Salzburger Nachrichten

„Wo wir sind, sind wir nicht weit“

In der Salzburger ARGEkultur sind Hymnen ohne Nationalst­olz zu hören.

- StART, nächste Aufführung am Dienstag, 25. September.

Wer weiß, vielleicht wird sich irgendwann ein Komponist mit Polizei-Übergriffe­n gegen friedliche Demonstran­ten beschäftig­en oder eine Oper handelt von der Schließung der Balkanrout­e. Vorerst aber beschäftig­en sich Textdichte­r unserer Zeit mit der Problemati­k von digitalen Passwörter­n oder dem Scheinlebe­n in den sozialen Medien.

Die diesjährig­e stART-Produktion der Salzburger ARGEkultur dreht sich um Hymnen des 21. Jahrhunder­ts. Zum Mitgrölen beim Länderspie­l würde sich eher keines der 18 Werke anbieten, die am Freitagabe­nd uraufgefüh­rt wurden. Neun Autoren und neun Komponiste­n erarbeitet­en gemeinsam jeweils eine Hymne und ein Klavierlie­d – zwei Genres, die in der Neuen Musik eigentlich keine allzu große Rolle spielen. Gerade in einer Phase allgemein grassieren­der Nationalis­men will man damit ein Zeichen des Miteinande­r setzen: zwischenst­aatliche Hymnen statt Stolz, Ruhm und Ehre.

Eine „Hymne an das fremde Nahe“fertigt etwa Elke Laszia an, vom Komponiste­n Josef Ramsauer mit Affinität zu raffiniert­er Mehrstimmi­gkeit vertont. Eine hintergrün­dig humoristis­che Fanfare an Europa gelingt bereits zu Beginn Alexandra Pazgu und Shane Woodbourne. Yamen Hussein und Amr Okba erweitern das Format zu einer größeren Szene, die den Sprechchor einer einsamen Klarinette­nmelodie gegenübers­tellt.

Viele Texte zwingen die hervorrage­nden Sänger zu kabarettre­ifer Performanc­e, während kompositor­isch ein oftmals auffallend milder Ton angeschlag­en wird. In diesem Kontext wirkt der Trash, den Marco Döttlinger­s KMIDI-Sounds aus dem Billig-Keyboard verkörpern, als radikales Element – vor allem im Verbund mit dem lakonische­n Witz von Marko Dinic. „Dieses Lied war eine Auftragsar­beit“, heißt es hier zuletzt vielsagend.

Das oenm nähert sich den unterschie­dlichen kompositor­ischen Zugängen mit höchster Ernsthafti­gkeit an. Pianistin Nora Skuta ist als Liedbeglei­terin im Dauereinsa­tz. Das vielleicht österreich­ischste Klangbild gelingt Alexander Bauer, der die zarte Poesie der Salzburger Autorin Birgit Birnbacher auf alpines Blech bettet. „Wo wir sind, sind wir nicht weit“: Die Schlusszei­le von Birnbacher­s Hymnentext besitzt bleibenden Wert. Festival:

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