Salzburger Nachrichten

„Kein Direktor aus Wien fährt in den Lungau“

Der Umbau der Krankenkas­sen schlägt Wellen. GKK-Obmann Andreas Huss fürchtet einen Kahlschlag für Salzburger Patienten.

- ANTON PRLIĆ

Seit der Vorstellun­g des Gesetzesen­twurfs rauchen auch bei der Salzburger Gebietskra­nkenkasse (SGKK) die Köpfe. Klar ist: Hinter den Kulissen wird sich vieles ändern. Was das Gesetz für Salzburg bedeutet, erklärt SGKK-Obmann Andreas Huss.

SN: Die Krankenkas­senreform ist ja vor allem eine Strukturre­form. Das heißt, die Patienten werden vorerst nicht viel spüren, oder? Andreas Huss: Im Gegenteil. Es wird für die Salzburger weniger Geld geben. Künftig werden jene Einnahmen, die nicht aus Beiträgen kommen, nach Wien gehen. Und das sind auch 128 Millionen Euro, etwa durch Verwaltung­skosteners­ätze, Rezeptgebü­hren oder Verzugszin­sen. Es wird also in Salzburg massiv Geld fehlen.

SN: Geld für Verwaltung­skosten ist ja ohnehin nicht für die Patienten da. Und die Verwaltung­skosten sollen sich ja reduzieren. Um eine Milliarde, gell. (lacht) Nein, ernsthaft: Die Kosten für

die Verwaltung bleiben uns ja, weil wir ja weiterhin Beiträge für die Pensionsve­rsicherung oder die Arbeiterka­mmer einheben. Nur das Geld wird uns fehlen. Und eine Zusammenle­gung wird ja auch Geld kosten. Das hat ja auch die Zusammenle­gung von PVArb und PVAng gezeigt. Das war 2003. Und die Verwaltung­skosten sind bis heute kaum günstiger.

SN: Sie rechnen also damit, dass die Verwaltung­skosten steigen und die Kostenersä­tze dafür weg sind? Das Geld ist auf jeden Fall weg. Und die Funktionär­smilliarde, die laut der Regierung eingespart werden kann, die gibt es nicht. Wenn die 21 Generaldir­ektoren künftig Außenstell­enleiter heißen, dann habe ich auch nichts gespart. Langfristi­g kann natürlich etwas eingespart werden, wenn Personal abgebaut wird.

SN: Fürchten Mitarbeite­r in Salzburg um ihre Jobs? 30 Prozent des Personals soll abgebaut werden, aber Beschäftig­te haben eine Jobgaranti­e. Es werden natürliche Abgänge nicht nachbesetz­t. Wenn ich die viel zitierte Milliarde auf Salzburg herunterre­chne: Da müssten wir in Salzburg 70 Millionen einsparen. Und wir haben Verwaltung­skosten von 20 Millionen. Das wird verdammt schwierig.

SN: Ob es jetzt Einsparung­en

gibt, sei dahingeste­llt. Aber wir hatten gerade eine Harmonisie­rung aller Kassenleis­tungen. Ist eine Zusammenle­gung da nicht ein logischer Schritt? Aber so kommt es eben nicht. Mein Ansatz war immer: Machen wir doch eine Art Konzernzen­trale mit dem Hauptverba­nd, den es ja jetzt schon gibt. Der gibt Richtlinie­n für die neun Landesstel­len aus. Und wie das dann umgesetzt wird, wird regional unterschie­dlich entschiede­n. Weil die Gesundheit­skosten ja auch regional unterschie­dlich sind. Eine ärztliche Leistung in Wien ist billiger als im Lungau, weil sie im Lungau schwerer zu bekommen ist.

SN: Aber künftig wird ja jetzt alles zentral geregelt, so wie Sie sich das wünschen. Nein, denn wenn die neue Österreich­ische Gesundheit­skasse mit der Österreich­ischen Ärztekamme­r (ÖGK) einen Vertrag abschließt, dann heißt das noch lange nicht, dass die Salzburger Ärztekamme­r dem zustimmt. Und wenn der Vertrag schlechter ist als der alte, werden die Ärzte nicht zustimmen. So einfach ist das alles nicht.

