Eine gute Opposition braucht keine Rüpel-Politiker
Die Vorstellung von Christian Kern, der politische Gegner könne nur mit dem Bihänder bekämpft werden, ist falsch.
Christian Kern hat bei seinem überstürzten Abgang als Parteichef eine sonderbare Erklärung dafür geliefert, warum es ihn von der Oppositionsbank in Wien auf die politische Bühne nach Brüssel zieht: „Das ist nicht mein Stil, mit dem Bihänder auf Leute einzudreschen.“
Diese Einschätzung ist entlarvend für das Politikverständnis des ehemaligen Bundeskanzlers. Offenbar ist jemand nur dann ein guter Oppositioneller, wenn er sich auf die übelsten Methoden des politischen Lebens versteht: Attacke, Intrige, Hass, Verleumdung. Im Umkehrschluss hat laut Kern-Definition jemand, der zwar hart, aber konstruktiv-kritisch seine wichtige Kontrollfunktion erfüllt, an der Spitze einer Oppositionspartei nichts verloren.
Diese Einschätzung ist für die Demokratie gefährlich. Christian Kern will uns sagen, dass nur zerstörerische Kräfte in der Opposition Aussicht auf Erfolg haben. Ein aktueller Blick über die Grenze nach Deutschland und auf die dort erfolgreiche AfD mag ihn in seiner Sicht bekräftigt haben. Auch die FPÖ in Österreich ist nicht gerade mit der feinen Klinge an die Macht gekommen. Und dennoch: Kerns Aussage bedeutet die Kapitulation vor dieser Art von zündelnder Brachialpolitik. Polarisierung wird als erstrebenswertes politisches Ziel ausgelobt. Dabei wäre doch der gesellschaftliche Ausgleich das ideale Ergebnis des zivilisierten politischen Diskurses.
Nun ist mit Pamela Rendi-Wagner eine Frau auf dem Weg an die SPÖ-Spitze, die, obwohl Kerns Favoritin, die obskuren Anforderungen des Ex-Kanzlers an eine Oppositionschefin genau nicht erfüllt. Gott sei Dank. Diese kompetente, intellektuelle Frau ist das glatte Gegenteil einer Rüpel-Politikerin. Das lässt Hoffnung aufkeimen. Aufgabe der Opposition sind neben der Kontrolle der Regierenden auch die Verbesserung geplanter Gesetze aus ihrer Sicht, die Entwicklung alternativer Lebensmodelle und vor allem die Vertretung jener Menschen, die mit der Regierung nicht glücklich sind.
Die Opposition in Österreich ist schwach wie nie. Die Grünen sind draußen, die Neos müssen sich nach dem Abgang von Matthias Strolz erst wieder finden, die Liste Pilz ist mit sich selbst beschäftigt. Die Regierung hat momentan leichtes Spiel. Ihr wird nur mit Inhalt, Intelligenz und Glaubwürdigkeit beizukommen sein. Geschmacklose Attacken, wie Kern sie offenbar für Oppositionelle unerlässlich hält, führen ganz sicher nicht zum Erfolg. Da irrt sich der ehemalige Kanzler.