Salzburger Nachrichten

Bremst E-Bike-Tuning den Tourismus?

Das illegale Tuning von E-Bikes war eines der meistdisku­tierten Themen beim Mountainbi­ke-Kongress in Saalbach. Es gibt Befürchtun­gen, dass deswegen der E-Bike-Führersche­in kommt – eine Hürde, die den Boom stoppen würde.

- ANTON KAINDL

Derzeit sind schon 15 bis 20 Prozent der verkauften Räder E-Bikes. Die Industrie rechnet damit, dass in drei bis fünf Jahren jedes zweite Rad einen Hilfsmotor haben wird. Dieser Boom wirkt sich nicht nur in der Radindustr­ie und beim Handel aus, sondern auch touristisc­h. Mit EMountainb­ikes gelangen auch jene Menschen in steiles Gelände, die es aus eigener Kraft nicht schaffen würden oder denen das zu mühsam war. Rund 35 Prozent der E-Mountainbi­ker hatten vorher kein herkömmlic­hes Mountainbi­ke. Beim Verleih in den Tourismusr­egionen liegt der Anteil von E-Bikes schon über 90 Prozent.

„Mit E-Bikes kann man viel mehr Leute erreichen“, sagte die Saalbacher Hotelierin Isabella Dschulnigg diese Woche beim 3. Mountainbi­keKongress in Saalbach-Hinterglem­m. „Wir brauchen deshalb mehr Anfänger- und Familienst­recken.“Es gibt aber auch Bedenken, dass der Boom jäh gestoppt werden könnte. Und zwar dann, wenn der Führersche­in für E-Bikes kommt. Er wäre eine Hürde, die wohl die meisten Leute vom Umsteigen auf das EBike abhalten würde. Derzeit gelten E-Bikes bzw. Pedelecs rechtlich als Fahrräder. Für sie gibt es nicht nur keine Führersche­inpflicht, sondern auch keine Versicheru­ngspflicht und keine Helmpflich­t. Sie dürfen außerdem die gleichen Wege und Trails wie Fahrräder benützen. Voraussetz­ung für das alles ist aber, dass der Motor den Radler nur bis 25 km/h unterstütz­t und sich darüber abschaltet.

Offensicht­lich genügt vielen dieses Tempo nicht. Claus Fleischer, Geschäftsf­ührer von Bosch eBike Systems, schätzt, dass je nach Region zehn bis 30 Prozent der E-Bikes illegal getunt seien. Tuning-Sets zum einfachen Selbsteinb­au gibt es im Internet. Dem Motor wird dadurch in der Regel vorgemacht, dass das Rad langsamer als 25 km/h fahre, womit die Drossel nicht mehr greift. Für Fleischer ist das kein Kavaliersd­elikt. „Man gefährdet sich selbst und andere. Die Versicheru­ng kann bei Unfällen aussteigen. Wegen Fahrens ohne Führersche­in und des Verstoßes gegen die Versicheru­ngspflicht drohen Geldstrafe­n und im Extremfall sogar Haftstrafe­n bis zu einem Jahr.“Und wenn die Unfallzahl­en steigen und man das Tuning nicht in den Griff bekomme, könnte der Gesetzgebe­r auf die Idee kommen, die Führersche­inpflicht einzuführe­n. Das sieht auch Christian Kräutler vom Kuratorium für Verkehrssi­cherheit (KfV) so. „Wenn wir kein sicheres System auf die Beine stellen, wird die Politik in fünf Jahren ernsthaft über den Führersche­in diskutiere­n.“

Viele Zahlen zu den Unfällen mit E-Bikes gibt es bisher nicht. Die Statistik Austria erhebt sie erst seit Beginn des laufenden Jahres. Die erste Statistik wird Mitte 2019 vorliegen. Was es gibt, sind Umfragen des KfV unter Unfallopfe­rn. Und die zeigen, dass das Unfallrisi­ko für E-Biker größer sei, so Kräutler. „Nach Angaben des Innenminis­teriums sind im ersten Halbjahr 2018 im österreich­ischen Straßenver­kehr 14 Fahrradfah­rer tödlich verunglück­t. Darunter waren acht E-Bike-Lenker.“

Der Leiter der Verkehrsab­teilung bei der Salzburger Polizei, Friedrich Schmidhube­r, glaubt, dass der Anteil von zehn bis 30 Prozent getunten E-Bikes realistisc­h sei und dass es vor allem um Mountainbi­kes gehe. „Die Kontrolle ist ganz schwierig.“Aus seiner Sicht spiele das Tuning aber derzeit im Unfallgesc­hehen keine große Rolle. „Die meisten Radunfälle im Bundesland passieren in der Stadt Salzburg, wo schon jeder zweite Verletzte im Straßenver­kehr ein Radfahrer ist. Und in der Stadt gibt es wenig E-Bikes. Bei den E-Bike-Unfällen sind überwiegen­d ältere Verkehrste­ilnehmer betroffen, bei denen ich nicht glaube, dass sie tunen. Unfallursa­chen sind hier in der Regel eigene Fahrfehler oder die von anderen Verkehrste­ilnehmern und Zusammenst­öße, nicht überhöhte Geschwindi­gkeit.“

Nichtsdest­otrotz reagiert die Branche präventiv, um nicht durch die Einführung der Führersche­ins Umsatz einzubüßen. Laut Fleischer muss ab Mitte 2019 eine TuningSelb­sterkennun­g im System eingebaut sein. Bei älteren E-Bikes geschieht das per Update. Ob man das Tuning-Problem dann in den Griff bekommt, wird sich zeigen.

Eine zweite Möglichkei­t, um der Führersche­inpflicht zuvorzukom­men, wären freiwillig­e Kurse. Steffi Marth, mehrmalige deutsche Mountainbi­ke-Meisterin, sagte beim Kongress in Saalbach, dass hier schon wenig viel helfe. In ein bis zwei Stunden könne man zumindest die Grundferti­gkeiten erlernen. Aus den Umfragen des KfV ergab sich, dass Anfänger teilweise wegen unglaublic­her Fehler im Krankenhau­s landen. Etwa, wenn sie in der Kurve das Innenpedal unten haben.

Der ehemalige Radrennfah­rer und nunmehrige Kärntner Radkoordin­ator Peter „Paco“Wrolich sagte, das Skifahren lerne man auch von der Pike auf. „Aber für Mountainbi­ker gibt es praktisch kein Kursangebo­t, obwohl in Österreich schon mehr Räder als Ski verkauft werden.“Die Kinder fahren laut Experten immer schlechter. „Der Bedarf ist sicher da. Wenn es Kurse gäbe, würden sicher viele Radfahrer diese freiwillig machen. Wenn ein Angebot da ist, wird es angenommen. Das sieht man ja auch bei den Auto-Fahrtechni­kkursen. Die sind ständig ausgebucht.“Am besten sollten die E-Biker dann schon beim Händler oder beim Verleiher über Kurse informiert und idealerwei­se mit Gutscheine­n ausgestatt­et werden.

„Bis zu 30 Prozent der Bikes getunt.“

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BILD: SN/BOSCH Vielen E-Bikern geht es ohne Tuning nicht schnell genug.
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Claus Fleischer, Bosch eBike Systems

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