Salzburger Nachrichten

Die Fremde unter dem eigenen Dach

Eine Tochter verschwind­et. Ihr Vater stellt fest, wie wenig er sie kannte: „Searching“ist ein Krimi im Social-Media-Format.

- Searching. Krimi, USA 2018. Regie: Aneesh Chaganty. Mit John Cho, Debra Messing. Start: 20. 9.

WIEN. Margot ist ein gutes Kind. Sie nimmt Klavierstu­nden, ist in der Schule brav, hilft daheim mit. Das ist nicht selbstvers­tändlich, denn Margot ist 16 Jahre alt. Zudem haben sie und ihr Papa David (gespielt von John Cho) einen Verlust hinter sich, Margots Mama ist an Krebs gestorben. Doch Margot ist in dem Thriller „Searching“wie gesagt ein gutes Kind, und David vertraut ihr.

Bis sie eines Abends nicht nach Hause kommt. Offenbar war sie auch nicht in der Schule gewesen. David beginnt, in Margots Sachen herumzustö­bern, durchsucht ihren Computer, versucht bei Freunden nachzufrag­en. Und stellt allmählich fest: Diese junge Frau, die unter seinem Dach wohnt und von der er dachte, er kenne sie in- und auswendig – sie ist eine Unbekannte. Es ist ein Gefühl, das Teenagerel­tern nicht fremd sein dürfte: Was lebt dieses einstige Kind für ein geheimes Leben? Ist es in Illegales verwickelt? Ist es womöglich in Gefahr? Regisseur Aneesh Chaganty setzt in seinem Langfilmde­büt viele falsche Fährten: „Searching“ist ein schlank inszeniert­es, schlaues Krimivergn­ügen, das mit zeitgenöss­ischen Mitteln erzählt ist. Chaganty arbeitet mit keiner einzigen konvention­ellen Kameraeins­tellung. Die Leinwand zeigt, was allen Bildschirm­arbeitende­n der Gegenwart sehr vertraut ist: den Computerbi­ldschirm des Vaters, wo anfangs der Desktop zu sehen ist, in Verzeichni­ssen abgelegte Fotos und Videos, die in immer modernerem Format die Geschichte der Familie erzählen wie ein Prolog, und dann auch WhatsApp-Nachrichte­n und andere Social-Media-Kanäle, auf denen der zunehmend verzagte David seine Tochter sucht. Später ist es der Blickwinke­l der Bildschirm­kamera, die eskalieren­den Medienberi­chte im TV-Streaming. Das alles ist radikal zeitgenöss­isch und funktionie­rt blendend, ohne jede Irritation – und passt perfekt in den Rahmen des klassische­n „Whodunnit“-Krimis. Was allerdings vermutlich nicht passieren wird: dass dieser Film „das Kino für immer verändern wird“, wie eine deutsche Kritik vermutet. Der subjektive SecondScre­en-Blickwinke­l ist fantastisc­hes Werkzeug für genau diesen Film, doch die Annahme liegt nahe: Der Trick macht genau ein Mal Spaß. Dafür aber so richtig. Film:

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PICTURES BILD: SN/SONY Er folgt den digitalen Spuren seiner verschwund­enen Tochter: John Cho.

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