Immer öfter wird mit dem Smartphone bezahlt
Bezahlen mit dem Smartphone wird einfacher. Immer mehr Anbieter buhlen um Kunden. Ein Tiroler Start-up mischt kräftig mit.
Den Kaffee an der Ecke oder den Einkauf im Supermarkt: In Asien, den USA und im Norden Europas wird ganz selbstverständlich mit dem Handy statt mit Bargeld oder Bankomatkarte bezahlt. Während amerikanische Konzerne wie Google oder Apple mit ihren mobilen Bezahlangeboten um europäische Kunden werben, haben auch heimische Anbieter Lösungen für das Bezahlen per Smartphone entwickelt. Auch wenn Bargeld in Österreich beliebt bleibt, wird nun öfter mit dem Handy bezahlt. Der Kampf um die Marktführerschaft hat begonnen.
„Das mobile Zahlen ist die Zukunft.“ Andrea Gritsch, Fin-Tech-Expertin
Statt Bargelds zückt die Touristin ihr Handy, scannt damit den QR-Code an der Kassa und verlässt Sekunden später mit den erstandenen Mitbringseln das GösslGeschäft in der Salzburger Altstadt. Bei der Salzburger Trachtenmarke können chinesische Gäste seit dem Vorjahr Alipay nutzen, das HandyBezahlsystem des Amazon-Konkurrenten Alibaba. Andere Geschäfte zogen nach. Schließlich ist der potenzielle Kundenkreis groß: 620 Millionen Chinesen nutzen Alipay bereits. Während das mobile Bezahlen in Asien selbstverständlich ist und kleine Läden Bargeld mitunter gar nicht mehr akzeptieren, wird die Technik in Österreich noch wenig genutzt. In den Mobile-Payment-Markt kommt aber Bewegung. In Deutschland ging im Sommer der Bezahldienst Google Pay an den Start. Apple soll demnächst folgen. Gespräche mit österreichischen Banken – die bei den Zahlungslösungen von Google und Apple mit an Bord sein müssen – gibt es zwar, Einigung noch keine.
Das Tiroler Start-up Blue Code ist da schon viel weiter. Wer die App mit seinem Bankkonto verknüpft, kann heute bereits in den meisten heimischen Lebensmittelgeschäften und bei anderen großen Händlern bezahlen. Statt Bargeld oder die Bankomatkarte aus der Geldtasche zu holen, öffnet der Nutzer an der Kasse die App. Die Verkäuferin scannt den Barcode am Handydisplay. „Wir haben ein großes Händlernetzwerk aufgebaut und mittlerweile 20.000 Kassen an Bord“, erklärt Christian Pirkner, Geschäftsführer von Blue Code. Er sieht den Dienst als europäische Alternative zu den US-Giganten. „Der Zahlungsverkehr ist fest in amerikanischer Hand, von den Kreditkarten bis zu den mobilen Bezahlsystemen. Somit wandern Daten und Geldströme in die USA. Das ist keine schlaue Idee, wenn man sich den erratischen Präsidenten Trump ansieht.“Blue Code ist für den Nutzer kostenlos. Anders als etwa bei Google Pay, das auch den Händler nichts kostet, dafür die gewonnenen Informationen verwertet, werden beim Tiroler Start-up keine Daten gesammelt. „Der Händler zahlt eine Gebühr für die Transaktion in der Höhe von einigen Cent.“Auch in Deutschland ist man bereits vertreten, andere Länder sollen folgen.
In Österreich gibt es noch Luft nach oben. Mehr als eine Million Zahlungen hat es im heurigen Jahr zwar bereits gegeben. „Aber verglichen mit den Bankomatkartenzahlungen ist das natürlich noch wenig. Österreicher hängen auch sehr am Bargeld“, sagt Pirkner.
Österreich gilt als Europameister bei der Zahl der Bankomaten pro Einwohner. Allerdings hält auch langsam die digitale Welt Einzug. Immer öfter wird mobil bezahlt, zeigt eine Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Was die Entwicklung beschleunigen könnte: Die Europäische Zentralbank hat als Antwort auf die digitale Konkurrenz von Google, Apple und Co. ein neues System für Überweisungen in Echtzeit entwickelt. Anfang 2019 soll das Target Instant Payment Settlement (TIPS) an den Start gehen. Vergehen derzeit bis zu zwei Tage, bis eine getätigte Überweisung tatsächlich auf dem Konto ist, ist das mit TIPS binnen zehn Sekunden der Fall. „Das sind elektronische Zahlungen, die innerhalb weniger Sekunden ausgeführt werden. Der Empfänger kann sofort über das Geld verfügen“, spricht OeNB-Direktor Kurt Pribil von einer neuen Ära im Zahlungsverkehr. Das bargeldlose Bezahlen wird somit attraktiver. „Der Weg ist vorgezeichnet. Aber der Wechsel wird nicht von heute auf morgen kommen“, sagt Pribil und bremst allzu optimistische Erwartungen. „Die Jugend wird es schneller nutzen. Aber wir glauben, dass es noch länger dauern wird, bis das System an der Supermarktkassa verwendet wird.“
Wer in Österreich mit Handy statt Bargelds zahlen will, hat verschiedene Anbieter zur Auswahl. Die „Bankomatkarte mobil“ist eine bankenübergreifende Lösung des Dienstleisters Payment Services Austria (PSA) und funktioniert an allen Terminals, an denen man schon jetzt kontaktlos mit der Bankomatkarte bezahlen kann. Wer den Dienst am Handy nutzen will, braucht eine SIM-Karte, die die Nahfeldkommunikation (NFC) unterstützt und ein Android-Handy. Apple gibt die NFC-Schnittstelle nicht an externe Anbieter frei – um seinen eigenen Bezahldienst zu schützen. Seit der Einführung der „Bankomatkarte mobil“2016 wurde 500.000 Mal damit bezahlt. Wer bargeldlos Geld an Freunde schicken möchte, kann das mit Zoin tun. Man muss lediglich die Handynummer eines anderen ZoinNutzers kennen. Der ebenfalls von PSA betriebene Service ist bereits in einigen Apps heimischer Banken integriert.
Vor dem Zahlen per App schrecken aber noch viele zurück. Bei einer Statista-Umfrage in Deutschland nannte jeder Zweite Sicherheitsbedenken als Grund. „Mobile Payment ist nicht unsicher, aber es gibt potenzielle Probleme: Auf dem Smartphone laufen verschiedene Programme parallel. Theoretisch besteht also die Möglichkeit, dass Daten ausgespäht werden“, gibt Andy Rupp, Experte für Kryptographie am Karlsruher Institut für Technologie, zu bedenken.
„Beim Zahlen mit dem Handy liegt Österreich EU-weit im Mittelfeld. Weit vor uns liegen England und Skandinavien, weit hinter uns Südosteuropa“, erklärt Andrea Gritsch, Fin-Tech-Expertin bei der Anwaltssozietät Wolf Theiss. „Das mobile Zahlen ist die Zukunft. Es gibt immer mehr und immer gescheitere Lösungen und mehr Einsatzgebiete, weil es der Einzelhandel ermöglicht.“Andererseits seien Österreicher vorsichtig, wenn es ums Geld geht. Mit der Zweiten EUZahlungsdienste-Richtlinie würden den Anbietern seit heuer aber noch mehr Sicherheitsstufen vorgeschrieben. Am Ende des Tages freilich sei man vor Schindluder nie gefeit. „Genauso wenig wie vor Taschendieben, die einem das Geldbörserl klauen.“