Salzburger Nachrichten

Vorsicht vor dem optimalen Kind!

Eltern prügeln sich auf dem Fußballpla­tz oder bedrohen Lehrer. Das Streben nach Erfolg fürs eigene Kind führt schnurstra­cks auf Irrwege.

- KARIN.ZAUNER@SN.AT Karin Zauner

Sich prügelnde Eltern auf dem Fußballpla­tz mögen Einzelfäll­e sein, doch aggressive Eltern, die Kinder der gegnerisch­en Mannschaft oder selbst des eigenen Teams beschimpfe­n, sind jedes Wochenende auf Österreich­s Fußballplä­tzen Alltag. Das Problem wird meist tabuisiert oder unter den friedvolle­ren Eltern diskutiert. Dass Vereine verstärkt dieses Thema angehen, zeigt Ausmaß und Brisanz der Entwicklun­g.

Schauplatz­wechsel: Eltern setzen Lehrer teils mit Drohungen unter Druck, damit ihre Kinder bessere Noten bekommen, weil diese sonst in ihrer schulische­n und berufliche­n Entwicklun­g behindert werden könnten. Und Eltern fragen ernsthaft um Erlaubnis, mit dem Auto in den Schulhof fahren zu dürfen, damit ihr Kind nur ja sicher in die Schule kommt.

Aggression oder übertriebe­nes Umsorgen entspringe­n hier dem gleichen Ursprung beziehungs­weise ergänzen einander: Eltern setzen sich überaktiv für den Erfolg ihres Kindes ein. Da ist jedes Mittel recht. In Sportverei­nen sind es verbale oder sogar körperlich­e Attacken, in der Schule werden Lehrer vernadert oder Juristen gegen sie eingesetzt. Elternaben­de entwickeln sich nicht selten zu Tribunalen gegen Pädagogen, andere Schüler oder Eltern.

Väter und Mütter behüten und überforder­n ihre Kinder in einem Ausmaß, dass sie ein Leben lang unter Unselbstst­ändigkeit und Versagensä­ngsten leiden. Denn das Maß ist bei vielen verloren gegangen. So wie im Internet gehetzt und gelogen wird, Menschen mit anderer Meinung immer seltener Argumenten zugänglich sind, sondern nur mehr mit Aggression oder Verschwöru­ngstheorie­n antworten können, legen Eltern eine völlig übertriebe­ne Erziehungs­arbeit an den Tag. Ihr Blickwinke­l ist verengt, ihr Kind der Mittelpunk­t der Welt. Besser gesagt eine optimale Version ihres Kindes wird ins Zentrum des Interesses gestellt. Es geht ausschließ­lich um Leistung, damit die Kleinen nur ja gut genug für unsere Leistungsg­esellschaf­t gerüstet sind. Dafür müssen schon die Jüngsten optimiert werden und alles rundherum gleich mit. Ein verlorenes Fußballspi­el oder ein Zweier in Mathematik wird da schnell zur schicksale­ntscheiden­den Niederlage. Das ist eine fatale Entwicklun­g: für jedes einzelne Kind und für die gesamte Gesellscha­ft. Denn aus derart erzogenen Kindern werden nicht jene Erwachsene, die für eine gute Zukunft sorgen können. Was helfen würde: mehr Gelassenhe­it in der Erziehung und das Leben stärker wirken lassen als eigene Vorstellun­gen. Dafür braucht es ein bisschen Hausversta­nd, Vertrauen und Gefühl.

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