Beruf Helden im
Vom Fachkräftemangel ist viel die Rede. Österreichs Wirtschaft fehlen 162.000 gut ausgebildete Mitarbeiter. Wie es gelingt, junge Leute für ihren Beruf zu motivieren, zeigt sich bei der Berufsmeisterschaft in Budapest.
BUDAPEST. Robert Moser lässt in seiner Arbeitskabine hinter dem Sichtfenster die Muskeln spielen. Mit schweißtreibendem Körpereinsatz bearbeitet der 22-jährige Steinmetz aus Seekirchen den „ungarischen Roten“, wie der Kalkstein, den er dreht, hebt und mit seinem Werkzeug in Form bringt, in der Branchensprache heißt. „Ein brutal hartes Stück“, erklärt Steinmetz und Berufsschullehrer Bernhard Hasenöhrl aus Wals. Er ist einer jener Experten, die noch bis Samstagabend bei den Berufseuropameisterschaften (EuroSkills) in Budapest den jungen Teilnehmern zur Seite stehen und deren Arbeit bewerten. Seit sieben Jahren sei er dabei, sagt Hasenöhrl, „und jedes Jahr wird das Niveau höher“. Auch wenn in Betrieben mittlerweile viele CNC-Maschinen im Einsatz seien, mit Hammer und Meißel müsse ein Steinmetz mehr denn je perfekt umgehen können. Man sei schließlich als Beruf ein „Luxusartikel“geworden. Mobiliar aus Stein für stilvolle Wohnungen und Gärten, aber auch Kunstwerke seien gefragt. „Die Zukunft ist das persönlich Gestaltete.“Rund 100 Steinmetzlehrlinge werden in Österreich ausgebildet. Lehrstellen seien frei, sagt Hasenöhrl, „aber es geht wieder bergauf“.
Die EuroSkills wie derzeit in Budapest sind eine Leistungsschau der Besten. Mehr als 500 junge Menschen aus allen 28 EU-Ländern sind angetreten, um sich in 39 Berufen zu messen und ihr Können zu zeigen. Die Latte für Österreich – in Ungarn mit 41 Teilnehmern dabei – liegt hoch. Sowohl 2012 in Spa (Belgien) als auch 2014 in Lille (Frankreich) und im schwedischen Göteborg 2016 holten die österreichischen Teilnehmer auch den Sieg im Nationen-Ranking. Das Image des Top-Ausbildners kann man gebrau- chen, vor allem im eigenen Land.
Viel war die vergangenen Monate die Rede vom Fachkräftemangel. 162.000 fehlen in Österreich, hat eine Studie der Wirtschaftskammer ergeben. Die Regierung versprach, alle Anstrengung zu unternehmen, die Lehre in Schwung zu bringen. Tatsächlich ist bereits viel passiert. „Jeden Fünfzehnjährigen erwischt du nur einmal“, sagt SkillsAustriaGeschäftsführer Johannes Fraiss. Das gelingt offenbar immer besser. So sind in Oberösterreich derzeit zwar 30.000 qualifizierte Stellen unbesetzt, doch das Interesse beim Nachwuchs an der Berufsausbildung steigt. In den vergangenen drei Jahren habe die Zahl der Neueinsteiger in die Lehre wieder deutlich zugelegt, sagt der Bereichsleiter Bildung in der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Fritz Dallamassl. Nach einem Plus von zwei Prozent im Vorjahr kommt man heuer auf vier bis fünf Prozent. In Summe absolvieren in Oberösterreich derzeit 23.000 junge Menschen eine Lehre. Und man arbeitet beständig daran, die Berufsausbildung breiter anzulegen und attraktiver zu gestalten. Seit Juni läuft das Modell „Duale Akademie“, das AHS-Maturanten im Fokus hat. Mit Ausbildungsangeboten in Kooperation mit Fachhochschulen und verkürzter Lehrzeit will man Absolventen von Gymnasien für die Berufsausbildung gewinnen, vorerst in Mechatronik und Großhandel. 20 Firmen sind in der dualen Akademie engagiert, 70 weitere im Interessentenpool, sagt Dallamassl. Auch in Salzburg wird das Modell angedacht. Lehre nach der Matura, Matura mit Lehre, klassische Lehre: Realität ist das bereits beim Kälteund Klimaspezialisten Hauser in Linz. „Wir brauchen viele gute Leute“, sagt Rupert Danninger. Der Klimawandel und heiße Sommer kurbeln das Geschäft an. Man habe „Aufträge Ende nie“. 1050 Mitarbeiter, darunter 60 Lehrlinge, arbeiten bei Hauser, jedes Jahr werden 15 Lehrlinge aufgenommen. In Budapest kämpft Mitarbeiter Michael Kraml um eine Medaille. Schon vor vier Jahren in Lille in Frankreich holten Teilnehmer von Hauser eine Gold- und Silbermedaille. „Wir gehen mit den Erfolgen in die Werbung, laufen in die Schulen“, sagt Danninger. Arbeit genug, aber zu wenig Mitarbeiter hat man auch bei den Malern. Speziell in Wien sei es schlecht, sagt Bundesinnungsmeister Erwin Wieland aus St. Michael im Lungau. Von 500 Lehreinsteigern im Jahr 2000 sind es heuer nur noch 39. Das Stimmungsbarometer zeigt bei Wieland aber nach oben. Er ist überzeugt: „Die Talsohle haben wir erreicht.“Seit dem Vorjahr hat man einen „Lehrlingscoach“eingeführt, Vorbilder aus der Branche wie die Europameisterin der EuroSkills 2016, die Malerin Lisa Janisch aus der Stiermark, touren als Werbeträger durch die Schulen, um für den Malerberuf zu begeistern. Unterstützt wird das Projekt von der Industrie. Das Niveau in der Branche in Österreich ist hoch. Bei den bisher fünf EuroSkills holten die Maler vier Mal Gold und ein Mal Silber. Heuer versucht Patrick Reitbauer, den Europameistertitel erneut in die Steiermark zu holen.
In der Steiermark sieht man sogar in der Gastronomie wieder Licht am Ende des Tunnels. Um 18 Prozent mehr Jugendliche als im Vorjahr haben in der Branche eine Lehre begonnen, sagt Wirtschaftskammer-Obmann Klaus Friedl. Allerdings: „Die müssen wir jetzt erst einmal ausbilden.“Die mageren Jahre dürften noch drei, vier Jahre dauern. Und jede Medaille in Budapest motiviert, noch mehr zu tun.