Was die Neue alles können muss
Auf Pamela Rendi-Wagner wartet ganz schön viel Arbeit. Ihre schwierigste Aufgabe ist es, Ordnung in der eigenen Partei zu schaffen.
Es gibt sicher verlockendere Jobangebote für habilitierte Medizinerinnen als die Aufgabe, die Scherben, die einst eine stolze Regierungspartei waren, zu einer soliden Oppositionspartei zu kitten. Pamela Rendi-Wagner will sich dieser Aufgabe unterziehen, was höchsten Respekt verdient, und man kann ihr nur viel Glück wünschen.
Doch die neue SPÖ-Vorsitzende wird weit mehr brauchen als Glück. Beispielsweise muss sie über ein hohes Maß an Menschenkenntnis verfügen, um die richtigen Vertrauensleute um sich zu scharen. Christian Kern ist das nicht wirklich gelungen, man erinnere sich an seinen Wahlkampfguru Tal Silberstein, den Kern wenige Wochen vor der Nationalratswahl feuern musste. Pamela Rendi-Wagner braucht ein eingeschworenes Team an engen und vertrauten Mitarbeitern, wie es beispielsweise – das wird Frau Rendi-Wagner wohl nicht so gern hören – der neue Bundeskanzler Sebastian Kurz um sich geschart hat.
Die Neue an der Parteispitze braucht des Weiteren jede Menge Durchsetzungsvermögen, um gegen rote Regionalfürsten wie Michael Ludwig, Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser zu bestehen. Ludwig und Doskozil gefielen sich in den vergangenen Wochen darin, Parteichef Kern öffentlich zu widersprechen und dessen Programm- und Statutenreform zu konterkarieren. Derlei muss sich Rendi verbitten. Was sich freilich leichter in der Zeitung schreiben als in der Realität durchsetzen lässt.
Rendi-Wagner muss ferner den Parlamentsklub, der eine wilde Mischung aus ehemaligen Ministern, selbstbewussten Landesfunktionären und eigensinnigen Gewerkschaftern ist, zu einem Gegengewicht zur Bundesregierung aufbauen. In diesem Parlamentsklub sitzen Kapazunder wie die einstige Rektorenchefin und Unterrichtsministerin Sonja Hammerschmid, der einstige Kulturmanager und Kanzleramtsminister Thomas Drozda und der einstige EUPolitiker und Infrastrukturminister Jörg Leichtfried. Sie wirken derzeit leicht unterfordert, da sie von Kern nicht ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt wurden. Rendi-Wagner täte gut daran, das Potenzial dieser Persönlichkeiten zu nutzen.
Des Weiteren muss die neue Chefin jede Menge organisatorisches Geschick haben, um die in einigen westlichen Bundesländern kaum mehr existente SPÖ wieder zu einer politischen Größe zu machen.
Sie benötigt, was ihre persönlichen Karriereziele betrifft, einen langen Atem, denn eine Chance, Bundeskanzlerin zu werden, wird sich wohl erst in vier Jahren auftun, wenn der Nationalrat neu gewählt wird.
Sie muss in diesen vier mageren Jahren bis zur Wahl hartnäckig genug sein, den Herren Kurz und Strache und deren wohlgeölter Maschinerie aus Regierungspropaganda und Message-Control wirkungsvoll Paroli zu bieten. Und zwar soll sie das nicht mit dem Bihänder tun, wie das, siehe Leitartikel auf Seite eins, ihr Vorgänger Christian Kern empfahl. Sondern mit klugen inhaltlichen Initiativen. Dem Bundeskanzler in gepfefferten Presseaussendungen sämtliche Unerfreulichkeiten des Daseins bis hin zu den sanierungsbedingten Personalkündigungen bei Kika/Leiner als dessen höchstpersönliche Schuld in die Schuhe zu schieben, wie es die Kern-SPÖ tat, wird als Oppositionspolitik nicht reichen. Da hat sogar die Liste Pilz bessere Ansätze.
Ihre zugleich schwierigste und gleichzeitig gefährlichste Aufgabe freilich besteht darin, Ordnung im eigenen Haus, sprich: in der Partei, zu schaffen. Grundsätzlich stand ja bis dato vor allem die ÖVP im Ruf, ihre Bundesparteiobleute auf recht rüde Art loszuwerden, Reinhold Mitterlehner ist der letzte in einer langen Reihe, der davon ein Lied singen kann. Doch es fällt auf, dass auch die SPÖ bereits den dritten Vorsitzenden in Folge brutal demontierte. Alfred Gusenbauer hatte der SPÖ zwar den Kanzlersessel zurückerobert, doch nach zwei Jahren revoltierte die Partei und schickte Gusenbauer in die Wüste (wo er seither recht viel Geld verdient). Gusenbauers Nachfolger Werner Faymann, anfangs als „Alpen-Obama“in den Himmel gehoben, wurde auf fast schon barbarische Weise von einigen lautstarken Parteifreunden bei der Maifeier 2016 öffentlich aus dem Amt geekelt. Und Christian Kerns Absicht, sich mittelfristig elegant in Richtung Brüssel zu verabschieden, wurde von einigen Intriganten in seinem Umfeld so verzerrt an die Medien geleakt, dass die Sache zum medialen Debakel für Kern wurde und er innerhalb weniger Stunden den Parteivorsitz zurücklegen musste.
Rendi-Wagner muss ein Umfeld schaffen, in dem einander die Genossen nicht mit Intrigen, sondern mit Wertschätzung begegnen. Es ist also ganz schön viel, was die neue Frau an der Parteispitze da leisten muss.