DIE ILLUSTRIERTE KOLUMNE
„Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“So lautet ein Kalenderspruch, der in der Regel dem römischen Autor Seneca zugeschrieben wird, fallweise auch Kurt Tucholsky oder Marie von Ebner-Eschenbach. Tatsächlich stammt das Zitat vom deutschen Mahner Erich Kästner, der es 1950 in einem Epigramm mit dem Titel „Moral“vorstellte. Aphorismus, Autor und das Medium Kalender sind in Zeiten von Message Control weitgehend in Vergessenheit geraten. Gutes ist längst keine erstrebenswerte Qualität mehr, weder technisch noch moralisch.
Das Gute ist vom Zielführenden abgelöst worden, vom Leistbaren, vom Zustehenden, vom Erworbenen. Das Gute, so die Kontrollore des Sagbaren, sei der Feind des Besseren. Voltaire hatte zwar noch gesagt, das Bessere sei der Feind des Guten, für die Diskreditierung desselben ist das allerdings nur mehr von aphoristischem Belang. Das Gute ist schlecht. Gutmensch ein Schimpfwort. An die Hässlichkeit dieses Bildes haben wir uns gewöhnt.
Aber ist es tatsächlich vorbei mit dem Guten? Lebt es nicht weiter im Alltäglichen, wo die Frage nach dem Befinden im „Danke, gut“mündet, nicht im „Danke, besser“? Auch in der politischen Meteorologie hat sich noch Althergebrachtes gehalten. Die Zusammenarbeit in der Regierung ist „gut“, nie „besser“, gut sind Ideen, Vorhaben, Aussichten, der Stand der Dinge, das Klima, der Morgen, der Tag. Gut ist so gut wie einst, als Meisterkommunikator Heinz Conrads noch alle Messages kontrollierte: „Guten Abend meine Damen, guten Abend meine Herrn, guten Abend die Madln, servas die Buam!“