Schürze an oder ab?
Asylbewerber raus, Köche aus Drittstaaten rein – und was wird aus dem Saisonnier-Kontingent? Die Arbeitsmarktpolitik der türkis-blauen Regierung verursacht in der Tourismusbranche heiß-kalte Gefühle.
SALZBURG. „Licht am Ende des Tunnels.“„Rasche Lösung nötig.“„Tourismus begrüßt Joboffensive.“„Ein Tropfen auf den heißen Stein.“So und so ähnlich reagierte die Tourismusbranche auf die jüngsten arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen der türkis-blauen Regierung – einmal heiß, einmal kalt.
Wobei das Auf und Ab mit einer Hiobsbotschaft für die Branche begann: dem Ende der Lehre für junge Asylbewerber – gekrönt mit dem Entschluss, dass diejenigen, die sich noch in Ausbildung befinden, auch weiterhin abgeschoben werden können. Damit droht die Vergrößerung einer ohnehin schon großen Personallücke. 9200 offene Stellen hatte die Branche im August gemeldet. Und von den rund 1000 Asylbewerbern, die aktuell eine Lehre absolvieren (Stand Ende Juli), werden mehr als die Hälfte in der Hotellerie und Gastronomie ausgebildet. Allein 327 angehende Köche konnte man so rekrutieren. Und selbst solche, die Anfang September noch ihre Lehre beginnen konnten, würden fehlen, heißt es bei der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Denn frühestens in einem Jahr könnten die frei gewordenen Lehrstellen nachbesetzt werden.
Für gute Stimmung sorgen soll nun eine Joboffensive der Regierung. Versprochen wird dabei so einiges: 100.000 Jobsuchende in Österreich sollen in die Arbeit gebracht werden, mit besonderem Augenmerk auf die Beschäftigung von rund 10.000 arbeitslosen Asylberechtigten unter 25. Dazu wird die Modernisierung der Rot-WeißRot-Karte für die Rekrutierung von Fachkräften aus Drittstaaten in Aussicht gestellt – inklusive eines eigenen Aufenthaltstitels für Lehrlinge. Und als besonderes Zuckerl für den Tourismus kündigte man die Regionalisierung der Mangelberufsliste an – eine langjährige Forderung der Branche. Damit erhalten die Tourismusregionen in Westösterreich, wo besonders viele Köche fehlen, die Möglichkeit, auch außerhalb der EU Fachkräfte zu rekrutieren. Offen ist allerdings, ab wann das so sein wird.
Aus dem Sozialministerium heißt es, man bemühe sich, „das bis zur Wintersaison hinzubekommen“, könne es aber „nicht zu 100 Prozent sagen“. Aus dem Wirtschaftsministerium verlautete, die Novelle werde mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten. Das wäre ein Albtraum für die Branche, denn die Wintersaison – mit rund 200.000 Beschäftigten in den stärksten Monaten – startet mit Anfang Dezember.
Für Branchensprecherin Petra Nocker-Schwarzenbacher jedenfalls steht fest: „Bis November müssen wir die Regionalisierung haben, das ist unabdingbar. Das muss vor dem Winter passieren.“Der Bedarf an Köchen und Kellnern sei riesig. Während der Saison Personal zu rekrutieren sei kaum mehr möglich. Kontakte müssten jetzt aktiviert werden, um zeitgerecht Köche aus Drittstaaten wie Serbien, der Ukraine oder Bosnien zu erreichen.
Wobei die Tourismussprecherin auch eine weitere Unbekannte antreibt: das jährlich neu zu verhandelnde Saisonnier-Kontingent. Über dieses wird seit Jahren die Beschäftigung von Personal aus NichtEU-Ländern geregelt. Von noch rund 8000 Stellen in der Wintersaison 2008/2009 sanken die Genehmigungen zuletzt – auch infolge der EU-Osterweiterung – auf zuletzt rund 1000 Stellen. „Da kann man sicher nichts mehr streichen“, betont Nocker-Schwarzenbacher. Zudem wisse man auch noch nicht, wann die Regionalisierung der Mangelberufsliste in Kraft trete. Diese, so fürchtet man, könnte das Saisonnier-Kontingent aushebeln.
ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer sagt, sie hoffe auf „rasche und zielführende Gespräche“. Gelinge das nicht, „gibt es garantiert mehr Stress, verärgerte Gäste und weniger Arbeitsplätze“. Reitterer bietet aber auch Unterstützung bei der Joboffensive an. Von den 100.000 Arbeitslosen, die in Beschäftigung gebracht werden sollen, wolle man „sofort 10.000 nehmen“.
Und wie sieht die Wirklichkeit aus? Für den Hoteldirektor vom Gut Brandlhof in Saalfelden, Thomas Baliamis, ist jedenfalls jeder Mitarbeiter Goldes wert – egal, woher er kommt. Die 130 Mitarbeiter stammen aus 19 Nationen, darunter sind drei Asylbewerber aus Afghanistan in der Küche. Er sei „froh und stolz darauf“, betont Baliamis, selbst gebürtiger Grieche. Während eines Urlaubs auf Kreta hat er zuletzt drei Mitarbeiter für die Wintersaison angeworben. „Die bekommen beim Stempeln in Griechenland 400 Euro Arbeitslosengeld, da ist es doch besser, in Österreich zu arbeiten“, sagt der Hoteldirektor. Die Griechen seien durch die Krise mobiler geworden. Er würde aber auch „jederzeit einen Koch aus Serbien und der Ukraine nehmen“. Fachkräfte zu bekommen, das sei „ein permanenter Kampf geworden“. Aber man könne nicht nur meckern, „man muss auch etwas tun“.
So wie in Großarl die Wirtevereinigung, die seit fünf Jahren eine Lehrlingsakademie führt. Die elf Mitgliedsbetriebe zahlen ihren Lehrlingen nicht nur freiwillig deutlich höhere Lehrlingsentschädigungen als üblich, es werden auch vegane Kochkurse und Barista-Schulungen angeboten, Social-Media-Kurse besucht, und es wird gemeinsam zu Schneeschuhwanderungen aufgebrochen. „Warten, bis sich jemand bewirbt, geht nicht mehr“, sagt Markus Andexer vom Großarlerhof. Überzeugungsarbeit koste Zeit, „aber die muss man investieren“. Und schön langsam, sagt er, habe er das Gefühl, „der Gastronomieberuf ist wieder im Kommen“.
„Das muss vor dem Winter passieren.“Petra NockerSchwarzenbacher