Gärtner als möglicher Serienmörder
Die Polizei prüft nun mögliche Zusammenhänge mit rund 100 ungeklärten Verbrechen und Vermisstenfällen.
LÜNEBURG. Eine gediegene Wohngegend am Stadtrand von Lüneburg. Unter der Garage eines Einfamilienhauses ist hier vor einem Jahr die Leiche der seit 1989 vermissten Birgit Meier gefunden worden. Ihr Bruder hatte die Suche nie aufgegeben, er ist der Ex-Chef des Landeskriminalamts Hamburg, Wolfgang Sielaff.
Privat hat er weiter ermittelt. Am Mittag des 29. September 2017 machten er und sein Team den grauenvollen Fund. Mit Erlaubnis der Eigentümer hatte Sielaff das Haus erneut untersucht und den Betonboden der Garage aufgestemmt.
Der einstige Besitzer des Grundstücks war schon früh in den Fokus der Ermittler gerückt. Doch der Friedhofsgärtner nahm sich 1993 das Leben, da saß der 40-Jährige wegen anderer Vorwürfe in Haft. Bereits damals hatte die Polizei das Haus durchsucht und war auf Waffen, Fesseln und anderes verdächtiges Material gestoßen.
„Derzeit werden mögliche Verbindungen zu rund 100 ungeklärten Taten überprüft“, sagt Mathias Fossenberger, Sprecher der für den Fall zuständigen Polizeidirektion Lüneburg. Die operative Fallanalyse des Landeskriminalamts Niedersachsen hatte zunächst zwei Dutzend Fälle in Betracht gezogen. „Wir schließen nichts aus und beschränken uns nicht auf diese Taten“, betont Fossenberger. „Bislang haben sich 42 Dienststellen gemeldet, die ungefähr 100 verschiedene interessante Fälle geliefert haben.“Darunter seien auch Vermisstenfälle.
Hintergrund: Die Polizei hat in Lüneburg eine sogenannte Clearingstelle eingerichtet, dort laufen die Fäden zusammen. Die Polizei hat ein Bewegungsbild des Gärtners erstellt, der längere Zeit auch in Karlsruhe gelebt hat. Alle denkbaren Verbindungen zu nicht aufgeklärten Morden sollen nun untersucht werden. „Aufgrund des aktuellen Ermittlungsstands müssen wir von der Möglichkeit einer Vielzahl von Taten in Deutschland und vielleicht auch darüber hinaus ausgehen“, sagt Lüneburgs Polizeipräsident Robert Kruse.
„Sollte er wirklich für so viele Tötungen verantwortlich sein, dann gibt es zumindest in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Fälle, die daran heranreichen“, sagt Kriminalist Stephan Harbort, Experte für Serienmorde. „Nur wenn man serielle Patiententötungen mit betrachtet, kommt man auf ähnliche Opferzahlen.“
DNA-Treffer weisen auch auf den Friedhofsgärtner als Verantwortlichen für die sogenannten Göhrdemorde hin, die 1989 bundesweit für Schlagzeilen sorgten. In dem Waldgebiet östlich von Lüneburg wurden damals zwei Paare ermordet. Sie wurden erschossen, erschlagen und stranguliert.
Auch andere offene Fragen sind für die Ermittler bisher noch völlig unklar. Eine der wichtigsten: Was war das Motiv des Verdächtigen? Bisher bleibt dieses völlig offen. Dabei könnte der Mann zumindest in einigen Fällen von einem als Beschuldigter geführten möglichen Komplizen unterstützt worden sein.