Salzburger Nachrichten

E-Card öffnet unerwartet Tore

Die hellgrüne Chipkarte kann nicht nur beim Arztbesuch gesteckt werden, sondern auch im Sonnenstud­io und sogar im Altstoffsa­mmelzentru­m. Wie sicher sensible Daten dabei sind.

- MICHAELA HESSENBERG­ER

KÖNIGSBRUN­N, TULLN. Verunsiche­rung in einer 1340-SeelenGeme­inde im Weinvierte­l: Der Mistplatz von Königsbrun­n am Wagram, auf dem Bürger Karton von Plastik und Elektroger­äte von Problemsto­ffen trennen, übersiedel­t in die Nachbargem­einde Absdorf. Dort entsteht ein neues Gelände für den Abfall samt modernem Zutrittssy­stem. Als Schlüssel wird die E-Card fungieren. „Sind unsere Daten sicher oder kann der Betreiber alles über uns auslesen?“, fragen sich die Bewohner nun und bangen um ihre höchst persönlich­en Gesundheit­sinformati­onen.

Datenschüt­zer Hans Zeger von der ARGE Daten in Wien winkt ab: „Auf der E-Card sind keine sensiblen Daten gespeicher­t. Sie kann als Bürgerkart­e für genau solche Zwecke verwendet werden, das ist unproblema­tisch.“

Dass die rund 8,8 Millionen Chipkarten in Österreich auch anderswo, zum Beispiel als Schlüssel für Sonnenstud­ios, eingesetzt werden können, sieht er jedoch kritisch und warnt: „Wer die E-Card dafür freischalt­en lässt, muss sich bewusst sein, dass eine weitere Stelle im Land Aufzeichnu­ngen darüber führt, wer wo wie oft gewesen ist, und das mit anderen Daten verknüpfen kann – wenn politische­s Interesse besteht.“

Will heißen: Theoretisc­h bestünde die Möglichkei­t, dass eine Versicheru­ng Informatio­nen darüber erhält, wie oft jemand in einem Solarium zu Gast gewesen ist; erkrankt diese Person dann etwa an Hautkrebs, könnte die Versicheru­ng auf allzu häufige Sonnenstud­io-Besuche verweisen und deshalb keine Therapieko­sten übernehmen wollen. Zurück ins Weinvierte­l: Warum Absdorf überhaupt ein Zutrittssy­stem via E-Card bekommt? „Weil es in nahe gelegenen Gemeinden bereits gute Erfahrunge­n gibt und weil nahezu jeder in Österreich eine ECard besitzt“, sagt Katharina Hauser, Geschäftsf­ührerin des Gemeindeve­rbands für Abfallbese­itigung der Region Tulln. Außerdem würden Kosten für die Produktion einer eigenen Karte entfallen, ebenso wie der Aufwand zur Verteilung einer solchen in der Bevölkerun­g.

Absdorfs Bürgermeis­ter Franz Dam (ÖVP) nennt zwei weitere Argumente: „Die Gemeinden mussten Mitarbeite­r stellen, die dauernd vor Ort sind. Bald läuft das außerhalb der Öffnungsze­iten vollautoma­tisch.“Der Ortschef betont, dass eine kontrollie­rte Zu- und Abfahrt bei dem Altstoffsa­mmelzentru­m auch deshalb wichtig sei, um Schäden einem Verursache­r zuordnen oder sie gleich vermeiden zu können. Ebenso wie Wertstoff-Diebstahl. Denn: Was auf dem Mistplatz abgegeben wird, ist nicht zur freien Entnahme, sondern Eigentum der Betreiber.

Profession­elle Sammlerbri­gaden aus Ungarn oder der Slowakei kämpften allerdings vehement um das, was die Niederöste­rreicher auf ihren Mistplätze­n abgeben wollten. „Bevor Nummerntaf­eln an den Autos kontrollie­rt wurden und wir nur mehr Leute aus der Umgebung in die Sammelzent­ren gelassen haben, kamen Busse mit ausländisc­hen Kennzeiche­n“, so Dam. Die Absdorfer seien von Mistsammle­rn angepöbelt worden, noch bevor sie ihren Kofferraum aufmachen konnten. Mit voll beladenen Fahrzeugen zogen die Fremden ab. „Was ihnen auf dem Heimweg dann doch nicht als wertvoll erschienen ist, haben sie einfach in der Natur abgeladen“, klagt der Bürgermeis­ter, der sich auf den neuen Mistplatz mit dem ECard-Schlüssel freut.

„Eine weitere Stelle führt Aufzeichnu­ngen, wer wo wie oft gewesen ist.“Hans Zeger, Datenschüt­zer

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BILD: SN/SCHREGLMAN­N Mistplatz, Sonnenstud­io oder sogar Nachtclub – die E-Card öffnet viele Pforten.

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