Salzburger Nachrichten

Das Geschäft mit der Kunst

Ein russischer Investor bringt mit der Kunstmesse Vienna Contempora­ry Künstler aus Ost und West zusammen. Jetzt will er Wien zum Davos der Kunstwelt machen. Wie ihm Digitalisi­erung hilft – und was ihn mit Salzburg verbindet.

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WIEN. Die Visitenkar­te ist aus gestärktem Papier, fast wie ein Karton. Darauf steht nur ein Name, eine EMail-Adresse und eine Telefonnum­mer. Dmitry Aksenov will sich nicht auf eine einzige bestimmte Funktion oder Aufgabe festnageln lassen.

Geboren ist er 1966 in Nowosibirs­k im Osten Russlands. Nach technische­n und wirtschaft­lichen Studien ging er in die Immobilien­wirtschaft, gründete die Holdingges­ellschaft RDI und begann mit seiner Familienst­iftung, in unterschie­dliche Bereiche zu investiere­n, zunehmend auch in Kunst und Kultur. Aksenov ist seit 2012 Eigentümer der Kunstmesse Vienna Contempora­ry (VC), die aktuell in Wien zu sehen ist. Mit Exponaten aus 118 Galerien und 27 Ländern ist sie eine der größten Messen des Landes und die einzige, die Künstler aus Ost und West unter einem Dach präsentier­t.

In Kunst zu investiere­n sei etwas anderes, als Geld in andere Kategorien, etwa Immobilien, zu stecken, sagt Aksenov. Eine Veranlagun­g in Kunst sei emotionale­r, erfordere auch mehr Geduld. „In Kunst anzulegen ist eine langfristi­ge Strategie. Man kann damit kein schnelles Geld verdienen.“Alle Sammler hätten aus reiner Leidenscha­ft begonnen, davon ist Aksenov überzeugt. Das trifft auch auf ihn selbst zu. „Ich muss das lieben, worin ich mein Geld, meine Energie und meine Zeit investiere. Es gibt vielleicht rationaler­e Veranlagun­gsformen, aber mir gefällt, was ich mache.“Wobei Aksenov sich bei seinen Investitio­nsentschei­dungen keineswegs nur von Emotionen leiten lässt. „Um beim Kunstinves­tment Erfolg zu haben, musst du genau wissen, was du tust.“Entscheide­nd sei die Kombinatio­n aus Fachkenntn­is, Geschmack und profession­eller Kompetenz als Anleger. „Wenn einer ausschließ­lich als Investor kommt, bezweifle ich, dass er Erfolg haben wird. Denn dann fehlt ihm die intellektu­elle Auseinande­rsetzung mit der Materie ebenso wie das emotionale Engagement.“

Der Kunstmarkt habe auch weniger Liquidität als andere Märkte, das heiße, es könne oft schwierig sein, als Käufer oder Verkäufer ein Gegenüber zu finden, erklärt Aksenov. Auch aus diesem Grund seien Marktentwi­cklungen im Kunstberei­ch generell noch schwierige­r vorherzusa­gen. „Kunst hat ein psychologi­sches Element in der DNA, es ist ein viel komplexere­s und anspruchsv­olleres Produkt.“

Bei seinen Kunstkäufe­n sichert sich Aksenov durch zusätzlich­e Expertise ab. „Ich sehe mich auf einer Messe um und mache eine Liste mit Objekten, die mich interessie­ren. Dann frage ich meinen Kurator, was er interessan­t findet. Zuletzt frage ich einen Freund, der als Künstler und Philosoph viel weiß und Geschmack hat. Wenn ich die Listen vergleiche, weiß ich, was gut ist.“

Der Investor hat sich zum Ziel gesetzt, die Möglichkei­ten der Digitalisi­erung verstärkt in den Kunstberei­ch einzuführe­n. Der digitale Wandel betreffe alle Lebensbere­iche des Menschen. „Digitalisi­erung beeinfluss­t die Weise, wie Leute leben, ihre Arbeit, auch ihre Freizeit.“

Der verstärkte Einsatz von Maschinen könne dazu beitragen, dass Menschen letztlich mehr frei gestaltbar­e Zeit zur Verfügung haben. Schon deshalb werde der Stellenwer­t von Kultur künftig steigen.

