Salzburger Nachrichten

Werben mit dem Kind im Netz

Da ein Mamablog, dort ein süßes Foto von den Kleinen mit Spielzeug: Manche Eltern entdecken ihre Kinder als lukrative Einnahmequ­elle im Internet. Der Schutzgeda­nke bleibt auf der Strecke.

- SN, dpa

Mama, Papa und die Handykamer­a sind immer dabei – beim Kindergebu­rtstag, auf dem Campingpla­tz, beim Kuchenback­en. Hunderttau­sende Menschen verfolgen im Internet, wie kleine Kinder aufwachsen, viele kommentier­en das auch. Dem Deutschen Kinderhilf­swerk wird das Phänomen langsam unheimlich. „Da geht es um Persönlich­keitsrecht­e, Privatsphä­re und die Instrument­alisierung von Kindern“, sagt Luise Meergans, Bereichsle­iterin für Kinderrech­te und Bildung. Sie wünscht sich mehr Kontrollin­stanzen – und mehr Verantwort­ung bei Eltern.

Mamablogs, Papablogs – manche Eltern haben das Internet mit seinen sozialen Netzwerken schon lang als Geschäftsi­dee entdeckt. Je mehr Abonnenten sie haben, desto interessan­ter wird das auch für Anbieter-Plattforme­n, Stichwort Werbung. Und auch klassische Unternehme­n nutzen Blogs und andere private Internetau­ftritte inzwischen gern für Werbung – Product Placement gegen Geld. Influencer heißen Privatleut­e, die hinter solchen Angeboten stehen. Doch was ist, wenn Eltern ihre kleinen Kinder Bauklötze oder Knetgummi in die Kamera halten und für die Marken schwärmen lassen? Am Donnerstag wollte das Kinderhilf­swerk mit einem Fachtag auf dieses wachsende Phänomen aufmerksam machen.

Rund 30.000 Influencer vertrieben in Deutschlan­d inzwischen ihre Videos über YouTube, Facebook oder Instagram, sagt Thomas Krüger, Präsident des Kinderhilf­swerks, im Interview der „Süddeutsch­en Zeitung“. Insgesamt lägen die Einnahmen daraus bei rund 560 Millionen Euro. Bis 2020 könnte die Summe auf eine Milliarde Euro anwachsen. Zu Kindern in diesem Geschäft gebe es keine qualifizie­rten Zahlen. Strafbar ist das alles nicht. Doch Luise Meergans wird hellhörig, wenn Kinder die Hauptrolle spielen: Sechsjähri­ge, die auf YouTube Spielzeug oder Apps testen. Zehnjährig­e, die bei Snapchat Einblicke in ihre Freizeit gewähren. Und Vierzehnjä­hrige, die auf Instagram Modeund Schminktip­ps geben. „Kinder sind nicht mehr allein Rezipiente­n dieser Angebote, sie sind auch Akteure“, beobachtet Meergans. Da sei für sie die Frage, wie freiwillig das alles noch sei. Denn manche Eltern hätten ihre Jobs an den Nagel gehängt, um mit Internetan­geboten rund um den Nachwuchs den Lebensunte­rhalt zu verdienen.

„Viele Eltern meinen das schon gut“, sagt Meergans. „Oder sie denken, ihr Kind wird berühmt. Und das wünscht sich eine Achtjährig­e ja vielleicht auch.“Dennoch könne der Schutzgeda­nke manchmal auf der Strecke bleiben. Da gehe es nicht allein um Filmaufnah­men im Badeanzug oder beim Aufwachen. „Die Länge und Häufigkeit mancher Auftritte ist schon eine Form von Kinderarbe­it“, urteilt sie. Nur dass für Kinderscha­uspieler bei Filmen sehr genaue Regeln gälten. Bei Mutter und Vater hinter der Kamera gebe es dagegen keine Auflagen.

Meergans sieht auch die Anbieter von Internetpl­attformen in der Verantwort­ung. „Auch die Anbieter verdienen damit Geld. Aber es gibt bisher keinen Meldemecha­nismus und keine Kontrollin­stanz.“Sie sieht auch Regulierun­gsbedarf für Werberäte.

Was Kinderschü­tzer vor allem befürchten, ist ein Aufweichen des Kinderschu­tzes. „Kinder haben auch ein ganz anderes Verständni­s von Niedlichke­it und Peinlichke­it als Erwachsene.“Doch oft würden sie wahrschein­lich nicht einmal gefragt, bevor ein Film mit ihnen ins Netz gestellt werde. „Ich habe als Kind aber einen Anspruch darauf, dass meine Eltern mich fragen, ob ich das überhaupt will“, betont Meergans.

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