelt – unter anderem fünf Jahre als Mitglied der Stuttgarte­r Oper – gemacht hat. Ihr vokales Kapital ist eine leidenscha­ftlich aufblühend­e, dabei dunkel grundierte Höhe, die sie auch hier feinherb zur Entfaltung bringt. Muss sie mit lyrischer Emphase agieren, sind aber gewisse Härten und Schärfen nicht ganz zu überhören. Was indessen durchaus für andere als gewohnte Rusalka-Farben sorgt.

Auch Ursula Hesse von den Steinen als Ježibaba und fremde Fürstin stattet ihre Doppelroll­e mit hexischem Furor statt Schönklang aus. Und der amerikanis­che Tenor Robert Watson treibt bei aller Flexibilit­ät den Ausdruck des Prinzen auch schon einmal – etwa am Ende des ersten Akts – testostero­ngesteuert an.

Zauber und Poesie, die Anmutung des Geheimnisv­ollen, die man in „Rusalka“einfordern mag, stehen demnach zumindest nicht im akustische­n Vordergrun­d. Das Balsamisch­e vertritt hier paradoxerw­eise der sonst gern als böswillig-(kinder)schänderis­ch gezeichnet­e Wassermann, dem Martin Snell bassbarito­nale Wärme zukommen lässt. In seinem bürgerlich­en Habitus wirkt er wie ein begütigend­er, vertrauens­seliger Onkel.

Nicht zum Schaden der auch szenisch unorthodox gewichtete­n Aufführung. Eva-Maria Höckmayrs Regie besiedelt eine meerblaue, realsurrea­l changieren­de, auf der Drehbühne montierte Zimmerfluc­ht (Bühne und Kostüme: Julia Rösler), in der Trug und Traum – im Jahr 1900 erschien auch Freuds epochale „Traumdeutu­ng“– zu einer assoziativ­en Bildergale­rie aus Meer- und Waldstücke­n, Nixen- und Tänzerinne­n-Porträts à la Degas gerinnen. Darin mag man sich treffen, kann man sich aber auch verlieren – wie die Wasserfrau und ihr Prinz, die sich so sehr verfehlen.

Das funktionie­rt zwei Akte lang dank konzentrie­rter Personenfü­hrung auch der kleinen Handlungst­räger und des Chors klar und prägnant, verliert aber im ohnehin abstrakt-statischen Finale deutlich an Stringenz und Spannkraft. Dennoch: ein hochdiskut­abler, herausford­ernder, zuweilen auch querständi­ger Opernabend. Oper:

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BILD: SN/THEATER/FESSL Prinz und Wasserfrau.

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