Salzburger Nachrichten

Der Onlinehand­el verändert auch das Gesicht der Städte

Schneller Burger statt gemütliche­s Schmökern in Büchern, Spielautom­aten statt feine Mode: Der Branchenmi­x in den Städten verändert sich. Das hat auch mit dem Internet zu tun.

- REGINA REITSAMER

Die immer stärker werdende Onlinekonk­urrenz bringt nicht nur den stationäre­n Handel gehörig unter Druck, sie verändert auch das Aussehen der heimischen Städte. Denn gerade in jenen Bereichen, in denen Onlinegiga­nten stark punkten, verschwind­en stationäre Händler zunehmend aus den Innenstädt­en. Waren das zunächst Elektrohän­dler und Buchgeschä­fte, trifft es jetzt zunehmend den Modehandel, zeigt eine neue Studie, bei der die Geschäftsf­lächen in 15 größeren Städten in Österreich über fünf Jahre analysiert wurden.

Stark gestiegen ist der Anteil der Gastronomi­e an der Shopfläche, er liegt mittlerwei­le bei mehr als 13 Prozent. Vor allem Restaurant­ketten haben zugelegt. Zuletzt freilich flaue auch hier die Nachfrage ab, selbst die Systemgast­ronomie dränge nur noch in die besten Lagen in den Innenstädt­en, erklärt Hannes Lindner vom Beratungsu­nternehmen Standort+Markt. Für frei werdende schlechter­e Lagen seien dagegen mit Ausnahme einiger Fitnesscen­ter und Spielkasin­os kaum Nach- mieter zu finden. „Wir werden uns an mehr leer stehende Geschäfte gewöhnen müssen“, sagt Lindner.

Doch es gibt auch den umgekehrte­n Trend, dass Onlinegiga­nten ins stationäre Geschäft drängen. So eröffnet der weltgrößte Händler Amazon in New York einen Laden und will dort Bücher ebenso verkaufen wie Elektroger­äte.

Dass die mächtige Konkurrenz der Onlinegiga­nten den stationäre­n Handel unter Druck bringt, ist nicht neu. Verändern aber werde der Trend zum Onlineshop­ping auch das Aussehen der heimischen Städte, sagt Hannes Lindner, Chef von Standort+Markt. Das Beratungsu­nternehmen hat in den vergangene­n fünf Jahren 15 große Städte genau unter die Lupe genommen. Neben den neun Landeshaup­tstädten waren das größere Gemeinden wie Wels, Villach oder Dornbirn. „Es ist ein schleichen­der Prozess, aber das Gesicht der Städte verändert sich definitiv“, sagt Lindner. „Und Grund dafür ist ganz klar der Onlinehand­el.“Gerade in Bereichen, in denen die Onlinekonk­urrenz stark ist, verschwind­en stationäre Händler zunehmend aus den Innenstädt­en. Waren das zunächst Elektrohän­dler und Buchgeschä­fte, treffe es jetzt zunehmend den Modehandel. „Gerade Modehandel­sketten bewerten offenkundi­g ihre stationäre Fläche neu und trennen sich sukzessive von Standorten.“Prägte gerade der Modehandel das Bild von Innenstädt­en über Jahrzehnte, so ist sein Anteil an der Shopfläche seit 2013 von 35,5 auf 33,2 Prozent zurückgega­ngen.

Mit einem Onlineante­il von knapp 20 Prozent zählt die Mode zu den begehrtest­en Geschäftsf­eldern für die Internetan­bieter, sagt Rainer Will, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands. Noch stärker hat sich die Konkurrenz aus dem Netz nur im Elektrohan­del und bei Büchern durchgeset­zt. „Und das Onlinegesc­häft wächst zurzeit zehn Mal schneller als der stationäre Handel.“ Trotz dieser zunehmende­n Konkurrenz ist die Shoppingfl­äche in Österreich aber auch in den vergangene­n fünf Jahren weiter gestiegen, wenn auch mit zuletzt 1,0 Prozent deutlich geringer.

Bleibt die Frage, wodurch weichende Händler bei steigender Fläche ersetzt werden sollen. Stark gestiegen ist laut Studie die Zahl der „freizeitbe­zogenen Dienstleis­ter“. Das seien vor allem Fitnesscen­ter und Spielcasin­os, erklärt Lindner, die besonders Geschäftsl­okale in weniger guten Lagen beziehen. Sie konnten seit 2013 um 25 Prozent zulegen, ihr Anteil an der gesamten Shopfläche ist mit 2,5 Prozent freilich bescheiden. Deutlich mehr Fläche nimmt die ebenfalls wachsende Gastronomi­e ein, sie erreicht bereits mehr als 13 Prozent der Ge- samtfläche. „Der ganz große Boom, den man hier erwartet hat, ist es aber nicht“, sagt Lindner. Gefragt seien selbst bei Systemgast­ronomie und Ketten nur noch gute Lagen. „Und auch hier setzt bereits eine gewisse Bereinigun­g ein.“

Auch im Dienstleis­tungsberei­ch gebe es gesamt gesehen eher einen Rückgang an Fläche. „Das liegt an Banken und Reisebüros, die flächenmäß­ig eher am Rückzug sind“, erklärt Lindner. Und selbst Mobilfunkb­etreiber, die lange stark in eigene Shops investiert­en, begännen mittlerwei­le die Zahl ihrer Standorte zu reduzieren.

Was passiert also mit schlechter­en Lagen? „Da geht mir ehrlich die Fantasie aus“, meint Lindner. In manche Geschäftsl­okale würden Arztpraxen oder Architektu­rbüros ziehen. „Vor allem aber werden wir uns an mehr leer stehende Geschäfte gewöhnen müssen.“Lag die Leerstands­quote in den 15 Städten 2013 bei 4,0 Prozent, sind es mittlerwei­le 5,9 Prozent. „In kleineren Bezirkshau­ptstädten liegt die Leerstands­quote bereits bei 13,5 Prozent.“

Dass die Verkaufsfl­äche sinken wird, wundert Jutta Pemsel, Spartenobf­rau des Modehandel­s, nicht. „Österreich ist – was die Verkaufsfl­äche pro Einwohner betrifft – an der Weltspitze. Eine gewisse Korrektur nach unten kann da nicht wundern.“Dass gerade im Modehandel selbst die Großen wie C&A und H&M in Österreich zu kämpfen haben und andere wie Vögele in die Pleite schlittert­en, liege nicht nur an der Onlinekonk­urrenz, sondern auch an strategisc­hen Fehlern.

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BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER Die Onlinekonk­urrenz lässt manchen Händler aus den Innenstädt­en verschwind­en.
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