17 VW-Sammelklagen aus Österreich
Auch der Verein für Konsumenteninformation klagt jetzt für knapp 10.000 vom Dieselskandal betroffene Österreicher – bei 16 Gerichten.
WIEN. Nach Auffliegen der Abgastricksereien durch VW brachte Maria Jindra ihren Seat Exeo im Vorjahr zum Software-Update in eine Werkstätte. Danach fielen ihr Veränderungen am Fahrverhalten auf. „Das Auto hat angefangen zu rumpeln und nicht mehr so angezogen“, erzählt sie.
Zunächst habe sie „den unebenen Straßen“die Schuld zugeschrieben. Aber dann begann das Fahrzeug zu stottern und blieb schließlich auf der Autobahn hängen. „Ich habe es gerade noch in eine Parkbucht geschafft.“Ein schadhaftes Ventil sei die Ursache, hieß es nach der Reparatur, deren Kosten (770 Euro) ihr „aus Kulanz“erlassen wurden. Als 500 Kilometer später das Problem erneut auftrat, wandte sie sich an den Verein für Konsumenteninformation (VKI).
Frau Jindra ist eine jener 9872 Autobesitzer, für die der VKI soeben eine Sammelklage gegen den VW-Konzern eingebracht hat. Genau genommen sind es 17 Sammelklagen bei den zuständigen 16 Landesgerichten in Österreich. Damit handle es sich um die bisher größte Klagswelle in Österreich, sagt VKI-Jurist Thomas Hirmke. Die Prozesskosten trägt die deutsche Roland ProzessFinanz AG, die im Erfolgsfall 20 bis 37,5 Prozent der erstrittenen Summe einbehält.
Hirmke rechnet mit einem jahrelangen Rechtsstreit. VW sei nicht bereit gewesen zu einer außergerichtlichen Einigung. AK-Direktor Christoph Klein sagt: „Die Zeit der Samthandschuhe ist vorbei.“Auch Konsumentenschutzministerin Beate Hartinger-Klein zeigt sich empört. Österreichweit sind die Besitzer von 360.000 Fahrzeugen vom Dieselskandal betroffen. Mehr als 6400 weitere betroffene Autobesitzer haben bereits bei der Plattform Cobin Claims Schadenersatzansprüche gegen VW angemeldet.
Der Zeitpunkt der Klage hängt zusammen mit der Verjährungsfrist. Nach österreichischem Recht erlöschen Schadensansprüche drei Jahre nach Kenntnis des Schadens. Erste Berichte über manipulierte Dieselabgaswerte bei VW waren am 18. September 2015 aufgetaucht.
Der Gesamtstreitwert der VKIKlagen liegt bei 60 Mill. Euro, der durchschnittliche Streitwert pro Kopf bei 5990 Euro. 55 Mill. Euro entfallen auf Schadenersatz wegen Wertminderung, weitere knapp fünf Mill. Euro auf eine Haftung für künftige Schäden. Für den VKI besteht der Schaden darin, dass betroffene Verbraucher für ihre Autos zu viel bezahlt haben beziehungsweise diese von Wertminderung betroffen sind. Eingeklagt wird eine Wertminderung von 20 Prozent des Kaufpreises – obwohl der VKI den Schaden eher bei 30 Prozent sieht.
70 Prozent der Teilnehmer an der VKI-Sammelklage sind älter als 50 Jahre, 73 Prozent sind männlich. 56 Prozent der betroffenen Fahrzeuge entfallen auf die Marke Volkswagen, 23 Prozent auf Audi, 14 Prozent auf Škoda und 7 Prozent auf Seat.
Bei einer VKI-weiten Erhebung habe ein Drittel der Betroffenen nach dem von VW angeordneten Software-Update danach von Störfällen berichtet, sagt VKI-Jurist Hirmke. 1800 Personen meldeten erhöhten Kraftstoffverbrauch, je 1400 Teilnehmer orteten Leistungseinbrüche oder ein Ruckeln oder Nageln des Motors.
Der VW-Konzern wies die Vorwürfe am Montag zurück. „Die Darstellungen des VKI zu Problemen nach der Umrüstung sind völlig einseitig“, hieß es. Die Behörden hätten „bestätigt, dass sich die Durchführung der technischen Maßnahmen nicht negativ auf Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung, maximales Drehmoment sowie die Geräuschemissionen auswirken wird“. Laut VW sind über 92 Prozent der betroffenen Fahrzeuge in Österreich umgerüstet. Die „ganz überwiegende Mehrzahl“der Kunden sei zufrieden, nur „bei einigen Promille“gebe es Beanstandungen nach dem Update.
„Zeit der Samthandschuhe gegenüber solchen Unternehmen ist vorbei.“