Bremst E-Bike-Tuning den Tourismus?
Das illegale Tuning von E-Bikes war eines der meistdiskutierten Themen beim Mountainbike-Kongress in Saalbach. Es gibt Befürchtungen, dass deswegen der E-Bike-Führerschein kommt – eine Hürde, die den Boom stoppen würde.
Derzeit sind schon 15 bis 20 Prozent der verkauften Räder E-Bikes. Die Industrie rechnet damit, dass in drei bis fünf Jahren jedes zweite Rad einen Hilfsmotor haben wird. Dieser Boom wirkt sich nicht nur in der Radindustrie und beim Handel aus, sondern auch touristisch. Mit EMountainbikes gelangen auch jene Menschen in steiles Gelände, die es aus eigener Kraft nicht schaffen würden oder denen das zu mühsam war. Rund 35 Prozent der E-Mountainbiker hatten vorher kein herkömmliches Mountainbike. Beim Verleih in den Tourismusregionen liegt der Anteil von E-Bikes schon über 90 Prozent.
„Mit E-Bikes kann man viel mehr Leute erreichen“, sagte die Saalbacher Hotelierin Isabella Dschulnigg diese Woche beim 3. MountainbikeKongress in Saalbach-Hinterglemm. „Wir brauchen deshalb mehr Anfänger- und Familienstrecken.“Es gibt aber auch Bedenken, dass der Boom jäh gestoppt werden könnte. Und zwar dann, wenn der Führerschein für E-Bikes kommt. Er wäre eine Hürde, die wohl die meisten Leute vom Umsteigen auf das EBike abhalten würde. Derzeit gelten E-Bikes bzw. Pedelecs rechtlich als Fahrräder. Für sie gibt es nicht nur keine Führerscheinpflicht, sondern auch keine Versicherungspflicht und keine Helmpflicht. Sie dürfen außerdem die gleichen Wege und Trails wie Fahrräder benützen. Voraussetzung für das alles ist aber, dass der Motor den Radler nur bis 25 km/h unterstützt und sich darüber abschaltet.
Offensichtlich genügt vielen dieses Tempo nicht. Claus Fleischer, Geschäftsführer von Bosch eBike Systems, schätzt, dass je nach Region zehn bis 30 Prozent der E-Bikes illegal getunt seien. Tuning-Sets zum einfachen Selbsteinbau gibt es im Internet. Dem Motor wird dadurch in der Regel vorgemacht, dass das Rad langsamer als 25 km/h fahre, womit die Drossel nicht mehr greift. Für Fleischer ist das kein Kavaliersdelikt. „Man gefährdet sich selbst und andere. Die Versicherung kann bei Unfällen aussteigen. Wegen Fahrens ohne Führerschein und des Verstoßes gegen die Versicherungspflicht drohen Geldstrafen und im Extremfall sogar Haftstrafen bis zu einem Jahr.“Und wenn die Unfallzahlen steigen und man das Tuning nicht in den Griff bekomme, könnte der Gesetzgeber auf die Idee kommen, die Führerscheinpflicht einzuführen. Das sieht auch Christian Kräutler vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) so. „Wenn wir kein sicheres System auf die Beine stellen, wird die Politik in fünf Jahren ernsthaft über den Führerschein diskutieren.“
Viele Zahlen zu den Unfällen mit E-Bikes gibt es bisher nicht. Die Statistik Austria erhebt sie erst seit Beginn des laufenden Jahres. Die erste Statistik wird Mitte 2019 vorliegen. Was es gibt, sind Umfragen des KfV unter Unfallopfern. Und die zeigen, dass das Unfallrisiko für E-Biker größer sei, so Kräutler. „Nach Angaben des Innenministeriums sind im ersten Halbjahr 2018 im österreichischen Straßenverkehr 14 Fahrradfahrer tödlich verunglückt. Darunter waren acht E-Bike-Lenker.“
Der Leiter der Verkehrsabteilung bei der Salzburger Polizei, Friedrich Schmidhuber, glaubt, dass der Anteil von zehn bis 30 Prozent getunten E-Bikes realistisch sei und dass es vor allem um Mountainbikes gehe. „Die Kontrolle ist ganz schwierig.“Aus seiner Sicht spiele das Tuning aber derzeit im Unfallgeschehen keine große Rolle. „Die meisten Radunfälle im Bundesland passieren in der Stadt Salzburg, wo schon jeder zweite Verletzte im Straßenverkehr ein Radfahrer ist. Und in der Stadt gibt es wenig E-Bikes. Bei den E-Bike-Unfällen sind überwiegend ältere Verkehrsteilnehmer betroffen, bei denen ich nicht glaube, dass sie tunen. Unfallursachen sind hier in der Regel eigene Fahrfehler oder die von anderen Verkehrsteilnehmern und Zusammenstöße, nicht überhöhte Geschwindigkeit.“
Nichtsdestotrotz reagiert die Branche präventiv, um nicht durch die Einführung der Führerscheins Umsatz einzubüßen. Laut Fleischer muss ab Mitte 2019 eine TuningSelbsterkennung im System eingebaut sein. Bei älteren E-Bikes geschieht das per Update. Ob man das Tuning-Problem dann in den Griff bekommt, wird sich zeigen.
Eine zweite Möglichkeit, um der Führerscheinpflicht zuvorzukommen, wären freiwillige Kurse. Steffi Marth, mehrmalige deutsche Mountainbike-Meisterin, sagte beim Kongress in Saalbach, dass hier schon wenig viel helfe. In ein bis zwei Stunden könne man zumindest die Grundfertigkeiten erlernen. Aus den Umfragen des KfV ergab sich, dass Anfänger teilweise wegen unglaublicher Fehler im Krankenhaus landen. Etwa, wenn sie in der Kurve das Innenpedal unten haben.
Der ehemalige Radrennfahrer und nunmehrige Kärntner Radkoordinator Peter „Paco“Wrolich sagte, das Skifahren lerne man auch von der Pike auf. „Aber für Mountainbiker gibt es praktisch kein Kursangebot, obwohl in Österreich schon mehr Räder als Ski verkauft werden.“Die Kinder fahren laut Experten immer schlechter. „Der Bedarf ist sicher da. Wenn es Kurse gäbe, würden sicher viele Radfahrer diese freiwillig machen. Wenn ein Angebot da ist, wird es angenommen. Das sieht man ja auch bei den Auto-Fahrtechnikkursen. Die sind ständig ausgebucht.“Am besten sollten die E-Biker dann schon beim Händler oder beim Verleiher über Kurse informiert und idealerweise mit Gutscheinen ausgestattet werden.
„Bis zu 30 Prozent der Bikes getunt.“