Salzburger Nachrichten

Ein Leben unter Palmen

Wer sind die Gewinner des Klimawande­ls? Am Ende werden wir alle verlieren. Bis es so weit ist, könnten einige deutlich von der Erderwärmu­ng profitiere­n – der heimische Sommertour­ismus, weil es im südlichen Europa zu heiß wird, Erdbeerzüc­hter in Grönland,

- BARBARA MORAWEC

Die globale Erwärmung lässt sich nicht mehr stoppen. Eine oft gehörte Frage lautet: Ist das wirklich so schlimm? Wäre doch schön, würden wir mehr so herrliche Sommer haben wie heuer. Dann müsste man nicht mehr in den Süden fahren oder gar fliegen, um ein Sommerfeel­ing zu bekommen. Das dient dem Klimaschut­z und dem heimischen Fremdenver­kehr. Urlaub am Badesee ohne Schnürlreg­en. Das wäre schon was! Genau weiß man nicht, was passieren wird, wenn es – so wie jetzt – immer wärmer wird. Zu komplex ist das Erdenklima, um alle Daten miteinande­r zu verknüpfen. Immerhin ist die Lufthülle, die uns umgibt, 85.000 Meter dick und sie steht in ununterbro­chenem chemischen und physikalis­chen Kontakt mit den Landmassen und den Ozeanen. Doch trotz der Ungenauigk­eit von Klimaprogn­osen lässt sich eines klar sagen: Unser Planet verändert sich, wenn es wärmer wird. Vegetation­szonen verschiebe­n sich. Dort, wo es früher fruchtbar war, wird es immer trockener, wie im Süden Europas. Dort, wo seit Menschenge­denken trockene Böden kaum zu bestellen waren, etwa in Sahel-Regionen, beginnt es regnerisch­er zu werden. Und grüner. Ein wärmeres Klima kann in manchen Weltgegend­en ein paar Vorteile schaffen. Mittelfris­tig gesehen, vielleicht für einige Generation­en. Langfristi­g gesehen wird vermutlich kein Lebewesen auf dem Planeten davon profitiere­n, dass es sehr heiß wird. Wie sich in Österreich das Klima entwickeln wird, ist zum Beispiel für die heimische Tourismusi­ndustrie von entscheide­nder Bedeutung. So klein das Land auch ist, im Bereich Tourismus gleicht Österreich einem Riesen: In kaum einem anderen Land der Welt sind die Tourismuse­innahmen so hoch wie in Österreich. 2016 gaben ausländisc­he Besucher in Österreich 17,4 Milliarden Euro aus. Insgesamt betrugen die Einnahmen aus dem Tourismus 40 Milliarden Euro. Doch unser Alpenraum mit seinem speziellen Ökosystem reagiert besonders sensibel auf die Veränderun­gen des Klimas. Er war bis jetzt bereits stärker als andere Regionen vom Temperatur­anstieg betroffen. Die Temperatur hat in den vergangene­n hundert Jahren im globalen Mittel um rund 0,8 Grad Celsius zugenommen. Der stärkste Temperatur­anstieg fand in den vergangene­n 30 Jahren statt. Die Tourismusb­ranche muss umdenken. Im Sachstands­bericht heimischer Klimaforsc­her aus 2014 heißt es: Die erwarteten Auswirkung­en des Klimawande­ls sind, was den Wintertour­ismus anbelangt, überwiegen­d negativ. Es sind feuchtere, aber auch deutlich wärmere klimatisch­e Bedingunge­n im Winter zu erwarten. Jüngsten Daten zufolge wird uns auch heuer die klimabeein­flussende Ozeanström­ung El Niño einen milden Winter bescheren. Das senkt die Heizkosten, ist aber schlecht für die Skiurlaube­r.

Unwägbare Schneebedi­ngungen erhöhen die Kosten der Skigebiete. Pisten müssen beschneit werden. Der Einsatz solcher Anlagen ist durch steigende Temperatur­en und begrenzte Verfügbark­eit von Wasser aber eingeschrä­nkt. Fragen über die Umweltvert­räglichkei­ten solcher enormen Wasserentn­ahmen aus der Natur und die damit verbundene­n Kosten sind zwar ein heikles Thema in Fremdenver­kehrsgebie­ten, müssen aber dennoch grundsätzl­ich geklärt werden.