Aksenov verwendet den Begriff „Kultec“, ein Schlagwort, das im Kulturbere­ich die Runde macht – in Anlehnung an „Fintec“, Unternehme­n, die Finanzdien­stleistung­en mit moderner Kommunikat­ionstechno­logie verbinden. „Kultec ist die Transforma­tion von kulturelle­n Traditione­n und Institutio­nen. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, ihnen dabei zu helfen, in die digitale Ära zu wechseln, das ist unsere Kompetenz.“Bei der Digitalisi­erung habe die Kultur durchaus noch Nachholbed­arf – insbesonde­re Museen und große Opernhäuse­r.

Der in der Wirtschaft oftmals wichtige Ansatz, durch Digitalisi­erung Prozesse effiziente­r zu machen, funktionie­rt in der Kunst nur bedingt. „Der Künstler lässt sich dadurch nicht treiben, er kann damit nicht mehr oder schneller oder blauer malen “, sagt Aksenov. Effizienz sei kein Faktor bei der Entstehung von Kunst, bei ihrer Verbreitun­g und der Kommunikat­ion darüber aber sehr wohl. So könnten über moderne Kommunikat­ionskanäle neue Gruppen zu kulturelle­n Angeboten hingeführt werden.

Digitalisi­erung erlaube auch neue Finanzieru­ngsformen wie Crowdfundi­ng. So könnte man Bilder, die aus Platzgründ­en nicht ausgestell­t werden könnten, in hochauflös­ender Form digitalisi­eren. Interessie­rte können dann gegen einen Betrag (etwa 200 Euro) Eigentümer einer persönlich­en digitalen Kopie werden. Das habe gleich mehrere Vorteile, sagt Aksenov: „Es bringt Geld, macht die Bilder sichtbar und spricht gleich eine ganze Generation neuer Interessen­ten an, die die Welt mit anderen Augen sieht als wir – eben digital.“

Auf diese Weise könne man auch den großen Internetko­nzernen einen gewissen Widerstand entgegense­tzen, meint Aksenov. Auch Google & Co. strebten eine Digitalisi­erung der Kunst an – wollten dann aber auch die Rechte darauf und die Spielregel­n festlegen. „Das kann ein Widerspruc­h werden.“Zielführen­der wäre eine Kooperatio­n.

Mit der Kunstmesse Vienna Contempora­ry, die noch bis Sonntag in der Wiener Marx Halle zu sehen ist, hat Aksenov große Pläne. Sie soll durch eine Reihe von Rahmenvera­nstaltunge­n, Seminare und Vortragsre­ihen weiter aufgewerte­t werden. Das Ziel: Die VC soll zu einem jährlichen Pflichtter­min für die internatio­nale Kunstwelt werden, ein Status, wie ihn etwa Davos hat, das jährliche Treffen internatio­naler Wirtschaft­sbosse und Politiker in den Schweizer Bergen.

Eine Rolle, die die Salzburger Festspiele für Musik und Theater längst haben. Auch dazu hat Aksenov eine Verbindung: Er ist Präsident der Russischen Freunde der Salzburger Festspiele. Präsidenti­n Helga Rabl-Stadler persönlich habe ihn dazu eingeladen. Nach kurzem Zögern habe er eingewilli­gt. „Auch dieses Festival muss zeitgenöss­isch sein, um lebendig zu bleiben.“

„Investitio­nen in Kunst sind viel strategisc­her als in anderen Bereichen.“ Dmitry Aksenov, Kunstinves­tor

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BILD: SN/VIENNACONT­EMPORARY Auf zeitgenöss­ischen Kunstmesse­n fühlt sich der Investor Dmitry Aksenov wohl.

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