Eine teure Überraschung beim Krankenstand
Verdoppelte Entgeltfortzahlung für Lehrlinge trifft kleine Betriebe stark und zeigt Gesetzespfusch.
Der Salzburger Gastronom Peter Preslmayr, der seit sechs Jahren mit seiner Lebensgefährtin Cornelia Stöllinger als Pächter den traditionsreichen Kuglhof in Salzburg-Maxglan führt, hat eine positive Lebenseinstellung. Er bringt seinen 15 Mitarbeitern hohe Wertschätzung entgegen, auch einen afghanischen Asylbewerber hat er als Lehrling. Wenn der 47Jährige einmal richtig sauer wird, muss schon was dahinterstecken.
Im Fall eines (anderen) Kochlehrlings, der sich bei einem Mopedunfall in der Freizeit verletzte, fiel der Kuglhof-Wirt aus allen Wolken: „Unsere Steuerberaterin hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Entgeltfortzahlung für Lehrlinge im Krankheitsfall seit Juli verdoppelt wurde“, erzählt Preslmayr. Musste der Lehrbetrieb früher vier Wochen das Lehrlingsentgelt voll zahlen und dann zwei Wochen zum Teil (konkret die Differenz zwischen dem Nettobezug und dem von der Krankenkasse bewilligten Krankengeld), sind es nun acht Wochen voll und vier Wochen Teilentgelt. Die Unfallversicherung AUVA gewährt dazu vorerst weiter 50 Prozent Zuschuss, an der doppelten Laufzeit ändert das natürlich nichts.
Das Problem sei weniger die zusätzliche Belastung beim Lehrlingsentgelt, sondern das seien die Kosten für eine Ersatzarbeitskraft, betont Preslmayr. Es sei eh schon schwierig genug, in der Gastronomie gute Kräfte zu finden. Wenn er zwei Mal in der Woche einen Koch auf Leasingbasis beschäftige, koste ihn das brutto fast 3000 Euro im Monat, rechnet der Kuglhof-Wirt vor. Preslmayr: „In Summe muss ich um 33 Prozent mehr Entgeltfortzahlung leisten, das geht wieder zulasten der Selbstständigen.“
Der Lehrling, der sich im Juni verletzte, muss wegen einer Knieverletzung nun monatelang auf einen Operationstermin warten und kann wohl erst nächstes Jahr wieder als Koch im Stehen arbeiten. Mit Anfang September begann für den krankgeschriebenen Burschen nun rein rechtlich das zweite Lehrjahr – und damit begann sich das Rad erneut zu drehen. Die Entgeltfortzahlung ist wieder fällig – acht Wochen lang voll und vier Wochen zum Teil.
Die anfängliche Vermutung, das könnte schon mit dem Sparkurs, den die Regierung der AUVA diktiert hat, zu tun haben, bestätigte sich nicht. Denn dafür gibt es noch keinen Gesetzesentwurf – und noch weiß niemand, wer die Zuschüsse für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter (sie kosten im Jahr rund 110 Millionen Euro) zahlen wird, wenn es die AUVA nicht mehr darf.
SN-Recherchen bei den Sozialversicherungen sowie Arbeiterund Wirtschaftskammer ergaben das Bild eines parlamentarischen Schnellschusses, der kurz vor der Nationalratswahl 2017 noch durchgezogen wurde. FPÖ und Grüne beschlossen ein von der SPÖ eingebrachtes Sozialrechtspaket mit. Die Auswirkungen zeigen sich jetzt allmählich. Die Entgeltfortzahlung bei den Lehrlingen ist nur ein Teil, für Betriebe bis zehn Mitarbeiter wurden die AUVA-Zuschüsse sogar von 50 auf 75 Prozent erhöht.
Bei der Entgeltfortzahlung wurden Arbeiter und Angestellte seit Juli weitgehend gleichgestellt. Das bedeutet etwa, dass künftig höhere Ansprüche nicht erst nach fünf Jahren Firmenzugehörigkeit bestehen, sondern schon ab dem zweiten Jahr. Die Angleichung der Kündigungsfristen bei Arbeitern und Angestellten gelte erst ab 2020, sagte Heimo Typplt, Leiter der Rechtsabteilung der AK Salzburg. Lorenz Huber, Sozialrechtsexperte der Wirtschaftskammer Salzburg, betonte, das Sozialrechtspaket sei ohne Begutachtungsverfahren beschlossen worden, und es seien einige Änderungen zulasten der Wirtschaft dabei: „Die Änderung bei den Lehrlingen bedeutet im Einzelfall eine massive Verteuerung für den Betrieb.“Auch Typplt räumt ein, man müsse vollstes Verständnis haben, wenn sich kleine Unternehmer beschwerten.