Morgenröte in Europa
Vor etwa 50 Jahren verbrachte ich im Rahmen der AIESEC ein Praktikum in Frankreich. Bei einem Kongress in Marseille waren wir ein bunter Haufen Wirtschaftsstudenten (Damen und Herren) aus vielen europäischen Ländern, die voll Begeisterung neue Eindrücke und Erfahrungen aufsaugten. Es war noch die Zeit, in der viele Franzosen mit Ressentiments den Deutschsprachigen gegenüberstanden, was unsere Aufbruchstimmung aber nicht sonderlich berührte. Sie war nur mit dem Blick auf das geteilte Europa, die Länder hinter dem Eisernen Vorhang, getrübt. Bei einer Veranstaltung sollten wir spontan einen kulturellen Beitrag aus unseren Heimatländern bringen: Die Deutschen sangen nicht den national behafteten „Schönen Westerwald“, obwohl sie den gekonnt hätten, sondern das Kinderlied „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“, mir fiel nur „Wann i dran denk an mei junges Leben“ein. Was die Holländer, Schweden und Spanier sangen, weiß ich nicht mehr, aber die Belgier und Franzosen stimmten „Sur le Pont d’Avignon“an. Und siehe da: Wir alle sangen lauthals mit und fühlten uns europäisch verbunden. Manche Freundschaft dauerte an. Heutzutage ist der Eiserne Vorhang Geschichte und die ehemaligen von Russland abhängigen, inzwischen in der EU integrierten Länder sind unter der Europa-Hymne vereint. Sie trägt dazu bei, eine gemeinsame Identität zu prägen. Und wenn ich auf meinen Reisen in Afrika oder Asien die Hymne höre, habe ich heimatliche Gefühle.