Labour scheitert an der Aufgabe
Die Opposition könnte das dringend nötige Gegengewicht sein.
Was immer jemand vom Brexit halten mag: Um seine Regierung ist das Königreich genauso wenig zu beneiden wie um seine Opposition.
In Salzburg hat Premierministerin Theresa May beim informellen EU-Gipfel ein Debakel erlebt, das zu Teilen ihrem undiplomatischen Auftreten geschuldet war. Dann holte sie zum Gegenschlag aus, forderte von der EU Respekt und wird seitdem von der konservativen Presse auf der Insel gefeiert – das stolze Großbritannien lässt sich nicht von der EU herumschubsen, so der Tenor, der wie üblich über das Ziel hinausschießt und auch nur die halbe Wahrheit berücksichtigt. Dass abermals keine Fortschritte in den Brexit-Verhandlungen vorzuweisen sind, geht derweil im Getöse unter.
Das Problem bleibt: Statt an pragmatischen Lösungen zu arbeiten, ist May getrieben von den Ideologen in ihrer Partei, die mit ihrer obsessiven Abneigung gegen die EU das Land im Würgegriff halten.
Es sollten die oppositionellen Sozialdemokraten sein, die in dieser verzwickten Situation für ein Gegengewicht sorgen. Nur: Labour unter Jeremy Corbyn ist zu sehr mit sich und ideologischen Kämpfen beschäftigt. Corbyn lebt in seiner eigenen Welt, in der Kritiker, auch aus der eigenen Partei, kaum gehört werden.
Bislang hat Corbyn, ein lebenslanger EUSkeptiker, den in wenigen Monaten anstehenden Austritt aus der Gemeinschaft kaum erwähnt. Und wenn, griff er zu leeren Worthülsen. Ein neues Referendum hat er bislang ausgeschlossen, Neuwahlen nicht – obwohl niemand weiß, was das eine oder das andere bringen sollen. Nun erklärt er plötzlich, sich ein zweites Brexit-Votum vorstellen zu können. Eine klare Linie sieht anders aus.
Die Opposition versagt bei der bedeutendsten Herausforderung dieser Generation. Ob Brexit oder Neuwahl – Labour und Tories sind intern ähnlich zerstritten über Europa. Dabei könnte Labour eine echte Alternative bieten. Tut die Partei aber nicht – und das dürfte sich unter Jeremy Corbyn zum Leidwesen der mittlerweile großen Zahl politisch Heimatloser auch nicht ändern.