Salzburger Nachrichten

Tödliche Sehnsucht nach Jade

In Myanmar ist der Handel mit Jade ein Milliarden­geschäft. Die Bedingunge­n, unter denen die „Jadepflück­er“arbeiten, sind allerdings unmenschli­ch – und lebensgefä­hrlich.

- SN, dpa

Jade aus Myanmar gilt als die schönste der Welt. Für das südostasia­tische Land ist der Handel mit den Edelsteine­n ein Milliarden­geschäft. Aber auch ein tödliches. Wenn – wie jetzt – Regenzeit ist, gibt es immer wieder Dutzende Tote.

Auf dem Jademarkt von Mandalay, Myanmars alter Handelssta­dt, ist die Welt noch in Ordnung. Hier sitzen die Männer an ihren alten Schleifmas­chinen, tief nach vorn gebeugt, um die grünen Edelsteine zu verfeinern. Um sie herum spazieren Händler mit Taschenlam­pen in der Hand. Sie leuchten in die Steine hinein: Je besser das Licht durchschim­mert, desto höher der Preis.

„Grünes Gold“wird Jade seit jeher genannt, und hier in Mandalay hat das wahrschein­lich mehr Berechtigu­ng als irgendwo sonst. Jade aus Myanmar gilt als die beste der Welt. Das Kilo feinster Qualität ist einige Hunderttau­send Euro wert. Aber das Geschäft hat auch eine andere Seite. Eine tödliche.

Jahr für Jahr kommen in den Jademinen des südostasia­tischen Staats (ehemals: Birma) Hunderte Arbeiter ums Leben. Am gefährlich­sten ist es jetzt in der Regenzeit, wenn in den Bergen des Bundesstaa­ts Kachin, ganz im Norden an der Grenze zu China, immer wieder Gerölllawi­nen abgehen. Manchmal, wenn der Monsunrege­n nicht mehr aufhören will, gerät ein ganzer Hang ins Rutschen.

Eben kamen wieder 18 Männer ums Leben – so zumindest die offizielle Zahl. Vermutet wird, dass es in Wahrheit Dutzende waren. Die „New York Times“zitierte einen Sprecher der lokalen Behörden kürzlich mit den Worten: „Bei Regen sterben jeden Tag mindestens zehn Leute.“Genau weiß das niemand.

Ebenso wenig ist bekannt, wie viele Leute dort oben in Kachin unter teils übelsten Bedingunge­n ihr Glück versuchen. Kaum einer der Arbeiter ist offiziell registrier­t. Die Schätzunge­n reichen in die Hunderttau­sende, unter ihnen auch Kinder. Die meisten „Jadepflück­er“, wie sie sich selbst nennen, haben nicht einmal eine feste Unterkunft. Wenn sie abends aus den Steinwüste­n zurückkomm­en, schlafen sie unter billigen Schutzplan­en aus Plastik. Was die Männer trotz allem zum Bleiben bewegt, ist die Hoffnung auf den einen großen Fund, der ihr Leben verändert.

Einer von ihnen ist Htang Sua Lasi. Der 22-Jährige arbeitet seit zwei Jahren in der Gegend von Hpakant, die als Schatzkamm­er des „grünen Goldes“gilt. Nirgendwo auf der Welt lagert mehr Jade als dort. Anfangs war auch sein bester Freund dabei. Aber der kam mit 19 ums Leben, begraben von einem Felsbrocke­n.

Der Gefahr ist sich auch Htang Sua Lasi bewusst. Er sagt: „Bei mir zu Hause hätte ich ein reguläres Einkommen. Aber wenn ich hier den Jackpot gewinne, bin ich ein reicher Mann.“Noch hofft er. Vergangene­s Jahr konnte er seinen Eltern nicht einmal umgerechne­t 50 Euro nach Hause schicken. Frau und Kinder hat er noch nicht. Dabei wird in Myanmar nach einer US-Studie pro Jahr die nur schwer vorstellba­re Summe von 31 Milliarden US-Dollar (etwa 26,7 Milliarden Euro) umgesetzt. Der Großteil geht nach China. „Die feine Birma-Jade wird vor allem von Liebhabern geschätzt“, heißt es beim Edelstein-Bundesverb­and. Die Gewinne landen nicht bei den vielen Arbeitern, sondern bei einigen wenigen: vor allem bei Myanmars Militär. Zwar hat sich das Land nach einem halben Jahrhunder­t Generäle-Herrschaft geöffnet. Nun regiert die ehemalige Opposition­sführerin Aung San Suu Kyi. Aber die Militärs sitzen weiter an den Schaltstel­len der Macht. Und immer noch sind auch viele Jadebetrie­be in ihrem Besitz.

Eigentlich hat die Friedensno­belpreistr­ägerin versproche­n, für bessere Arbeitsbed­ingungen in den Minen zu sorgen und auch die Auseinande­rsetzungen zwischen Militärs und Rebellen in Kachin zu beenden – bisher jedoch ohne Erfolg. Außerhalb von Myanmar nimmt vom Kampf um Land und Rohstoffe kaum jemand Notiz. Viele hier halten die Jade für das größte Hindernis auf dem Weg zum Frieden. Auch Rebellen und Drogenbaro­ne verdienen daran.

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BILD: SN/REUTERS Die Jagd nach der weltweit begehrten Jade aus Myanmar fordert einen hohen Blutzoll.

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