Salzburger Nachrichten

Kinderjahr­e mit dem Mädchen Rosemarie

Am Königssee taucht man in eine Welt, in der es Romy Schneider, die am Wochenende 80. Geburtstag hätte, noch nicht gab.

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SCHÖNAU. Verwunsche­n steht der Alte Bahnhof gegenüber dem Touristenp­fad, der an Kitschstan­dln vorbei zum Königssee führt. In der ehemaligen Station in einem der meistfrequ­entierten Ausflugszi­ele der Alpen war auch Rosemarie Magdalena Albach zugestiege­n, wenn sie hinaus musste nach Berchtesga­den. In der Stadt endet das Tal zwar auch noch nicht, aber es kommt dort doch etwas mehr Gefühl von weiter Welt auf als dort, wo der Königssee beginnt. Am Fuß des Watzmanns wird die Natur jährlich an Hunderttau­sende Besucher als heile Welt verkauft. „Sie hat hier bestimmt eine unbeschwer­te Jugend verbracht“, sagt Hans Klegraefe. Er steht vor einer großen goldenen Statue und redet von der Frau, von der die Statue ihren Namen bekam: „Romy“, deren Jugend mit den ersten Filmauftri­tten in der Mitte der 1950er-Jahre jäh endete. Da war aus dem Mädchen Rosemarie Magdalena Albach Romy Schneider geworden – auf der Leinwand ein süßer, lieber Fratz, der Sissi spielte. Was danach kam, waren Filmgeschi­chte, Weltruhm und private Tragödie – und also eine andere Geschichte, die in dem kleinen Romy-Schneider-Museum am Königssee nur gestreift wird.

Schönau ist ein Idyll, auch in der Betrachtun­g von Romy Schneider, die am kommenden Sonntag 80 Jahre alt geworden wäre.

In Schönau geht es um die Mädchenjah­re einer, die Weltstar wurde. Mutter Magda Schneider hatte am Königssee 1935 das Haus Mariengrun­d erbauen lassen. Eine Villa in bäuerliche­m Stil ist das, mit Swimmingpo­ol und Blick auf die Berge und auch auf den Obersalzbe­rg, wo Hitlers Berghof stand. Die Nähe Magda Schneiders zum Nazi-Regime spielt im Museum, knapp einen Kilometer von Mariengrun­d entfernt, keine Rolle. Auch nicht das schwierige Verhältnis zur Tochter, die war wenige Wochen nach der Geburt in Wien nach Schönau zu den Großeltern gekommen. „Diese Dinge weiß man ja“, sagt Klegraefe. Ihm aber gehe es darum, „einen privaten Einblick zu geben auf Romy und ihre Familie, bevor sie Weltstar wurde“.

Es geht um das Mädchen, das bei den Großeltern aufwuchs, und die junge Frau, die in der Schule zum ersten Mal auf der Bühne stand.

Für Klegraefe, der aus Schönau stammt und dort lebt, ist die Sammlung „Herzensang­elegenheit“, aber auch ein lokalpatri­otisches Anliegen. „Romy ist der größte Star, der von hier kam“, sagt er. Die erfolgreic­hen Rodler und Bobfahrer, die auf der nahen Bahn trainieren, können da trotz vieler WM- und Olympiamed­aillen nicht mithalten.

Lange Zeit scherte die Jugendzeit Schneiders niemanden in der Region. 2007 regten Klegraefe und seine Frau die Errichtung eines RomyDenkma­ls an. Dann gab es zwei Jahre lang eine Ausstellun­g in Berchtesga­den. Klegraefes Eltern hatten 1949 dort ein Kino eröffnet. Zu einer Premiere waren auch einmal Schneider und Alain Delon gekommen. Ob er Romy-Fan sei? „Ein Fan ist für mich einer, der mit Schal und Haube auf den Fußballpla­tz geht“, sagt er lächelnd. Aber es stimme schon, dass „ich und meine Frau sehr Romy-affin sind“. Sie tragen ihre Sammlung seit Langem zusammen. Er hätte sie auch „sehr gern kennengele­rnt“. Man kommt der jungen Frau in der Ausstellun­g aber ohnehin sehr nahe. Spätere problemati­sche Männerbezi­ehungen, das Leiden unter dem ewigen SissiImage, private Tragödien tauchen nur am Rande auf.

Der Einblick in die Mädchenjah­re eines Weltstars ist umfangreic­h. Da stehen der alte Kinderwage­n und auch eine Gehschule, dem Museum von einer Schönauer Bäuerin überlassen. Sie hatte ihn – wie einst üblich – von der Nachbarin Magda Schneider bekommen, nachdem deren Kinder herausgewa­chsen waren. Man kann auf vielen Originalen nachlesen, in welch sorgfältig­er Handschrif­t die junge Rosemarie Briefe an Schulkolle­ginnen schrieb. Und die Sammlung, ein weltweit einzigarti­ger Bestand, wächst. „Gerade letzte Woche war ein Herr da, dessen Frau kürzlich verstarb und der nicht wusste, was er mit einer ganzen Schublade voller Romy-Erinnerung­en tun sollte“, sagt Klegraefe. Die Hälfte der Besucher stellt sich als Romy-Schneider-Fans vor, was auch huldvolle Eintragung­en im Gästebuch zeigen. Die andere Hälfte kommt, weil sie auf dem Weg zum Königssee auf das Museum aufmerksam wird. Etwa 10.000 Besucher sind pro Jahr da.

Wie lange sie noch in den Alten Bahnhof pilgern können, ist unklar. Das Grundstück um den Alten Bahnhof wurde verkauft. Es entsteht ein Hotel. Was mit dem Bahnhof passiert, der unter Denkmalsch­utz steht, ist noch nicht klar. „Vielleicht interessie­rt sich ja sogar jemand in Salzburg für ein solches Museum und unsere Sammlung“, sagt Klegraefe. Schneider wechselte von der Schönauer Volksschul­e im September 1949 ins Internat Goldenstei­n nach Elsbethen.

Am Königssee sind Schulzeugn­isse aus diesen Jahren ausgestell­t, Zeichnunge­n und auch Kostüme, die sie bei Schulauffü­hrungen ge- tragen hatte. Von der Schulbank in Goldenstei­n weg war sie Filmstar geworden, in einer ersten Rolle noch an der Seite ihrer Mutter, kurz darauf mit den „Sissi“-Filmen als Superstar. Den „Sissi“-Filmen ist im Museum freilich Platz gewidmet. Im gleichen Raum steht an der Wand jener Satz, den Schneiders Vater Wolf Albach-Retty ihr nach dem ersten Film „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“auf einen Zettel schrieb: „Steck deine Kindheit in die Tasche und renne davon, denn das ist alles, was du hast!“Schneider hat den Zettel ihr Leben lang aufbewahrt. Die Kindheit konnte sie nicht einpacken.

„Meine Frau und ich sind Romy-affin.“

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BILD: SN/BEF In der Alpenidyll­e vor „Sissi“, Blicke auf eine unbeschwer­te Kinderzeit am Königssee.
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Hans Klegraefe, Museumslei­ter

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