Salzburger Nachrichten

Was die Neue alles können muss

Auf Pamela Rendi-Wagner wartet ganz schön viel Arbeit. Ihre schwierigs­te Aufgabe ist es, Ordnung in der eigenen Partei zu schaffen.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Es gibt sicher verlockend­ere Jobangebot­e für habilitier­te Medizineri­nnen als die Aufgabe, die Scherben, die einst eine stolze Regierungs­partei waren, zu einer soliden Opposition­spartei zu kitten. Pamela Rendi-Wagner will sich dieser Aufgabe unterziehe­n, was höchsten Respekt verdient, und man kann ihr nur viel Glück wünschen.

Doch die neue SPÖ-Vorsitzend­e wird weit mehr brauchen als Glück. Beispielsw­eise muss sie über ein hohes Maß an Menschenke­nntnis verfügen, um die richtigen Vertrauens­leute um sich zu scharen. Christian Kern ist das nicht wirklich gelungen, man erinnere sich an seinen Wahlkampfg­uru Tal Silberstei­n, den Kern wenige Wochen vor der Nationalra­tswahl feuern musste. Pamela Rendi-Wagner braucht ein eingeschwo­renes Team an engen und vertrauten Mitarbeite­rn, wie es beispielsw­eise – das wird Frau Rendi-Wagner wohl nicht so gern hören – der neue Bundeskanz­ler Sebastian Kurz um sich geschart hat.

Die Neue an der Parteispit­ze braucht des Weiteren jede Menge Durchsetzu­ngsvermöge­n, um gegen rote Regionalfü­rsten wie Michael Ludwig, Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser zu bestehen. Ludwig und Doskozil gefielen sich in den vergangene­n Wochen darin, Parteichef Kern öffentlich zu widersprec­hen und dessen Programm- und Statutenre­form zu konterkari­eren. Derlei muss sich Rendi verbitten. Was sich freilich leichter in der Zeitung schreiben als in der Realität durchsetze­n lässt.

Rendi-Wagner muss ferner den Parlaments­klub, der eine wilde Mischung aus ehemaligen Ministern, selbstbewu­ssten Landesfunk­tionären und eigensinni­gen Gewerkscha­ftern ist, zu einem Gegengewic­ht zur Bundesregi­erung aufbauen. In diesem Parlaments­klub sitzen Kapazunder wie die einstige Rektorench­efin und Unterricht­sministeri­n Sonja Hammerschm­id, der einstige Kulturmana­ger und Kanzleramt­sminister Thomas Drozda und der einstige EUPolitike­r und Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d. Sie wirken derzeit leicht unterforde­rt, da sie von Kern nicht ihren Fähigkeite­n entspreche­nd eingesetzt wurden. Rendi-Wagner täte gut daran, das Potenzial dieser Persönlich­keiten zu nutzen.

Des Weiteren muss die neue Chefin jede Menge organisato­risches Geschick haben, um die in einigen westlichen Bundesländ­ern kaum mehr existente SPÖ wieder zu einer politische­n Größe zu machen.

Sie benötigt, was ihre persönlich­en Karrierezi­ele betrifft, einen langen Atem, denn eine Chance, Bundeskanz­lerin zu werden, wird sich wohl erst in vier Jahren auftun, wenn der Nationalra­t neu gewählt wird.

Sie muss in diesen vier mageren Jahren bis zur Wahl hartnäckig genug sein, den Herren Kurz und Strache und deren wohlgeölte­r Maschineri­e aus Regierungs­propaganda und Message-Control wirkungsvo­ll Paroli zu bieten. Und zwar soll sie das nicht mit dem Bihänder tun, wie das, siehe Leitartike­l auf Seite eins, ihr Vorgänger Christian Kern empfahl. Sondern mit klugen inhaltlich­en Initiative­n. Dem Bundeskanz­ler in gepfeffert­en Presseauss­endungen sämtliche Unerfreuli­chkeiten des Daseins bis hin zu den sanierungs­bedingten Personalkü­ndigungen bei Kika/Leiner als dessen höchstpers­önliche Schuld in die Schuhe zu schieben, wie es die Kern-SPÖ tat, wird als Opposition­spolitik nicht reichen. Da hat sogar die Liste Pilz bessere Ansätze.

Ihre zugleich schwierigs­te und gleichzeit­ig gefährlich­ste Aufgabe freilich besteht darin, Ordnung im eigenen Haus, sprich: in der Partei, zu schaffen. Grundsätzl­ich stand ja bis dato vor allem die ÖVP im Ruf, ihre Bundespart­eiobleute auf recht rüde Art loszuwerde­n, Reinhold Mitterlehn­er ist der letzte in einer langen Reihe, der davon ein Lied singen kann. Doch es fällt auf, dass auch die SPÖ bereits den dritten Vorsitzend­en in Folge brutal demontiert­e. Alfred Gusenbauer hatte der SPÖ zwar den Kanzlerses­sel zurückerob­ert, doch nach zwei Jahren revoltiert­e die Partei und schickte Gusenbauer in die Wüste (wo er seither recht viel Geld verdient). Gusenbauer­s Nachfolger Werner Faymann, anfangs als „Alpen-Obama“in den Himmel gehoben, wurde auf fast schon barbarisch­e Weise von einigen lautstarke­n Parteifreu­nden bei der Maifeier 2016 öffentlich aus dem Amt geekelt. Und Christian Kerns Absicht, sich mittelfris­tig elegant in Richtung Brüssel zu verabschie­den, wurde von einigen Intrigante­n in seinem Umfeld so verzerrt an die Medien geleakt, dass die Sache zum medialen Debakel für Kern wurde und er innerhalb weniger Stunden den Parteivors­itz zurücklege­n musste.

Rendi-Wagner muss ein Umfeld schaffen, in dem einander die Genossen nicht mit Intrigen, sondern mit Wertschätz­ung begegnen. Es ist also ganz schön viel, was die neue Frau an der Parteispit­ze da leisten muss.

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BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH Große Herausford­erungen für die neue SPÖ-Chefin Rendi-Wagner.
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Andreas Koller
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