Salzburger Nachrichten

I nu do bin

I bin so frei. Oba ned imma. Der bayerische Liedermach­er Hans Söllner besingt seine Heimat, als wäre sie eine einzige Enttäuschu­ng. Dabei hätte er längst abhauen können.

- SN: GUDRUN DORINGER, MARCO RIEBLER (BILDER) SN: Du scheinst deine Heimat sehr zu mögen, weil du oft so wütend dafür kämpfst. Was ist denn so liebenswer­t an Bayern? Die meisten wollen, dass Heimat immer so bleibt, wie sie war. Du nicht. Was würdest du ger

Feiern, das geht gut in Bayern. Wiesn, Weißwurst, Brezn, Bier – alles da. Dieses Jahr allerdings feiert man die Freiheit, genauer: 100 Jahre Freistaat Bayern. Und da hat Hans Söllner, wohnhaft in Bad Reichenhal­l, bekannt durch bissige Lieder und sein Bestreben, Marihuana zu legalisier­en, ein Wörtlein mitzureden. Mit Freiheit kennt er sich aus. Und mit ihren Grenzen. Hans Söllner: Es gibt koan liabn God, glab i zerscht amoi. Und dann glab i, dass ma ned wohi gschickt werdn. Des war a Zuafoi. A scheena Zuafoi, weil i hätt jo a Afghane wern kena oder a Türke. Und des war jetzt im Moment ned so schee. I bin oiso recht zfriedn.

Bayern hat ein eher konservati­ves Image. Kann sich jemand wie du, der mit 14 wegen zu langer Haare aus dem Trachtenve­rein geflogen ist, hier wohlfühlen?

Freili. Des, warum i mi do wohlfühl, des is, dass i do redn konn, i konn do streitn, i konn do draama, i konn do guad lebn. I hob mir mei Art vo Freiheit hart erkämpft. I mechat ned woanders wohna. I kannt ma vielleicht no Griechenla­nd vorstelln. I bin gern in de Berg. I bin ned auf de Berg. I bin oafoch gern do. Aba des is a ganz a schwaare Frog. Weil im Moment is es, von der politische­n Lage her, ned recht liebens- und lebenswert do in dem Land. Eigentlich is es im Moment so, dass i sog: I zehr on meiner Vergangenh­eit, dass i dobleibn konn. Es is amoi a wirklich scheens Land gween, gwieß amoi a freiers Land gween. Aba dann is da Steven Jobs keema und dann war’s vorbei. Dann homs de Jugend kriagt. Wei de Jugend nimma aufpasst, um wos wirklich geht. Sie sitzen vor eahnan Handy, schaun do eine, kriagn vui Sachan mit, wo ma goar ned woaß: Warum kriagn sie’s überhaupt mit? Wos is der Plan dahinter? Sie kriagn mit, wann irgend a Ausländer a Mädchen vergewalti­gt. Des haun’s eahna tagelang hinter de Ohrn. Wenn des a Deitscha duat, donn hot des an ondan Stellenwer­t. Den gonzn Dog wean de beschickt mit irgendwöch­e Hiobsbotsc­haften. Donn des vom Trump. Dann des vom Seehofer. Donn des vom Kurz. Es san im Grund genommen nur Hiobsbotsc­haften. Im Moment is diese Wöd wirklich am Abschmiern, weil wir den gonzn Scheißdrec­k glaubn. Oba wennst du do durchs Dorf gehst und do sand a Asylbewerb­er – wennst de Wöd oiso im Kloan siagst, ned im Großen, donn schaut de Soch wieda ondas aus. I glaub definitiv, dass des eahna grod rechtkimmt mit dera Flüchtling­skrise, weils einfach eanane Gesetze ändern keenan. Bin i ibarzeigt. Wenn des erledigt is, des Thema, dann wernd jo de Gesetze ned zruckgnumm­a. Des is a gonz a gfährliche­r Gang, den wir do iatzt zualossn. Oiso, wenn i wos zum Sogn hätt: I glab, mi dat ma ned gern woin. Wei i dat de Leit zur Kass bittn, de wirklich Gejd hom. Wenn Leit se leistn kennan, dass’ Wohnungen laar steh lossn, bloß weis ned den richtigen Mietpreis kriagn für die Wohnung – dann dat i gnadenlos do durchziagn und de Wohnungen konfiszier­n. Im Moment is a so, dass do draußen dausende von Leit koa Wohnung hom. Do brauchma no ned amoi von de Ausländer redn. Dass selbst deitsche Bürger, dass alleinerzi­ehende Miatda beedln geh miaßn, auf Sozialämte­r geh miaßn, weis mit zwoa Kinder auf 33 Quadratmet­er wohnan. Und a Haus weida steht a 86-Quadratmet­er-Wohnung laar, wei oana sogt: Jo, wenn i net 1200 Euro dafür kriag, donn lohnt sie’s ned, dass is vamiet. Do dat i durchgreif­n. In dem Dorf do, do kennan mi eh olle, i bin für de eh olle da Spinna, hob eh vui Streiterei­en, weil do meine Bam ummewochsn, und weil meine Hehna schrein und wos woaß i, wos de aufregt. Aba des han Kloainigke­itn. De sitzen do drent auf eanana Terrass, do foahrt da Robota durchn Rasen, ned amoi a Gänsebllea­me kimmt auf und dann red i mit eana und de sogn: „Wir lieben die Natur.“Donn sog i: „Wer so an Rasenmäher hod, der scheißt auf die Natur. Es duat ma echt leid.“Trotzdem konn i mit denen reden. Zu am Türken konn i des ned sogn, sein Staat kritisiern oder seine Leit. Und des is des, warum i gern do bin. Wei i woaß: I konn mi do artikulier­en. Ma versteht mi dann aa richtig. Wei wann i do zu oahn sog, er is a Oarschloch, donn woaß der, er is a Oarschloch. Na, eigentlich ned. Eigentlich is die Freiheit mei anregende Muse. Des is des, wofür i oll de Joahr gsunga hob. Die CSU oabeit nur dageng. Des Ollaliabst­e war ma, wenn der Seehofer sogt: „Ok, i hob’s verschisse­n. Vergessen Sie’s. Entschuldi­gung. Duat ma leid. I hob jetzt an Job. Als Auszubilde­nder. I lern nuamoi Automechan­iker.“ I glaub ned, dass i des bin. Des Prinzip warad scho guat, aba es hod leider ned funktionie­rt. Wei es geht die Macht nicht vom Volk aus. Leider Gottes. Wei wann ma im Kapitalism­us lebt, so wia do, donn geht die Macht vom Kapitalism­us aus und ned vom Volk. Na. I feiert’s a ned. Eigentlich soiten’s des a wirklich streicha. I glaub scho, dass mi Bayern prägt hod. Die Mentalität der Leute. Ma sogt sis hoid einfach ziemlich offen, wos ma si denkt. Des hob i ziemlich friah glernt.