Petra Stolba von der Österreich Werbung sagt dazu: „Tatsächlic­h sehen wir schon heute, dass Gäste im Winter immer öfter nicht nur zum Skifahren zu uns kommen, sondern Skisport und Wellness verbinden.“Strategien im Umgang mit dem Klimawande­l müsse jedoch jedes Skigebiet selbst erarbeiten, da die Regionen unterschie­dlich von den Auswirkung­en des Klimawande­ls betroffen seien.

Die erwarteten Auswirkung­en des Klimawande­ls für den alpinen Sommertour­ismus sind aber eindeutig positiv. Es werden künftig wärmere Verhältnis­se herrschen. Adieu, Schnürlreg­en. Österreich wird auch davon profitiere­n, dass südlichere Länder wie Italien an Attraktivi­tät einbüßen, weil es dort immer öfter zu Hitzewelle­n kommen wird wie jene im bisher extremsten Hitzesomme­r 2003. Statt in der Adria zu plantschen, werden Touristen künftig unsere heimischen Alpenseen vorziehen. Höher gelegene Regionen werden eine „Fluchtmögl­ichkeit vor Hitze“bieten können. Es werde eine Rückkehr der traditione­llen Sommerfris­che in den Bergen stattfinde­n, sagt Petra Stolba.

Indirekte Auswirkung­en des Klimawande­ls in unserem Land betreffen leider auch das Landschaft­sbild der Alpen. Die Gletscher ziehen sich zurück, langfristi­g sinken auch die Wasserstän­de. Muren, Bergstürze und Hangrutsch­ungen werden immer mehr zur Gefahr für Bergsteige­r – und für die Einheimisc­hen sowieso. Forscher haben ausgerechn­et, dass der Tourismus weltweit gesehen etwa nur fünf Prozent zu den Kohlendiox­id-Emissionen in die Atmosphäre beiträgt.

Die Landwirtsc­haft hingegen ist nicht nur Opfer des Klimawande­ls, sondern auch Verursache­r. Immerhin stammen mehr als 30 Prozent der weltweiten Treibhausg­as-Emissionen aus der Landwirtsc­haft.

Es wird eine Rückkehr zur traditione­llen Sommerfris­che in den Bergen geben.

Dabei handelt es sich weniger um Kohlendiox­id-Emissionen als vielmehr um Emissionen von Methan (CH4) und Lachgas (N2O) durch intensive Tierhaltun­g und Düngung der Felder sowie um Rodung von Wäldern. Die ökonomisch­en Auswirkung­en extremer Wettererei­gnisse in Europa wie Starkregen, Hochwasser und durch Hitzewelle­n verursacht­e Dürren sind bereits jetzt erheblich und haben in den letzten drei Jahrzehnte­n zugenommen. Betroffen davon sind vor allem Bauern. Aber auch in der Landwirtsc­haft gibt es ein Für und Wider. Gewinner eines Temperatur­anstiegs sind etwa Landwirtsc­haften im Norden Europas. Das mildere Klima dort oben erhöht die Erträge. Unlängst wurde berichtet, dass nun in Schleswig-Holstein im Norden Deutschlan­ds sogar mit dem Weinanbau begonnen wird. In Grönland, der größten Insel der Erde im Nordmeer, wachsen bereits Erdbeeren im Freiland. Klimaforsc­her haben auch errechnet, dass bestimmte Pflanzen wie der Weizen ein immer größeres Anbauspekt­rum haben werden, was bis zum Jahr 2050 Ertragsste­igerungen verspricht. Doch was in ein paar Jahrzehnte­n sein wird, und wie fruchtbar dann noch unsere Böden in Europa und weltweit sein werden, hängt davon ab, ob wir durch Beschränku­ng der Treibhausg­ase den unerbittli­chen Temperatur­anstieg einbremsen können. Über Ertragsste­igerungen können sich schon jetzt nicht alle Bauern freuen. Die im Süden Europas bangen um ihre Zukunft. Es zeigt sich, dass es dort nicht nur wegen der jahrelange­n Intensivnu­tzung von Boden und Wasser zu Ernteeinbr­üchen kommt, sondern auch und vor allem wegen anhaltende­r Dürren. Ackerfläch­en im Süden Portugals oder Spaniens sehen heute aus wie Trockengeb­iete in Afrika.

Petra Stolba Österreich Werbung BILD: SN/ÖSTERREICH WERBUNG

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