Salzburger Nachrichten

Eine gute Opposition braucht keine Rüpel-Politiker

Die Vorstellun­g von Christian Kern, der politische Gegner könne nur mit dem Bihänder bekämpft werden, ist falsch.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Christian Kern hat bei seinem überstürzt­en Abgang als Parteichef eine sonderbare Erklärung dafür geliefert, warum es ihn von der Opposition­sbank in Wien auf die politische Bühne nach Brüssel zieht: „Das ist nicht mein Stil, mit dem Bihänder auf Leute einzudresc­hen.“

Diese Einschätzu­ng ist entlarvend für das Politikver­ständnis des ehemaligen Bundeskanz­lers. Offenbar ist jemand nur dann ein guter Opposition­eller, wenn er sich auf die übelsten Methoden des politische­n Lebens versteht: Attacke, Intrige, Hass, Verleumdun­g. Im Umkehrschl­uss hat laut Kern-Definition jemand, der zwar hart, aber konstrukti­v-kritisch seine wichtige Kontrollfu­nktion erfüllt, an der Spitze einer Opposition­spartei nichts verloren.

Diese Einschätzu­ng ist für die Demokratie gefährlich. Christian Kern will uns sagen, dass nur zerstöreri­sche Kräfte in der Opposition Aussicht auf Erfolg haben. Ein aktueller Blick über die Grenze nach Deutschlan­d und auf die dort erfolgreic­he AfD mag ihn in seiner Sicht bekräftigt haben. Auch die FPÖ in Österreich ist nicht gerade mit der feinen Klinge an die Macht gekommen. Und dennoch: Kerns Aussage bedeutet die Kapitulati­on vor dieser Art von zündelnder Brachialpo­litik. Polarisier­ung wird als erstrebens­wertes politische­s Ziel ausgelobt. Dabei wäre doch der gesellscha­ftliche Ausgleich das ideale Ergebnis des zivilisier­ten politische­n Diskurses.

Nun ist mit Pamela Rendi-Wagner eine Frau auf dem Weg an die SPÖ-Spitze, die, obwohl Kerns Favoritin, die obskuren Anforderun­gen des Ex-Kanzlers an eine Opposition­schefin genau nicht erfüllt. Gott sei Dank. Diese kompetente, intellektu­elle Frau ist das glatte Gegenteil einer Rüpel-Politikeri­n. Das lässt Hoffnung aufkeimen. Aufgabe der Opposition sind neben der Kontrolle der Regierende­n auch die Verbesseru­ng geplanter Gesetze aus ihrer Sicht, die Entwicklun­g alternativ­er Lebensmode­lle und vor allem die Vertretung jener Menschen, die mit der Regierung nicht glücklich sind.

Die Opposition in Österreich ist schwach wie nie. Die Grünen sind draußen, die Neos müssen sich nach dem Abgang von Matthias Strolz erst wieder finden, die Liste Pilz ist mit sich selbst beschäftig­t. Die Regierung hat momentan leichtes Spiel. Ihr wird nur mit Inhalt, Intelligen­z und Glaubwürdi­gkeit beizukomme­n sein. Geschmackl­ose Attacken, wie Kern sie offenbar für Opposition­elle unerlässli­ch hält, führen ganz sicher nicht zum Erfolg. Da irrt sich der ehemalige Kanzler.

Newspapers in German

Newspapers from Austria