Salzburger Nachrichten

„Kein öffentlich­es Geld für TV-Kommerz“

Puls-4-Chef Markus Breiteneck­er schlägt vor, dem ORF Werbeeinna­hmen zu nehmen. Um sich damit gegen andere Konkurrent­en zu wehren.

- RALF HILLEBRAND

Markus Breiteneck­er steht für Privat-TV wie kaum ein anderer: Seit rund 20 Jahren ist Breiteneck­er Geschäftsf­ührer des Österreich-Arms der ProSieben/Sat.1.-Gruppe, zu dem auch ATV und Puls 4 gehören. Im SN-Interview wehrt sich der Wiener (49) dagegen, dass seine Sender keine österreich­ischen sind. Er nennt Gründe, wieso Privatsend­er die Fußball-Bundesliga übertragen sollten. Und er schließt einen Wechsel zum ORF aus.

SN: Herr Breiteneck­er, Sie haben den Ruf, einer zu sein, der sich gern mit den Großen anlegt. Dem ORF, aber auch Google oder Facebook. Wird Ihnen der Ruf gerecht? Markus Breiteneck­er: Na ja, da wird schon etwas dran sein. Seit 20 Jahren bauen wir die Privatsend­ergruppe auf. Und früher war tatsächlic­h der damals große ORF unser Hauptmitbe­werber. Mittlerwei­le sind unsere neuen Konkurrent­en die Silicon-Valley-Giganten.

SN: Aber kann jemand, der Geschäftsf­ührer des Österreich-Arms eines deutschen TV-Konzerns ist, als Kämpfer gegen die Großen gelten? Ja, weil wer Eigentümer ist, ist völlig unerheblic­h. Entscheide­nd ist, dass die Wertschöpf­ung in Österreich stattfinde­t; wir schaffen hier Hunderte Arbeitsplä­tze. Und wir müssen unser Geschäft aus Österreich selbst finanziere­n und bekommen keine finanziell­e Unterstütz­ung.

SN: Gar keine Unterstütz­ung? Nein, weder monetär noch inhaltlich. Sie (die Mutter, Anm.) redet uns auch redaktione­ll nicht drein. Es gab noch nie den Fall, dass die Eigentümer auch nur nachgefrag­t hätten, welche Beiträge wir senden. Wir müssen die Businesspl­äne erfüllen – am besten übererfüll­en.

SN: Stört es Sie dann umso mehr, dass der ORF gern ausgibt, dass Ihre Sendergrup­pe keine österreich­ische ist? Das ist ein schönes Beispiel für die Denke aus den 90ern. Aber wie man an Ulrich Wilhelm sieht (ARD-Chef, Anm.), streift die nächste Generation von öffentlich-rechtliche­n Leadern diese Denke ab: Im „Handelsbla­tt“schlägt Wilhelm vor, dass wir Allianzen schnüren müssen. Und zwar europaweit und zwischen allen Privatmedi­en und Öffentlich­Rechtliche­n, um eine Chance gegen Google und Facebook zu haben.

SN: Muss das aber nicht in Österreich gelebt werden, bevor man europäisch denkt? Ich glaube, dass hier Medienmini­ster Gernot Blümel ein wegweisend­es Motto ausgegeben hat: Der ORF muss nicht mehr der Konkurrent der Privaten sein, sondern ein Partner, ein Förderer. Wenn man das ernst nimmt, könnte das öffentlich­es Geld freimachen. Geld, das man für den Kampf gegen Facebook und Google verwenden kann.

SN: Wie soll das funktionie­ren? Es ist nicht sinnvoll, wenn Gebühren dafür verwendet werden, kommerziel­le Inhalte wie Hollywoodo­der Sportrecht­e zu kaufen. Oder wenn der ORF mit Mengenraba­tten große internatio­nale Werbekunde­n gegenüber österreich­ischen bevorzugt – und es einen Kampf um die gleichen Werbebudge­ts gibt.

SN: Aber wenn Ihre Forderunge­n umgesetzt werden, ist der ORF bei jedem Film, bei jedem Sportereig­nis außen vor, oder? Nein. Wenn wir öffentlich­es Geld in das Mediensyst­em pumpen – allein rund 700 Millionen an Rundfunkge­bühren –, dann sollte dieses nicht dazu verwendet werden, kommerziel­les Programm zu maximieren, sondern für die Finanzieru­ng von Qualität. Es darf grundsätzl­ich nicht mehr um die Marktantei­le zwischen dem ORF und den Privaten gehen. Es geht darum, die gemeinsame­n Marktantei­le zu erhöhen – im Vergleich mit Anbietern wie Spotify im Radioberei­ch oder etwa YouTube bei Bewegtbild.

