Der Sündenpfuhl Berlin 1929 im Taumel der Zeitenwende
Ein beispielhaftes Zeitkolorit bietet die kongeniale Bestseller-Verfilmung „Babylon Berlin“mit einer reich ausgestatteten, packenden Handlung in Starbesetzung.
SALZBURG. Ungeheuer die Geschichte, atemberaubend der Aufwand, großartig die Besetzung auch kleiner Nebenrollen: „Babylon Berlin“, die bisher teuerste Serie deutscher Zunge, schreibt Fernsehgeschichte. Schauplatz ist die deutsche Metropole im Strudel der kriselnden Weimarer Republik. Sie ist zu jener Zeit eine Stadt voller Extreme – mit verzweifelter Armut und einer Machttrunkenheit, die dem Sündenpfuhl voller Abgründigkeiten die Krone aufsetzt.
Berlin 1929. Zu sehen sind Menschen als Produkte jener Zeit, drangsaliert und am Rande ihrer physischen Existenz – andere aber auch machtbesessen, politische Ränkespiele und nicht nur modische Extravaganzen. Schon der Vorspann der Serie verzaubert: Man kommt gar nicht dazu, alle Namen zu lesen, die um den runden Schriftzug „Babylon Berlin“gruppiert sind, zumal dieser vielversprechend farbig pulsiert, als würde eine Detonation bevorstehen.
Auftritt Gereon Rath: Der Kölner Kommissar ist ins Sittendezernat der Hauptstadt versetzt worden, und keiner weiß, warum. Aber alle würden es gerne wissen. Vor allem der Platzhirsch Wolter, dem es gelingt, Raths außerordentlich klamme Freundin Charlotte Ritter als Spitzel zu gewinnen – im Zuge einer niederträchtigen Erpressung, wie sonst. Verrat inklusive.
Gleichzeitig muss sich die Polizei Demonstrationen der Linken erwehren, außerdem blüht das Verbrechen unverblümt. Geschichte geschrieben wird jedoch bald in ganz anderen Farben als Rot, was sich auch in der phänomenalen Ausstattung niederschlägt. Die Bilder sind vornehmlich in helle Sepia getränkt, wenn sie nicht gerade schrill aus der Mattscheibe züngeln.
Es gibt viel Zeitkolorit – mit Konrad Adenauer, damals Oberbürgermeister von Köln, und Trotzki auf der Flucht vor Stalin aus Russland. Dazu herrliche Musik mit vielen dieser Ära verhafteten Texten und Melodien – aber auch morbide Gesänge und Darbietungen in verruchten Tanzpalästen samt kaum versteckten Séparées. Die Handlungsbögen sind so geschnitten, dass sich schon formal Spannung aufbaut.
Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries bilden das kreative Drehbuch/Regie-Dreigestirn. Fabelhaft auch die Besetzung mit Volker Bruch (Rath), Liv Lisa Fries (Charlotte Ritter), Peter Kurth (Wolter), Matthias Brandt (Benda, Chef der Politischen Polizei), Thomas Thieme (Polizeipräsident), Udo Samel (Leiter der Mordinspektion) sowie Karl Markovics. Start mit drei Episoden in Folge am Sonntag um 20.15 Uhr in ORF eins und der ARD, wo im Anschluss (22.30 Uhr) die Dokumentation „1929 – Das Jahr Babylon“gezeigt wird.