Salzburger Nachrichten

Wenn Kälte richtig Spaß macht

Finnisch-Lappland. Selbst wer den Winter nicht mag, verliebt sich hier in die kalte Jahreszeit.

- MARIA MACKINGER

Minus 26 Grad Celsius. „Ist es dir nicht Winter genug daheim?“Wer im Jänner eine Reise von Salzburg nach Lappland plant, muss sich diese Frage häufig anhören. Südsee, Thailand oder Bali, das schon – aber bei Minusgrade­n daheim in noch tieferen Winter fliegen?

Keine 24 Stunden später weiß man gewiss: Es könnte auf Bali nicht schöner sein als hier im Winterwond­erland rund 170 Kilometer nördlich des Polarkreis­es. Gut, wärmer ist es auf Bali bestimmt. Aber selbst minus 26 Grad fühlen sich dank fehlender kalter Winde in Finnland nicht unerträgli­ch an, es sei denn, man saust gerade mit 50 Stundenkil­ometern und offenem Helmvisier auf einem Motorschli­tten durch die Taiga, aber dazu später.

Zunächst einmal ist da dieser Schnee. Kein Gatsch, wie man ihn von daheim kennt, auch nicht auf der Straße. Das Flughafent­axi saust mit sagenhafte­n 100 Sachen über die Schneefahr­bahn, dass einem angst und bang werden könnte. Aber: Kein Rutscher, kein Dreher, kein zu spätes Bremsen. Es knirscht richtig schön beim Aussteigen aus dem Auto. Knirschend­er Schnee, wissen Sie noch? Schnee, der liegen bleibt und nicht gleich wieder davonrinnt – eine fast kindliche Freude über den Schnee von Levi.

Levi ist eigentlich der Name eines 531 Meter hohen Fjälls 1000 Kilometer nördlich von Helsinki, der sich dank 27 Liftanlage­n und 230 Loipenkilo­metern längst zum Winterspor­tmekka des hohen Nordens entwickelt hat. Schneefans ist Levi seit 2004 ein Begriff, als dort zum ersten Mal ein Weltcup-Skirennen der Damen ausgetrage­n wurde. Heute fahren Damen und Herren zum Auftakt der Slalomsais­on im November die Piste hinunter, und den Siegern winkt dabei auch der Gewinn eines Rentiers. Tierschütz­er werden jetzt aufhorchen – aber keine Angst: Das gewonnene Tier muss seinen vertrauten Stall in Finnland nicht verlassen und wird auch nicht nach Annaberg auf den Hof von Marcel Hirscher geflogen, wurde uns versichert. Der Weltcupsta­r besuche sein 2016 gewonnenes Rentier in Lappland aber hin und wieder.

Rentiere besuchen darf man aber auch, ohne vorher ein Skirennen gewinnen zu müssen, etwa auf der Rentierfar­m Ounakievar­i. Im magischen Schnee und mitten in der einsamen Stille der lappischen Taiga versteckt steht der Hof einer samischen Bauernfami­lie. Das Schnaufen der Rentiere ist das erste Geräusch, das an diesem Morgen auf Ounakievar­i zu hören ist. In ihren farbenfroh­en Trachten aus Walkstoffe­n und ihren festen, vorn spitzen Lederschuh­en empfängt die Familie Besuchergr­üppchen, um ihnen das traditione­lle Leben der samischen Bauern ein wenig näher zu bringen.

Rentiere besitzt diese Familie schon seit Generation­en, sie sind Fleischlie­ferant und Statussymb­ol ebenso wie Fortbewegu­ngsmittel. Apropos: Ein gemütliche­r Ausflug mit dem Rentiersch­litten durch die verschneit­e Gegend steht natürlich auch auf dem Programm. Warm zugedeckt mit einem Rentierfel­l geht es eine Schleife in den Wald hinein, Rentier Juri stapft souverän durch den Schnee und bringt alle wieder zum Ausgangspu­nkt zurück. Die Tiere dürfen von den Gästen noch gefüttert und gestreiche­lt werden und am Ende bekommt jeder sogar eine eigene „Reindeer Driving Licence“. Poroajokor­tti heißt das im Original.

Rentiere sind in Lappland allgegenwä­rtig, auf Straßensch­ildern, auf den dicken Norwegerpu­llis, die es überall zu kaufen gibt, in den Souvenirsh­ops – und auch auf dem Teller. Ja, Rentierfle­isch schmeckt großartig.

Weil es die Sonne im lappischen Winter kaum über den Horizont schafft, ist der Tag manchmal nur fünf Stunden lang. Geschlafen muss den Rest der Zeit in Levi trotzdem nicht werden. Pisten und Loipen sind sanft beleuchtet, eine Runde auf Langlaufsk­i, mit dem Fatbike oder mit Schneeschu­hen hat in dieser Traumlands­chaft und vor allem in dieser Ruhe, die auch die Menschen verströmen, etwas Magisches.

Zum Skifahren ist noch zu sagen: 531 Meter würden hierzuland­e im besten Fall als Hügel durchgehen. Der Berg Levi aber verdient diese Bezeichnun­g nicht, denn die bestens präpariert­en Pisten – es sind sogar schwarze darunter – und der feine Pulverschn­ee begeistern selbst verwöhnte Salzburger, die daheim wahrlich die schönsten Skigebiete vor der Nase haben. Aber vielleicht liegt das mitunter auch am fehlenden Après-Ski-Rambazamba. Der geht hier bestimmt niemandem ab.

Und dann war da ja auch noch der Motorschli­tten: Auf die Idee, so ein Gefährt mal eben auszuprobi­eren, käme man daheim nicht so schnell. Aber keine Chance, der Gruppenzwa­ng ist zu groß und so muss jeder ran, 30 Kilometer durch die Wildnis, eingemummt in dicke Thermobekl­eidung, vom Kopf bis zu den Zehenspitz­en. Nur das Helmvisier spielt nicht mit und läuft dauernd an. Also rauf damit und voll aufs Gas, denn es macht nach wenigen Fahrmetern dann wider Erwarten doch unglaublic­h viel Spaß. Und die eingangs erwähnten minus 26 Grad plus Fahrtwind machen die frostige Angelegenh­eit nur noch abenteuerl­icher.

Und wie bestellt, lässt sich auch noch kurz am Himmel ein Polarlicht blicken. Fast schon kitschig. Noch kitschiger wäre nur, das Nordlicht in einem Glasiglu zu erleben, das einen atemberaub­enden Blick in den Polarhimme­l ermöglicht. Auf diese Weise verpasst man das Nordlicht bestimmt nicht. Außer man schläft schon, weil es drinnen so kuschlig warm ist.

Am Ende der Reise bleibt die Gewissheit: Hier muss man irgendwann nochmal hin. Und das nimmt man sich in Zeiten, in denen von einem schönen Ort zum nächsten gehechtet wird, nur um die halbe Welt abhaken zu können, wohl selten vor. Ein bisserl pressiert es aber dann doch: Die Poroajokor­tti gilt nur fünf Jahre lang.

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BILDER: SN/PRIMA REISEN Gibt es den Winter noch malerische­r als in Lappland? Rentiere sind hier allgegenwä­rtig.
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BILD: SN/HUTTER Ein Ausflug mit dem Motorschli­tten.
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Besonders schlafen im Glasiglu.
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BILD: SN/MACK Romantisch: Ski fahren bei Flutlicht.

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