Traum- und Trugbilder einer sich verfehlenden Liebe
Pumeza Matshikiza singt, Eva-Maria Höckmayr inszeniert im Stadttheater Klagenfurt Dvořáks heikel-schöne „Rusalka“.
Der Blick über den Tauern, ins Stadttheater Klagenfurt, dürfte sich auch in der neuen, der siebten Saison des Intendanten Florian Scholz wieder lohnen. Wie man mit – auch räumlich – eher bescheidenen Mitteln das Bestmögliche an Wirkkraft herausholt, zeigt der gut vernetzte Theaterleiter deutlich im Musiktheater. Es hatte auch diesmal das erste Wort. Am Donnerstag war Premiere des so attraktiven wie heiklen musikalischen Märchens „Rusalka“von Antonin Dvořák, mit dem zugleich der neue Musikchef des Hauses, der 32jährige Australier Nicholas Carter, eine eigenwillig originäre Visitenkarte abgab.
Vielleicht sollten sich die dynamischen Balancen in der präsenten, aber auch etwas trockenen Akustik des Hauses noch nachjustieren lassen. Aber über die Maßen breit ausschwingen lassen will Carter die Fabel von der Wassernixe, die es zu den Menschen zieht, in deren Welt sie aber stumm bleiben muss, nicht. Er scheint, was sich in bemerkenswerter Detailarbeit vor allem mit den (Holz-)Bläsern am deutlichsten abbildet, an der Wasserscheide zwischen gefühlsbetonter Spätromantik und Moderne – das Werk wurde 1901 uraufgeführt – eher die Schärfung der Konturen, das Wechselhafte der musikalischen Aggregatzustände betonen zu wollen, als einen samtigen erzählerischen Klangfluss zu generieren. Auch auf die Gefahr hin, dass da manches etwas trocken gerät: ein interessanter Ansatz.
Er deckt sich zudem mit der Besetzung der Titelrolle, für die Klagenfurt die südafrikanische Sopranistin Pumeza Matshikiza verpflichtete, die einen beeindruckenden Weg aus den Townships von Kapstadt in die internationale Opernwelt – unter anderem fünf Jahre als Mitglied der Stuttgarter Oper – gemacht hat. Ihr vokales Kapital ist eine leidenschaftlich aufblühende, dabei dunkel grundierte Höhe, die sie auch hier feinherb zur Entfaltung bringt. Muss sie mit lyrischer Emphase agieren, sind aber gewisse Härten und Schärfen nicht ganz zu überhören. Was indessen durchaus für andere als gewohnte Rusalka-Farben sorgt.
Auch Ursula Hesse von den Steinen als Ježibaba und fremde Fürstin stattet ihre Doppelrolle mit hexischem Furor statt Schönklang aus. Und der amerikanische Tenor Robert Watson treibt bei aller Flexibilität den Ausdruck des Prinzen auch schon einmal – etwa am Ende des ersten Akts – testosterongesteuert an.
Zauber und Poesie, die Anmutung des Geheimnisvollen, die man in „Rusalka“einfordern mag, stehen demnach zumindest nicht im akustischen Vordergrund. Das Balsamische vertritt hier paradoxerweise der sonst gern als böswillig-(kinder)schänderisch gezeichnete Wassermann, dem Martin Snell bassbaritonale Wärme zukommen lässt. In seinem bürgerlichen Habitus wirkt er wie ein begütigender, vertrauensseliger Onkel.
Nicht zum Schaden der auch szenisch unorthodox gewichteten Aufführung. Eva-Maria Höckmayrs Regie besiedelt eine meerblaue, realsurreal changierende, auf der Drehbühne montierte Zimmerflucht (Bühne und Kostüme: Julia Rösler), in der Trug und Traum – im Jahr 1900 erschien auch Freuds epochale „Traumdeutung“– zu einer assoziativen Bildergalerie aus Meer- und Waldstücken, Nixen- und Tänzerinnen-Porträts à la Degas gerinnen. Darin mag man sich treffen, kann man sich aber auch verlieren – wie die Wasserfrau und ihr Prinz, die sich so sehr verfehlen.
Das funktioniert zwei Akte lang dank konzentrierter Personenführung auch der kleinen Handlungsträger und des Chors klar und prägnant, verliert aber im ohnehin abstrakt-statischen Finale deutlich an Stringenz und Spannkraft. Dennoch: ein hochdiskutabler, herausfordernder, zuweilen auch querständiger Opernabend. Oper: