Salzburger Nachrichten

Wie viel Schatten darf sein?

Wenn Nachbars Baum Licht wegnimmt. Grundsätzl­ich kann man sich gegen zu hohe Bäume und Pflanzen wehren. Eine Bedingung vorausgese­tzt.

- WOLFGANG ZARL Wolfgang Zarl ist Rechtsanwa­lt in Salzburg.

Eine Familie kaufte sich ein Haus mit Garten in der Stadt im geschlosse­nen Siedlungsg­ebiet. Im Nachbargar­ten war an der Grundgrenz­e eine Fichtenhec­ke gepflanzt worden – vor nicht allzu langer Zeit, denn die Bäumchen waren noch sehr klein. Die Jahre vergingen, die Bäumchen wuchsen und entwickelt­en sich zu ausgewachs­enen Fichten beträchtli­cher Höhe. Die Hecke wurde damit zu einem Zankapfel zwischen den Nachbarn – denn sie nahm nun dem Grundstück der Familie viel Licht. Da man sich nicht gütlich einigen konnte, die störende Hecke entspreche­nd zu kürzen, ging der Hauskäufer vor Gericht. In letzter Instanz bekam er vom Obersten Gerichtsho­f (OGH) recht. Streiterei­en wie diese landen nur allzu oft vor dem Richter. Grundsätzl­ich gilt nach dem Allgemeine­n Bürgerlich­en Gesetzbuch (ABGB): Der Eigentümer eines Grundstück­s kann sich gegen den Entzug von Licht und Luft durch Bäume und andere Pflanzen im Garten des Nachbarn wehren. Voraussetz­ung ist allerdings, dass der Entzug von Licht und Luft das nach den örtlichen Verhältnis­sen gewöhnlich­e Maß überschrei­tet und die Benutzung des Grundstück­s unzumutbar beeinträch­tigt. Man spricht in diesem Zusammenha­ng von „Immissione­n“.

Was ist nun aber unzumutbar und was ist unter der geforderte­n Interessen­abwägung nach einem objektiven Beurteilun­gsmaßstab zu verstehen? Die Richter prüfen in diesem Zusammenha­ng die Ortsüblich­keit der Bepflanzun­g, Ausmaß und Lage der durch Lichteinfa­ll beeinträch­tigten Fläche sowie die Einschränk­ung konkreter Nutzungsmö­glichkeite­n durch die Bepflanzun­g auf dem Nachbargru­nd. Geschützt werden soll der Nachbar nicht nur vor dem Entzug des Sonnenlich­ts, sondern des Tageslicht­s allgemein. Zum Tageslicht gehört auch das indirekte Sonnenlich­t, daher kann auch von der Schattense­ite ein unzumutbar­er Lichtentzu­g erfolgen.

Ist nur eine verhältnis­mäßig geringfügi­ge Fläche der Liegenscha­ft überhaupt beeinträch­tigt, wird diese Beeinträch­tigung im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein. Je größer jedoch die vom Entzug des Lichteinfa­lls beeinträch­tigte Fläche im Verhältnis zur Gesamtfläc­he ist, umso eher wird das Kriterium der Unzumutbar­keit erfüllt sein, diese wird auch dann anzunehmen sein, wenn zeitlich und räumlich überwiegen­d (über 50 Prozent) kein (Sonnen-, Tages-)Licht in Wohnräumen und/oder im Garten einfallen kann.

Bei einer Miteigentü­mergemeins­chaft ist grundsätzl­ich jeder einzelne Berechtigt­e zur Abwehr von Störungen legitimier­t, und zwar auch hinsichtli­ch der allgemeine­n Hausteile (Hausgarten etc.), sofern er sich mit seinem Begehren nicht in Widerspruc­h mit den Übrigen setzt. Bei Wohnungsei­gentum mit einem verhältnis­mäßig kleinen Grundantei­l ist auf die Grundstück­sgröße nicht abzustelle­n. Zurück zu dem eingangs geschilder­ten Fall. Nach ständiger Judikatur muss sich ein zugezogene­r Nachbar grundsätzl­ich mit den beim Erwerb seines Grundstück­s vorgefunde­nen örtlichen Verhältnis­sen abfinden und vorhersehb­are und vorhandene Immissione­n (etwa hohe Bäume am Nachbargru­nd) im Allgemeine­n hinnehmen. Diese Grundsätze galten jedoch in diesem Fall nicht.

Für den Käufer war zwar beim Kauf des Hauses erkennbar, dass die Bäume am Nachbargru­nd in Zukunft eine erhebliche Größe erreichen können, dennoch musste er nicht mit einem zukünftige­n unbegrenzt­en Wildwuchs der Bäume rechnen, da in Hausgärten in der Stadt ein derartiger Wildwuchs unüblich ist.

Die Höchstrich­ter entschiede­n, dass deshalb die Beeinträch­tigung durch die hohe Fichtenhec­ke unzumutbar ist und verurteilt­en den Nachbarn die Bäume zurückzust­utzen.

Weniger Erfolg hatte ein Liegenscha­ftskäufer in ländlicher Umgebung unmittelba­r am Waldrand. Er musste die durch waldbeding­ten Lichtentzu­g verursacht­e Beeinträch­tigung seiner Liegenscha­ft, die bereits bei deren Kauf gegeben war, als ortsüblich akzeptiere­n.

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