Trotzdem bist du unter den Lauten noch einer der Lautesten. Warum bist du so geworden?

I kimm aus de Slums. Des Grundstück do, des warn de Slums vo dem Dorf, vastehst. Mein Vota, den hod koana megn, mei Muata hot koana megn. Selbst mei Oma und mei Opa hom mei Muata ned megn, wei sie aus Niederbaye­rn war und eahna Bua war aus Oberbayern. Des is eigentlich so a ganz a normaler Werdegong von so a richtigen bayrischen Familie. I glab, i hob einfach früh gnuag gmerkt: Des is ned mei Art zu lebn. I konn jetzt ned sogn, warum ausgrechne­t i so wordn bin. I glaub, es hot oafoch damit z’doa, dass i oafoch frei sei woit. I glab, dass mei Drang noch Freiheit greßer gween is ois mei Angst, dass mi wer bled oschaun kannt, weil i anders bin.

Seit deiner Geburt lebst du da. Sind die Reichenhal­ler stolz auf dich?

Des glab i ned. I glab eher, dass neidisch san. Moanst du, dass du dei Auto do parken derfst, bloß wei du a Künstler bist? Oder de Musik laut aufdrahn? Se drahn’s aa laut auf, aba des is wos anders. I konn des jetzt schwar erklärn. Aba i dats ned Stoiz nennen. Stoiz is: Wenn’s di sei lossn, wiast bist – donn sans stoiz auf di. Des is wia mit meine Bam. Do sogt oane zu mir: „A so a Bam, der gheat ned ins Dorf eina.“Sog i: „Jo, wo gheat er denn donn hie?“In Woid ausse, hots gsogt. In Woid? Sog ma nu irgendwo an guadn Woid bei uns do. Schaut zwar ois so gsund aus do, aba woart no a boa Joah, sog i. Donn bist um jädn Bam do herinnen froh. Um jädn. Und nur wei dei Bam koane Äpfe trogt, is er trotzdem wos wert. Der trogt nix, weiss ihr so an Rasenmäher hobts. Weis koane Bleamen mehr gibt, weil do draußen nur mehr Maisfelder san, weil koane Seitenstre­ifen san, weils nur mehr fette Wiesen san, weils überdüngt san, weil ois verreckt do draußen. – I kümmert mi um meine Bienen und schenk eana manchmoi a Glasl Honig. „Boa, is des a guada Honig!“, sogns donn. Sog i: „Jo, aba durch dei Grundstück fliagn meine Bienen durch, weis do nix finden.“Aba i vertrog mi trotzdem mit eana. Sitzens hoid auf der Terrasse und schauen auf eanan Golfrasen und segn den Roboter drüberfoan. Den behandelns wia mei Tochter ihre Meerschwei­ndln. Der werd ogschaut, der werd gpflegt, wenn er ned hoamfind, donn bringansn hie zur Lodestatio­n. Des is a Haustier. Vastehst. Wenns in Urlaub fahren, frogns an Nochbarn: „Kanntst eam a bissl a Öl eineschütt­n? Sonst verhungert­a.“ I glab, i dat aa Liada schreibn. Vielleicht Schlager.

 ??  ?? SN: Wenn es einen lieben Gott gibt, warum glaubst du, hat dich der ausgerechn­et nach Bayern geschickt? SN: SN: SN: SN: SN: Das klingt alles so, als wäre deine Welt eine einzige Enttäuschu­ng. Gibt’s denn auch was Schönes da draußen? SN: Da sind wir beim Punkt. Vor hundert Jahren wurde ausgerufen: „Fortan ist Bayern ein Freistaat.“Die Staatsgewa­lt geht nicht mehr von einer Monarchie aus, sondern vom Volk. Bist du sozusagen das Kontrollor­gan von dem Prinzip? SN: SN: SN: SN:
SN: Wenn es einen lieben Gott gibt, warum glaubst du, hat dich der ausgerechn­et nach Bayern geschickt? SN: SN: SN: SN: SN: Das klingt alles so, als wäre deine Welt eine einzige Enttäuschu­ng. Gibt’s denn auch was Schönes da draußen? SN: Da sind wir beim Punkt. Vor hundert Jahren wurde ausgerufen: „Fortan ist Bayern ein Freistaat.“Die Staatsgewa­lt geht nicht mehr von einer Monarchie aus, sondern vom Volk. Bist du sozusagen das Kontrollor­gan von dem Prinzip? SN: SN: SN: SN:

Newspapers in German

Newspapers from Austria