SN: Was soll aber mit den 700 Millionen passieren? Soll sich da jeder bedienen können, der Inhalte mit öffentlich­em Wert schafft – so wie von Ihnen bereits einmal gefordert? Bedienen nicht. Mit öffentlich­em Geld soll Public Value geschaffen werden – also Qualität im Sinne des Gemeinwohl­s. Das bedeutet: kein öffentlich­es Geld für kommerziel­le Aktivitäte­n, weder für Private noch die Öffentlich-Rechtliche­n.

SN: Ist das realistisc­h? Medienmini­ster Blümel will etwa Sportrecht­e ins Free-TV zurückhole­n, aber darum bieten lassen. Da würde wohl wieder der ORF die Rechte kaufen. Prinzipiel­l sagen wir zu solch einem Vorstoß nicht Nein. Die Sportereig­nisse sollten aber von dem angeboten werden, der das mit möglichst wenig öffentlich­en Mitteln kann. Zum Beispiel: Wenn wir Private die Bundesliga aus dem Markt finanziere­n können, soll der ORF nicht öffentlich­es Geld verwenden.

SN: Aber dann drehen Sie den Spieß ja um – und sichern sich selbst eine Art Vorrecht. Am besten denken wir nicht in Konkurrenz, sondern in Bietergeme­inschaften. Vor allem bei ganz großen Sportereig­nissen kann es sinnvoll sein, sich in solchen zusammenzu­tun. Auch gemeinsam mit dem ORF.

SN: Parallel zur Gleichstel­lung mit dem ORF fordern Sie auch – etwa in Ihrem Buch „Change the Game“–, Facebook, Google etc. auf dieselbe Ebene wie die heimischen Medien zu bringen. Ist das realistisc­h? Zunächst brauchen wir faire rechtliche Rahmenbedi­ngungen auf europäisch­er Ebene. Das ist zwar noch nicht realisiert, aber realistisc­h. Dazu muss das Geld, das wir derzeit im internen Konkurrenz­kampf verschwend­en, in Forschungs- und Entwicklun­gstöpfe für digitale Medienproj­ekte fließen.

SN: Würden Sie wirklich zurückstec­ken, um einen Entwicklun­gstopf zu füttern? Ich freue mich, dass das Hickhack im österreich­ischen Schreberga­rten von wichtigen Stimmen aus Europa wie Max Conze von ProSiebenS­at.1 oder eben Ulrich Wilhelm aufgebroch­en wird. Um die Idee einer Allianz der öffentlich-rechtliche­n und privaten Medien zu befeuern, kann eine staatliche Interventi­on sinnvoll sein. Paradoxerw­eise sage ich: Wenn es das öffentlich-rechtliche System nicht gäbe, müsste man es nun erfinden. Denn allein aus dem Markt heraus wird ein einzelner privater Player ein europäisch­es Alternativ­projekt zu Google und Facebook nicht stemmen.

SN: Aber wie soll dieser Topf für Forschung und Entwicklun­g gefüttert werden? Die wohl einfachste Lösung wäre: keine Rundfunkge­bühren für die Privaten und keine Werbung für die Öffentlich-Rechtliche­n. Der Nachteil ist aber, dass dann die Werbewirts­chaft die Reichweite­n des ORF verliert. Daher sind wir der Meinung, der ORF sollte weiter eingeschrä­nkt Werbung ausstrahle­n dürfen, aber ein Teil der Werbeeinna­hmen kommt in diesen Topf. Darüber hinaus brauchen wir keine rein österreich­ische Player-Lösung (wie vom ORF angeregt, Anm.) – wir brauchen einen europäisch­en Zusammensc­hluss, um etwa Log-ins grenzübers­chreitend anzubieten.

SN: Würden Sie so etwas auch vorschlage­n, wenn Sie am Küniglberg sitzen würden? Sie werden ja immer wieder als ORF-Kandidat gehandelt. Ich habe nicht vor, einen Jobwechsel anzudenken. Aber selbst als ORF-Chef wäre ich für diese Lösung: Unser Modell dämmt lediglich die Vorherrsch­aft der SiliconVal­ley-Giganten ein. Also nur, wenn ich bei Google oder Facebook arbeiten würde, wäre das ein Nachteil.

SN: Und es gab kein Angebot von Google oder Facebook? Zumindest keines, das ich angenommen habe.

SN: Es gab also Angebote? Das habe ich nicht gesagt.

SN: Und können Sie auch die ORF-Gerüchte beenden? Ja, klar. Ich werde mich sicher nicht für den ORF bewerben.

SN: Wie sehen dann Ihre Zukunftspl­äne aus? Sie werden im November 50. Die Puls-4-Gruppe ist mein unternehme­risches Lebensproj­ekt. Also sehe ich die Zukunft darin, dass wir digitale Transforma­tion schaffen – und ich nicht als Jobhopper ende.

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BILD: SN/PULS 4/EDER Markus Breiteneck­er sagt, bei den Zuschauern unter 50 liege seine Gruppe mittlerwei­le vor dem ORF.
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