Lachgas wird für das Klima kaum beachtet
Lachgas ist klimawirksamer als Kohlendioxid. Es entsteht in der Landwirtschaft und beim Trockenlegen von Sümpfen und Mooren.
Klimagase haben die Eigenschaft, infrarote Wärmestrahlung, die von der Erde in Richtung Weltall zurückgeschickt wird, zu absorbieren. Also daran zu hindern, die Erdatmosphäre zu verlassen. Hier liegt die Ursache für den Treibhauseffekt, der uns die globale Erwärmung beschert. Denn je mehr Klimagase durch Autos, Flugzeuge, Kraftwerke oder Regenwaldabholzung in die Atmosphäre gelangen, desto weniger Wärmestrahlung kann ins All entweichen. Jedoch ist bei Klimagasen meist nur vom Kohlendioxid die Rede.
CO2 – ein Kohlenstoffatom, zwei Sauerstoffatome: Dieses Kürzel steht für den menschengemachten Klimawandel und all seine Nebenwirkungen wie Extremwetterereignisse und Meeresspiegelanstieg. Seltener geht es bei den klimapolitischen Diskussionen um Distickstoffmonoxid, chemisch N2O abgekürzt. Dabei entfaltet Distickstoffmonoxid, besser bekannt als Lachgas, eine viel stärkere Klimawirksamkeit als Kohlendioxid. Klaus Butterbach-Bahl, Spezialist für biogeochemische Prozesse am Institut für Meteorologie und Klimaforschung in GarmischPartenkirchen: „Die Fähigkeit einer Substanz, Strahlung im Infrarotbereich zu absorbieren, hängt mit ihren molekularen Eigenschaften zusammen. Die bestimmen, in welchem Wellenlängenbereich die Absorption auftritt. Die Klimawirksamkeit des Klimagases hängt am Ende davon ab, wie wichtig diese Absorptionsbande für den Strahlungshaushalt der Erde ist.“Das wird anhand des Treibhauspotenzials (Global Warming Potential) beziffert. Es zeigt an, wie sehr ein Gas in einem Zeitraum von 100 Jahren zum Treibhauseffekt beiträgt, und zwar in Relation zur Wirkung von Kohlendioxid. CO2 als Ausgangspunkt der Berechnung hat das Potenzial 1, Methan (CH4) kommt auf den Wert 21 – und Lachgas erreicht den Wert 270. Es ist also 270 Mal klimawirksamer als CO2.
Das heißt nicht, dass Lachgas am meisten zur globalen Erwärmung beiträgt. Der momentane Anteil betrage etwa sechs Prozent, da die N2O-Konzentration in der Atmosphäre etwa um den Faktor 1000 kleiner sei als die von CO2, sagt Butterbach-Bahl. Das könnte sich ändern. Das liegt zum einen an der Landwirtschaft, die durch künstliche Düngung der Böden enorme Lachgasemissionen verursacht. Und dann gibt es noch ein zweites Problem, das ist die Trockenlegung von Feuchtgebieten wie Sümpfen und Mooren. Denn Feuchtgebiete lassen sich landwirtschaftlich nicht nutzen, darum werden sie drainiert.
Dadurch gelangen erhebliche Mengen Lachgas aus den Böden in die Atmosphäre, so das Ergebnis einer internationalen Studie, die Butterbach-Bahl zusammen mit 35 Kollegen durchführte. Die Forscher untersuchten insgesamt 58 LachgasHotspots in England, Frankreich, Estland, Russland, Australien, Neuseeland, den USA, Kanada, Mexiko, Brasilien, Malaysia, Myanmar, Uganda. Die Emissionsraten der Feuchtgebiete in Uganda und in den südostasiatischen Ländern waren besonders hoch. Butterbach-Bahl war bei der Studie, die im März 2018 im Fachblatt „Nature“publiziert wurde, an der Datenauswertung und Analyse beteiligt.
Was in den Sümpfen und Mooren bei und nach der Trockenlegung passiert, beschreibt er so: „Die Böden von Feuchtgebieten haben sehr viel organischen Stickstoff gespeichert, also Stickstoff in Verbindungen mit Kohlenstoff. Durch die Drainierung werden sie belüftet, was mikrobielle Abbauprozesse der organischen Stickstoffverbindungen in Gang setzt. Als Beiprodukt entsteht Lachgas. Es wird sozusagen frisch produziert und entweicht bei zu hoher Konzentration aus den Böden in die Atmosphäre.“
Die künstliche Trockenlegung von Feuchtgebieten werde zur Hauptursache für Lachgasemissionen aus organischen Böden werden, so das Fazit der Studie. ButterbachBahl schließt daraus, dass Feuchtgebiete nicht mehr trockengelegt werden sollten. „Aber das passiert nach wie vor, besonders in den Tropen und Subtropen, um dort landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen.“Oft setze man dort Palmölplantagen auf die trockengelegten Feuchtgebiete.
Zweiter Ansatzpunkt zur Rettung der Sümpfe und Moore: „Wir sollten prüfen, ob sich in Gebieten mit organischen Böden, die früher Feuchtgebiete gewesen sind, durch Wiedervernässung die ursprüngliche Funktion der Feuchtgebiete als Speicher für organische Stickstoffund Kohlenstoffverbindungen wiederherstellen lässt.“Lachgas ist für Butterbach-Bahl ein „in der Öffentlichkeit vernachlässigtes Klimagas“. Und das, obwohl sich seine Schädlichkeit nicht allein auf das Treibhauspotenzial mit dem Wert 270 beschränkt. Inzwischen trägt N2O auch mehr als jedes andere Schadgas zum Abbau der stratosphärischen Ozonschicht bei.
„Oft setzt man Palmölplantagen auf die einstigen Feuchtgebiete.“ Klaus Butterbach-Bahl, Klimaforscher