Eine Neuwahl hilft nicht wirklich weiter
Der große Verlierer wäre, wie so häufig in jüngster Zeit, das britische Volk.
Zum Start der Parteitage wird nicht mehr nur in Westminster gemunkelt, dass den Briten bald eine Neuwahl ins Haus stehen könnte. Schon wieder. Es wäre die dritte innerhalb kürzester Zeit, nachdem die Briten bereits 2015 und 2017 ihr Parlament wählen durften – oder vielmehr mussten. Wenn das Brexit-Votum eines gezeigt hat, dann dies: Die Menschen haben das Vertrauen in ihre politische Klasse verloren.
Anstatt dieses durch Glaubwürdigkeit, Kompromissbereitschaft und eine Politik im Sinne des Gemeinwohls zurückzugewinnen, nehmen die Angriffe und Grabenkämpfe innerhalb der großen Parteien nur noch weiter zu. Eine Neuwahl ist das Letzte, was das tief gespaltene und der Politik überdrüssige Land braucht.
Anstatt das Königreich zu einen und sich auf eine gemeinsame Brexit-Strategie festzulegen, machen sowohl die Konservativen als auch die Sozialdemokraten abermals den Fehler, ohne Rücksicht auf Verluste ihre Partei und Machtversessenheit über die Menschen zu stellen, die sie vertreten.
Die nächste Frage, die sich stellt, lautet: Was soll eine neuerliche Abstimmung bringen? Ja, die Situation ist verzwickt. Premierministerin Theresa May, deren größte Gegner in der eigenen Partei sitzen, hat kaum Handlungsspielraum und verbleibt lediglich in ihrem Amt, weil es bisher keinen besseren Kandidaten gab und niemand die undankbare Aufgabe übernehmen wollte, einen Brexit-Deal mit Brüssel auszuhandeln – zumal sowohl das Land als auch das Parlament in der Europa-Frage so zerstritten sind wie eh und je. Aber würde eine Neuwahl die Lösung bringen, wenn der linke EU-Skeptiker Jeremy Corbyn für Labour und der lautstarke Brexit-Hardliner Boris Johnson für die Konservativen ins Rennen gehen? Beide polarisieren und spalten die britische Gesellschaft in zwei unversöhnliche Lager. Beide hinterlassen ein Vakuum in der frustrierten Mitte.