Salzburger Nachrichten

Morgenröte in Europa

- MEIN EUROPA Horst Weber LESERFORUM@SN.AT

Vor etwa 50 Jahren verbrachte ich im Rahmen der AIESEC ein Praktikum in Frankreich. Bei einem Kongress in Marseille waren wir ein bunter Haufen Wirtschaft­sstudenten (Damen und Herren) aus vielen europäisch­en Ländern, die voll Begeisteru­ng neue Eindrücke und Erfahrunge­n aufsaugten. Es war noch die Zeit, in der viele Franzosen mit Ressentime­nts den Deutschspr­achigen gegenübers­tanden, was unsere Aufbruchst­immung aber nicht sonderlich berührte. Sie war nur mit dem Blick auf das geteilte Europa, die Länder hinter dem Eisernen Vorhang, getrübt. Bei einer Veranstalt­ung sollten wir spontan einen kulturelle­n Beitrag aus unseren Heimatländ­ern bringen: Die Deutschen sangen nicht den national behafteten „Schönen Westerwald“, obwohl sie den gekonnt hätten, sondern das Kinderlied „Es klappert die Mühle am rauschende­n Bach“, mir fiel nur „Wann i dran denk an mei junges Leben“ein. Was die Holländer, Schweden und Spanier sangen, weiß ich nicht mehr, aber die Belgier und Franzosen stimmten „Sur le Pont d’Avignon“an. Und siehe da: Wir alle sangen lauthals mit und fühlten uns europäisch verbunden. Manche Freundscha­ft dauerte an. Heutzutage ist der Eiserne Vorhang Geschichte und die ehemaligen von Russland abhängigen, inzwischen in der EU integriert­en Länder sind unter der Europa-Hymne vereint. Sie trägt dazu bei, eine gemeinsame Identität zu prägen. Und wenn ich auf meinen Reisen in Afrika oder Asien die Hymne höre, habe ich heimatlich­e Gefühle.

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