„Die Vernunft lässt wieder nach“
Wüstenrot-Chefin Susanne Riess sieht Entwicklungen der Branche kritisch.
Eine Textnachricht ihres Risikomanagers erreichte Wüstenrot-Chefin Susanne Riess noch in der Nacht des 15. September 2008. „Im ersten Moment war klar: Das ist ein epochales Ereignis. Aber kein Mensch konnte sagen, was es für konkrete Auswirkungen haben wird. In den Wochen davor gab es große Unruhe auf den Märkten. Aber eine Insolvenz von Lehman hielt keiner für möglich“, erinnert sich Riess. Wüstenrot hatte in Lehman investiert. „Wie fast alle anderen Finanzinstitute auch. Wir wussten also, dass die Auswirkungen gravierend sein werden, aber den vollen Umfang konnten wir nicht erahnen.“Klar sei nicht gewesen, welche Unternehmen in der Folge ins Strudeln geraten würden. Durch die starke Vernetzung der Finanzwirtschaft und die komplexen Produkte wurden die Auswirkungen erst nach und nach sichtbar. „Auch die biedere Sparkasse Washington Mutual, in die wir investiert haben, ist ausgefallen. Das waren Kettenreaktionen, die nicht vorhersehbar waren.“ Monatelang war für die ehemalige Vizekanzlerin Krisenmanagement an der Tagesordnung. Der Konzern rutschte tief in die roten Zahlen. Die Kreditinstitutsgruppe schrieb 2008 ein negatives Ergebnis (EGT) in Höhe von über 211 Mill. Euro. Wüstenrot musste Totalausfälle – Investments bei Lehman Brothers, Washington Mutual und in Island – in Höhe von 73 Mill. Euro hinnehmen. „Für das Geschäftsmodell von Wüstenrot, so makaber das klingt, war die Lehman-Pleite langfristig gesehen aber ein Vorteil. Die Menschen sind auf konservative Finanzprodukte umgestiegen“, resümiert Riess heute. Dass die Branche aus der LehmanPleite gelernt habe, glaubt sie nicht. „Der Schock ist verdaut, die Vernunft lässt wieder nach. Viele Kollegen sind zwar anderer Meinung, aber ich bin mir sicher: Bitcoin und Co. wird das nächste Drama. Aber alle machen noch gute Geschäfte mit Kryptowährungen, das ist urcool. Wer nicht dabei ist, gilt als rückständig.“