„Wo wir sind, sind wir nicht weit“
In der Salzburger ARGEkultur sind Hymnen ohne Nationalstolz zu hören.
Wer weiß, vielleicht wird sich irgendwann ein Komponist mit Polizei-Übergriffen gegen friedliche Demonstranten beschäftigen oder eine Oper handelt von der Schließung der Balkanroute. Vorerst aber beschäftigen sich Textdichter unserer Zeit mit der Problematik von digitalen Passwörtern oder dem Scheinleben in den sozialen Medien.
Die diesjährige stART-Produktion der Salzburger ARGEkultur dreht sich um Hymnen des 21. Jahrhunderts. Zum Mitgrölen beim Länderspiel würde sich eher keines der 18 Werke anbieten, die am Freitagabend uraufgeführt wurden. Neun Autoren und neun Komponisten erarbeiteten gemeinsam jeweils eine Hymne und ein Klavierlied – zwei Genres, die in der Neuen Musik eigentlich keine allzu große Rolle spielen. Gerade in einer Phase allgemein grassierender Nationalismen will man damit ein Zeichen des Miteinander setzen: zwischenstaatliche Hymnen statt Stolz, Ruhm und Ehre.
Eine „Hymne an das fremde Nahe“fertigt etwa Elke Laszia an, vom Komponisten Josef Ramsauer mit Affinität zu raffinierter Mehrstimmigkeit vertont. Eine hintergründig humoristische Fanfare an Europa gelingt bereits zu Beginn Alexandra Pazgu und Shane Woodbourne. Yamen Hussein und Amr Okba erweitern das Format zu einer größeren Szene, die den Sprechchor einer einsamen Klarinettenmelodie gegenüberstellt.
Viele Texte zwingen die hervorragenden Sänger zu kabarettreifer Performance, während kompositorisch ein oftmals auffallend milder Ton angeschlagen wird. In diesem Kontext wirkt der Trash, den Marco Döttlingers KMIDI-Sounds aus dem Billig-Keyboard verkörpern, als radikales Element – vor allem im Verbund mit dem lakonischen Witz von Marko Dinic. „Dieses Lied war eine Auftragsarbeit“, heißt es hier zuletzt vielsagend.
Das oenm nähert sich den unterschiedlichen kompositorischen Zugängen mit höchster Ernsthaftigkeit an. Pianistin Nora Skuta ist als Liedbegleiterin im Dauereinsatz. Das vielleicht österreichischste Klangbild gelingt Alexander Bauer, der die zarte Poesie der Salzburger Autorin Birgit Birnbacher auf alpines Blech bettet. „Wo wir sind, sind wir nicht weit“: Die Schlusszeile von Birnbachers Hymnentext besitzt bleibenden Wert. Festival: