Ein Gastspiel beim riesigen Fußball-Zwerg
China calling. Richard Kitzbichler über das Abenteuer seines Lebens bei Beijing Guoan.
Knapp 2000 Einwohner zählt Seeham, idyllisch gelegen am Obertrumer See und Heimat von Richard Kitzbichler und dessen fünfköpfiger Familie. Kitzbichler ist ehemaliger Fußballprofi und bekennender Abenteurer, womit auch sein Auslandsengagement bei Melbourne Victory im fernen Australien gegen Ende seiner aktiven Karriere zu erklären ist. Das Abenteuer seines Lebens erlebt Kitzbichler derzeit aber in China. In Peking, 7000 Kilometer entfernt von Seeham und Heimat von 22 Millionen Menschen, ist der 44-Jährige Co-Trainer beim Hauptstadtclub Beijing Guoan. Der deutsche Fußball-Lehrer Roger Schmidt hat Kitzbichler in die millionenschwere chinesische Super League gelotst. Die beiden hatten bereits beim österreichischen Serienmeister Red Bull Salzburg höchst erfolgreich zusammengearbeitet, Schmidt als Cheftrainer, Kitzbichler als Videoanalyst. Ihr Know-how ist auch in China gefragt. Wobei: „Die Entscheidung ist mir schon sehr schwer gefallen. Es war ein großer Schritt, vor allem natürlich wegen meiner Familie. Letztendlich ging aber alles wahnsinnig schnell und ich habe innerhalb von zwei Tagen zugesagt“, berichtet Kitzbichler aus Peking. Mittlerweile macht der ehemalige Profi von Austria Salzburg neben der audiovisuellen Match-Vorbereitung und -nachbereitung auch noch vieles mehr, steht täglich mit den Stars, darunter dem ehemaligen Salzburg-Kapitän Jonatan Soriano oder dem brasilianischen Teamspieler Renato Augusto, auf dem Platz. Und auch die Bedenken in Sachen Familie haben sich inzwischen in Wohlgefallen aufgelöst. „Seit August sind meine Frau und meine drei Kinder hier. Die Kinder gehen auf die deutsche Botschaftsschule und sie haben sich schon gut eingelebt, auch meiner Frau gefällt es sehr gut in Peking“, erzählt Kitzbichler. Überglücklich, dass er künftig weniger im Flieger sitzen muss. Davor waren sie abwechselnd zwischen Seeham und Peking gependelt und hatten sich etwa alle sechs Wochen gesehen. Wie sieht das neue Leben in der Millionenmetropole Peking aus? „Wir wohnen in Sanlitun Soho, ein cooles und recht internationales Viertel direkt beim Stadion und ziemlich zentral zwischen dem zweiten und dritten Ring in dieser riesigen Stadt. Ich kann zu Fuß zum Stadion, dort trainieren wir auch. Ansonsten bewegen wir uns mit dem Fahrrad, dem Elektroscooter oder fahren Taxi.“Der Verkehr sei vor allem zu den Stoßzeiten immens, aber – Vorsicht, Seitenhieb! – das kenne man ja schon aus der Stadt Salzburg. China beschreibt Kitzbichler als „aufregendes Land“, die Leute als „ausgesprochen freundlich“und die Sprache, na ja, „gewöhnungsbedürftig“. „Es sprechen nur wenige Englisch, da hilft man sich mit Übersetzungsapps“, erzählt der Familienvater, der aller Voraussicht nach bis Ende 2019 in Peking bleiben wird. „So lange läuft mein Vertrag“, erklärt Kitzbichler und ergänzt: „Ich bin gern hier und froh, dass ich diese Chance bekommen habe, weil es sehr spannend und reizvoll ist.“Reizvoll war freilich auch die Finanzkraft im Fußball-Aufbruchsland China. Investiert wird einerseits in schillernde Stars (siehe Zusatz rechts), andererseits in europäisches FußballKnow-how: „China will in die Weltspitze. Dazu fehlt zugegebenermaßen noch einiges, vor allem der komplette Unterbau. Aber die Chinesen sind allgemein sehr ehrgeizig und werden auf Dauer einen gewaltigen Sprung machen“, meint Kitzbichler. Allein die enorme Anzahl der Kinder in den Fußballschulen sei ein Riesenpotenzial. „Wie weit das gehen kann, ist schwierig zu sagen. Jedenfalls wird man noch viel Geduld brauchen, 10 bis 15 Jahre mindestens, um international konkurrenzfähig zu sein.“Mittlerweile hat man den Kaufrausch der chinesischen Proficlubs etwas eingedämmt und reglementiert, dass pro Ligaspiel maximal drei Ausländer eingesetzt werden dürfen. Wer das nicht befolgt, dem wird eine Strafsteuer in der Höhe des Transferbetrags aufgebrummt. Beijing Guoan hat deshalb zuletzt sogar seinen spanischen Torjäger Jonatan Soriano auf die Tribüne verbannen müssen. In der chinesischen Super League rangiert der Kitzbichler-Club derzeit hinter Schanghai SIPG und Guangzhou Evergrande auf Platz drei. Daheim im fernen Seeham hat der örtliche Fußballclub unterdessen einen großen Sieg beim 6:5-Schützenfest in der 1. Klasse Südwest gegen Mehrnbach gefeiert.