Warnschüsse bei der Verfolgung eines Autodiebs: Wann dürfen Polizisten eigentlich ihre Dienstwaffe benutzen?
Warnschüsse bei der Verfolgung eines Autodiebes werfen die Frage auf: Wann dürfen Polizisten von ihrer Dienstwaffe Gebrauch machen? Heuer wurde drei Mal auf Menschen geschossen.
WIEN. Polizisten observieren einen mutmaßlichen Autodieb, der in einem hochpreisigen Mercedes am Steuer sitzt. Als er sich im Straßenverkehr rücksichtslos zu verhalten beginnt, geben sich die Beamten zu erkennen und verfolgen mit Blaulicht den Mann, der aufs Gas steigt. Er flüchtet mit hohem Tempo, ignoriert auch das Rotlicht von Verkehrsampeln. So geschehen Donnerstagabend in Brunn am Gebirge (Bezirk Mödling).
Um den Lenker zu stoppen, gaben die verfolgenden Polizisten zwei Schüsse aus ihren Dienstpistolen ab. Der Flüchtende habe sogar den ins Erdreich abgegebenen Warnschuss ignoriert, sagt Johann Baumschlager von der niederösterreichischen Polizei. Ein aus kurzer Distanz abgegebener zweiter Schuss auf die Reifen des Fahrzeugs schlug in der Karosserie des Autos ein. Laut Baumgartner seien andere Personen nicht gefährdet gewesen. Dem Unbekannten gelang die Flucht, auch eine Großfahndung brachte keinen Erfolg.
Fälle wie dieser stellen die Frage, ob, wann und wie die Dienstwaffe eingesetzt werden soll. Schusswaffengebrauch ist für Polizisten immer eine Gratwanderung. Er gilt als letztes Mittel, Randalierer oder Gewalttäter zu stoppen. Waffen dürfen generell nur eingesetzt werden, wenn es um eine „gerechte Notwehr zur Verteidigung eines Menschen“ geht oder zur „Erzwingung einer Festnahme oder zur Verhinderung des Entkommens einer Person“.
Laut Waffengebrauchsgesetz gibt es noch weitere Punkte, bei denen der Einsatz gerechtfertigt ist, nämlich „zur Unterdrückung eines Aufstandes oder Aufruhrs“oder „zur Festnahme oder Verhinderung des Entkommens eines allgemein gefährlichen Geisteskranken“. Prinzipiell gilt es zwischen Schüssen auf Menschen sowie Warn- und Schreckschüssen oder „Schusswaffengebrauch gegen Sachen“– wie im erwähnten Fall des mutmaßlichen Autodiebes in Niederösterreich – zu unterscheiden. Im Vorjahr drückten die heimischen Polizisten 81 Mal ab, vier Mal wurde dabei auf Menschen gezielt, wie aus einer Statistik des Innenministeriums hervorgeht. Im mehrjährigen Vergleich gibt es keine allzu großen Unterschiede, 2012 wurde 59 Mal von den Gesetzeshütern geschossen, in vier Fällen waren Menschen das Ziel. Als „Ausreißer“in der Statistik gelten die Jahre 2013 und 2016, als jeweils neun Mal Personen in das Visier der Polizei geraten sind. Christoph Pölzl vom Innenministerium erläutert: „2013 gab es den Vorfall in Annaberg, bei dem bei einem Feuergefecht drei Polizisten und ein Sanitäter von einem Wilderer erschossen wurden.“2016 sorgte ein Fall in Wien für Schlagzeilen: Ein mutmaßlicher Räuber tötete einen Polizisten in einem Supermarkt und verletzte einen anderen. Jeder Schusswaffengebrauch eines Polizeibeamten wird in Österreich überprüft, zuständig dafür ist die Eliteeinheit Cobra.
Heuer sind in der Statistik bislang 32 Fälle von Schusswaffengebrauch registriert, drei Mal wurde dabei die Waffe auf Menschen gerichtet. Um für den Ernstfall gerüstet zu sein, müssen Polizisten kontinuierlich an Schießübungen teilnehmen. Jeder Polizeibeamte muss demnach jährlich zu Übungszwecken rund 500 Schüsse abgeben, davon 300 mit der Dienstwaffe und 180 mit einer Langwaffe.