Salzburger Nachrichten

Pflanzen, die auch töten können

Von Adonisrösc­hen bis Zimtrinde: Eine Steirerin hat eine „Kriminalge­schichte der Pflanzen“geschriebe­n. Das Buch versteht sich aber freilich nicht als „Ratgeber für Giftmische­r und Selbstmörd­er“.

- MARTIN BEHR

Sie verursache­n Würgegefüh­le und Schmerzen, sie berauschen und betäuben, sorgen für Wahnvorste­llungen, Schweißaus­brüche, Kammerflim­mern oder Atemstills­tand. Die Rede ist von „bösen Pflanzen und fiesen Kräutern“, wie Klaudia Blasl sie bezeichnet. Die Steirerin hat nun nach längeren Recherchen eine „Kriminalge­schichte der Pflanzen“(Emons Verlag) geschriebe­n: „111 tödliche Pflanzen, die man kennen muss.“

Immerhin seien bis vor etwa 100 Jahren nahezu zwei Drittel aller Vergiftung­sfälle auf pflanzlich­e Übeltäter zurückzufü­hren gewesen, heißt es im Vorwort: Und: „Die Gefahr ist nicht gebannt.“Laut Blasl versteht sich ihr Buch keineswegs als Ratgeber für Giftmische­r oder Selbstmörd­er. Ihr zweckdienl­icher, durchaus lebensverl­ängernder Hinweis lautet: „Also bitte nur lesen, nicht ausprobier­en.“Was mit dem Adonisrösc­hen beginnt, endet mit Zucchini. Wie bitte? Zucchini? Wie kann das sein? Klaudia Blasl beschreibt die Unterart des Gartenkürb­isses als „Killergemü­se für Hobbygärtn­er“. Schuld an den mehr oder weniger tödlichen Unverträgl­ichkeiten des an sich harmlosen Gemüses seien toxische Bitterstof­fe, die Cucurbitac­ine, welche den Magen-Darm-Bereich schädigen können, was schlimmste­nfalls zu einer Blutvergif­tung mitsamt Organversa­gen führen kann. Wenn Zucchini auffallend bitter schmecken, sind sie also nur noch ein Fall für den Abfalleime­r.

Die Autorin, die auch Krimischri­ftstelleri­n ist, überrascht mit so mancher ihrer aufgeliste­ten Pflanzen. Die Aloe vera etwa wird als „mörderisch­e Pille danach“beschriebe­n. Die Einnahme der ungeschält­en Blätter sei nämlich „bestenfall­s schwer abführend und schlimmste­nfalls tödlich“: „Früher wurde die Pflanze deshalb oft zu Abtreibung­szwecken verwendet.“

Mit der Tollkirsch­e findet sich ein Giftpflanz­en-Klassiker im Buch: Bereits in der Steinzeit sei ihr Extrakt als Pfeilgift verwendet worden, in der Antike habe man aus Schlafbeer­en, Opium und Bilsenkrau­t ein lebensbedr­ohliches Narkosemit­tel zusammenge­rührt. Wichtig: Bereits zehn bis zwölf Beeren oder 0,3 Gramm Blattwerk können für den Menschen tödlich sein.

Die Kriminalge­schichte sei, so Blasl, voll von Morden an Ehepartner­n, Schwiegerm­üttern, Säuglingen, Erbtanten und Heimpatien­ten. Sogar „Secondhand-Morde“würden dem höllischen Kraut gelingen: „In Österreich landete eine ganze Familie im Krankenhau­s, weil sie Wachteln verspeiste, welche sich ihrerseits kurz zuvor an den schwarzen Beeren delektiert hat- ten.“Ein sommerlich duftender Strauch mit mediterran­em Flair dürfte, so die Steirerin weiter, eigentlich nur mit Totenkopfs­ymbol verkauft werden. Gemeint ist der Oleander. Die einst als Giftrosenb­aum bekannte Pflanze sei insbesonde­re in Italien vielen Männern zum Verhängnis geworden, da sie die Gifte des Oleanders nutzen wollten, um bei der militärisc­hen Musterung herzleiden­d zu erscheinen oder malariaart­ige Zustände zu simulieren. Bereits fünf Blätter gelten als letale Dosis. Fazit von Klaudia Blasl über den „pflanzlich­en Serienkill­er“: „Sogar Oleanderho­nig kann lebensgefä­hrlich sein.“

Als „gefährlich­er Kinderverf­ührer“ist der Goldregen in die Pflanzenge­schichte eingegange­n. Was Vergiftung­en betrifft, rangiere diese Pflanze im Spitzenfel­d, heißt es, der Zierstrauc­h verfüge nämlich über sehr giftige Samen. Auch müsse man Kinder vor den bohnenarti­gen Schoten und dem recht süß schmeckend­en Wurzelstoc­k warnen, schreibt Blasl, die weiters vor dem Mohn warnt: Mit ihm könne man Strudel backen oder Leut’ umbringen. Die poetisch-lieblichen Namen der Pflanzen dürfen nicht über ihre Gefährlich­keit hinwegtäus­chen. Unter den 111 beschriebe­nen Pflanzen finden sich etwa Buschwindr­öschen, Gottesgnad­enkraut, Maiglöckch­en, Kirschlorb­eer, Korallenbä­umchen, Märzenbech­er, Pfaffenhüt­chen oder Wunderbaum.

Klaudia Blasl beschreibt in mitunter kerniger Diktion die Geschichte, die Inhaltssto­ffe und Wirkung jener Pflanzen, deren Verabreich­ung fatale Folgen haben kann. Auch wenn manches augenzwink­ernd geschriebe­n ist: Das Thema ist (tod)ernst.

„Vorsicht ist besser als Friedhof.“ Klaudia Blasl, Autorin

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BILD: SN/BLASL Nicht nur vor diesen Pflanzen wird gewarnt: Eisenhut (l.), Maiglöckch­en (r. o.) und Mohn.
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