Wie viel Schatten darf sein?
Wenn Nachbars Baum Licht wegnimmt. Grundsätzlich kann man sich gegen zu hohe Bäume und Pflanzen wehren. Eine Bedingung vorausgesetzt.
Eine Familie kaufte sich ein Haus mit Garten in der Stadt im geschlossenen Siedlungsgebiet. Im Nachbargarten war an der Grundgrenze eine Fichtenhecke gepflanzt worden – vor nicht allzu langer Zeit, denn die Bäumchen waren noch sehr klein. Die Jahre vergingen, die Bäumchen wuchsen und entwickelten sich zu ausgewachsenen Fichten beträchtlicher Höhe. Die Hecke wurde damit zu einem Zankapfel zwischen den Nachbarn – denn sie nahm nun dem Grundstück der Familie viel Licht. Da man sich nicht gütlich einigen konnte, die störende Hecke entsprechend zu kürzen, ging der Hauskäufer vor Gericht. In letzter Instanz bekam er vom Obersten Gerichtshof (OGH) recht. Streitereien wie diese landen nur allzu oft vor dem Richter. Grundsätzlich gilt nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB): Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich gegen den Entzug von Licht und Luft durch Bäume und andere Pflanzen im Garten des Nachbarn wehren. Voraussetzung ist allerdings, dass der Entzug von Licht und Luft das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet und die Benutzung des Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Immissionen“.
Was ist nun aber unzumutbar und was ist unter der geforderten Interessenabwägung nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab zu verstehen? Die Richter prüfen in diesem Zusammenhang die Ortsüblichkeit der Bepflanzung, Ausmaß und Lage der durch Lichteinfall beeinträchtigten Fläche sowie die Einschränkung konkreter Nutzungsmöglichkeiten durch die Bepflanzung auf dem Nachbargrund. Geschützt werden soll der Nachbar nicht nur vor dem Entzug des Sonnenlichts, sondern des Tageslichts allgemein. Zum Tageslicht gehört auch das indirekte Sonnenlicht, daher kann auch von der Schattenseite ein unzumutbarer Lichtentzug erfolgen.
Ist nur eine verhältnismäßig geringfügige Fläche der Liegenschaft überhaupt beeinträchtigt, wird diese Beeinträchtigung im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein. Je größer jedoch die vom Entzug des Lichteinfalls beeinträchtigte Fläche im Verhältnis zur Gesamtfläche ist, umso eher wird das Kriterium der Unzumutbarkeit erfüllt sein, diese wird auch dann anzunehmen sein, wenn zeitlich und räumlich überwiegend (über 50 Prozent) kein (Sonnen-, Tages-)Licht in Wohnräumen und/oder im Garten einfallen kann.
Bei einer Miteigentümergemeinschaft ist grundsätzlich jeder einzelne Berechtigte zur Abwehr von Störungen legitimiert, und zwar auch hinsichtlich der allgemeinen Hausteile (Hausgarten etc.), sofern er sich mit seinem Begehren nicht in Widerspruch mit den Übrigen setzt. Bei Wohnungseigentum mit einem verhältnismäßig kleinen Grundanteil ist auf die Grundstücksgröße nicht abzustellen. Zurück zu dem eingangs geschilderten Fall. Nach ständiger Judikatur muss sich ein zugezogener Nachbar grundsätzlich mit den beim Erwerb seines Grundstücks vorgefundenen örtlichen Verhältnissen abfinden und vorhersehbare und vorhandene Immissionen (etwa hohe Bäume am Nachbargrund) im Allgemeinen hinnehmen. Diese Grundsätze galten jedoch in diesem Fall nicht.
Für den Käufer war zwar beim Kauf des Hauses erkennbar, dass die Bäume am Nachbargrund in Zukunft eine erhebliche Größe erreichen können, dennoch musste er nicht mit einem zukünftigen unbegrenzten Wildwuchs der Bäume rechnen, da in Hausgärten in der Stadt ein derartiger Wildwuchs unüblich ist.
Die Höchstrichter entschieden, dass deshalb die Beeinträchtigung durch die hohe Fichtenhecke unzumutbar ist und verurteilten den Nachbarn die Bäume zurückzustutzen.
Weniger Erfolg hatte ein Liegenschaftskäufer in ländlicher Umgebung unmittelbar am Waldrand. Er musste die durch waldbedingten Lichtentzug verursachte Beeinträchtigung seiner Liegenschaft, die bereits bei deren Kauf gegeben war, als ortsüblich akzeptieren.