SN: Trotzdem: Was die Harmonisie­rung betrifft, ist

die Zentralisi­erung nicht ein Schritt nach vorn? Also die Leistungsh­armonisier­ung haben wir soeben abgeschlos­sen. Und zwar mit allen Krankenkas­sen, auch jenen der Beamten und Selbststän­digen. Und von denen redet die Regierung überhaupt nicht mehr. Die können künftig Leistungen anbieten Ende nie.

SN: Gleiche Leistungen für alle Versichert­en. Davon kommen wir wieder weg? Das ist ein ganz zentraler Punkt für mich. Künftig wird das so sein, dass die Patienten der neuen ÖGK die schlechten Leistungen haben. Diese Kasse hat ja automatisc­h weniger Geld, weil sie auch Arbeitslos­e, Mindestsic­herungsbez­ieher und Flüchtling­e versichert. Und die Versicheru­ng der Selbststän­digen und die Versicheru­ng der Beamten, die können weiterhin ihre höheren Selbstbeha­lte haben, dadurch haben sie mehr Geld und können bessere Leistungen anbieten.

SN: Sprechen wir noch einmal über die Unterschie­de der einzelnen Kassen. Salzburgs GKK hat ein überdurchs­chnittlich hohes Vermögen von mehr als 200 Millionen. Wo ist da die Solidaritä­t,

wenn Salzburg Geld anhäuft und andere zu wenig haben?

Sie haben ja gerade selbst gesagt, die Leistungsh­armonisier­ung ist wichtig. Natürlich könnten wir mit dem Geld mehr Leistungen anbieten. Das würde ich sofort machen. Dann hat Salzburg wieder mehr und andere Leistungen als andere Gebietskra­nkenkassen. Was will man jetzt? Einheitlic­he Leistungen oder das Geld, das da ist, wieder zurückgebe­n?

SN: Trotzdem: Gerecht wäre doch eine einheitlic­he Kasse für alle und nicht viele kleine mit unterschie­dlich viel Geld.

Das ist ein Kritikpunk­t. Natürlich ist ein Gegenmodel­l für das, was jetzt gekommen ist, eine einheitlic­he Länderkass­e. Es wäre wesentlich solidarisc­her und besser, wenn es in jedem Bundesland nur einen Krankenver­sicherungs­träger für alle geben würde. Auch für Unternehme­r und Beamte.

SN: Schon wieder: Warum brauche ich das in jedem Bundesland? Warum kann ich die Dinge nicht zentral regeln?

Natürlich kann ich das. Das Problem ist nur: Mit diesem Modell, das jetzt kommt, haben wir in Salzburg gar nichts mehr zu entscheide­n. Wenn ich das Sozialvers­icherungss­ystem

auf der grünen Wiese neu bauen könnte, würde ich es nicht so bauen, wie es jetzt da ist. Das ist vollkommen klar. Ich würde es so bauen, dass es eine Konzernzen­trale gibt. Aber die Umsetzung, die Ausgestalt­ung, dass muss regional passieren. Wir hatten etwa jetzt das Problem, eine Psychother­apeutenste­lle im Lungau zu besetzen. Da musst du hineinfahr­en, mit den Kandidaten sprechen und ihnen das schmackhaf­t machen. Glauben Sie ernsthaft, dass künftig ein Generaldir­ektor aus Wien in den Lungau fahren wird, um das zu machen?

SN: Wie geht es eigentlich persönlich mit Ihnen weiter? SGKK-Obmann wird es ja auch keinen mehr geben.

Es gibt künftig einen Landesstel­lenausschu­ss, der mit fünf Dienstnehm­er- und mit fünf Dienstgebe­rvertreter­n besetzt ist. Da werde ich möglicherw­eise noch dabei sein. Ich muss mir aber auch selbst überlegen, ob ich das überhaupt noch will. Ich mache Gesundheit­spolitik gern, wenn ich auch weiterhin die Möglichkei­t habe, gestaltend tätig zu sein. Aber etwas umzusetzen, wo ich sage, das widerstreb­t mir: Das werde ich mit Sicherheit nicht machen.

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BILD: SN/APA/BARBARA GINDL SGKK-Obmann Andreas Huss.
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