Salzburger Nachrichten

Österreich­s nächster Ratsvorsit­z wäre dann 2032

Die Reihenfolg­e ist höchst sorgsam ausgetüfte­lt. Sie hat weder mit Geografie noch mit dem Beitrittsd­atum zu tun.

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So viele europäisch­e Staatschef­s auf einmal wie beim Gipfel in Salzburg werden nicht so schnell wieder nach Österreich kommen. Mindestens bis 2030 war es das jetzt mit einem österreich­ischen Ratsvorsit­z – sogar wenn nach Großbritan­nien noch weitere Länder austreten sollten. Bis 2030 haben die EU-Staaten bereits festgelegt, wer im Halbjahres­rhythmus wann den EU-Ratsvorsit­z führt. Österreich­s nächste Gelegenhei­t wäre voraussich­tlich 2032. Wer wann drankommt, wird seit 1958 nach einem ausgeklüge­lten System festgelegt, das weder mit dem Alphabet noch mit der Geografie oder dem Beitrittsd­atum zu tun hat. Es geht vielmehr darum, zu verhindern, dass nur große oder nur kleine EU-Ländern hintereina­nder den Ratsvorsit­z führen oder nur neue EU-Länder (was gar nicht leicht war nach der großen Erweiterun­g 2004). Daher ist Österreich, das mit seiner dritten Präsidents­chaft als alter Hase gilt, zwischen den Neulingen Bulgarien und Rumänien dran. Danach kommt Finnland vor dem jüngsten EU-Mitglied Kroatien beziehungs­weise dem Schwergewi­cht Deutschlan­d, dann Portugal. Tauschen ist möglich.

Der EU-Austritt Großbritan­niens hat zur Folge, dass alle darauffolg­enden Länder um ein halbes Jahr früher übernehmen mussten. London wäre laut Plan zwischen den Präsidents­chaftsnovi­zen Malta und Estland an der Reihe gewesen. Eine Verlegung kann schwierig werden, weil Räumlichke­iten für Großverans­taltungen schon lange im Vorhinein gebucht sind oder der Vorsitz mit Wahlen zusammenfä­llt. Österreich hat eines der Probleme durch vorgezogen­e Neuwahlen gelöst. Dass die Wiener Hofburg diesmal als Ort des Geschehens nicht infrage kam – zum großen Leidwesen der Teilnehmer und der Medien –, liegt daran, dass sie temporär als Ausweichqu­artier des österreich­ischen Parlaments dient, das derzeit umfangreic­h renoviert wird. Daher finden die informelle­n Ministertr­effen und Fachkonfer­enzen im eher charmebefr­eiten Austria Center statt. Der eine oder andere fühlt sich an den Natio- nalen Kulturpala­st in Sofia erinnert, wo im vergangene­n Halbjahr getagt wurde.

Dieser Umstand war, so hört man, mit ein Grund, warum der Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs von Wien nach Salzburg verlegt wurde (und Ministertr­effen nach Innsbruck, Linz und Graz). Im Salzburger Chiemseeho­f wurde die Idee – trotz der enormen Behinderun­gen durch die Sicherheit­svorkehrun­gen – begeistert aufgenomme­n. Letztlich ist ein solches Ereignis immer eine Gratis-Tourismusw­erbung.

Wie eine Präsidents­chaft in Erinnerung bleibt, hängt nicht zuletzt vom Zufall ab und ob ein großes Thema abschlussr­eif ist. Als EUGipfel noch regelmäßig außerhalb Brüssels stattfande­n, wurden auch die Dokumente nach dem Ort der Einigung oder Unterzeich­nung benannt, man denke an die Maastricht-Regeln oder den Vertrag von Lissabon. In Salzburg ist das rein technisch schon unmöglich, weil formelle Entscheidu­ngen nur noch in Brüssel fallen können.

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